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Politik

Markus Mirschel

Der Kampf um die parteipolitische Macht in der Russländischen Föderation

Die KPRF 1991 - 1996

ISBN: 978-3-8366-6974-0

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Abb.: 4
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im vereinigungspolitischen Spektrum der RF haben sich nur wenige Konstanten herauskristallisieren können. Einer dieser Fixpunkte ist in der Kommunistischen Partei der Russländischen Föderation (KPRF) zu sehen. Die Vereinigung hatte es geschafft, wie ein Phönix aus der Asche aufzusteigen. Sich nicht nur über die Zeit des Putsches 1993 zu retten, sondern in der Folgezeit zur einzigen Vereinigung zu erwachsen, der es möglich war, sich gegen die rechtspopulistische Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR), die 'Parteien der Macht', aber auch gegen JABLOKO und die Jelzin-Administration zu behaupten. Keine Vereinigung dieser Zeit schaffte es, so viele Mitglieder und Wähler an sich zu binden, wie es die kommunistische Partei unter G. A. Sjuganow vermochte. Letztendlich ist es der KPRF gelungen, mit G. A. Sjuganow den aussichtsreichsten Gegenkandidaten zu B. N. Jelzin aufzubauen. Die Präsidentschaftswahl von 1996 ist, wie keine nach ihr, denkbar knapp ausgefallen und erst in der Stichwahl entschieden worden. Gleichsam stellt das Jahr 1996 für die Vereinigung eine tief greifende Zäsur dar. Für die Erfolge und Niederlagen der KPRF ist es von Vorteil, die sie beeinflussenden Faktoren in exogene, der Makroebene 'politische System der RF' und in endogene, der Mikroebene 'KPRF' entstammende Faktoren zu unterteilen. Auf die exogenen Faktoren, wie beispielsweise die exponierte Stellung des Präsidenten, eine fehlende Parteiengesetzgebung, die marginale Stellung der Staatsduma, die Politikverdrossenheit und Sozialisierung der Wahlbevölkerung oder die geografischen Dimensionen der Föderation, konnte die Sjuganow-Vereinigung nur geringfügig Einfluss nehmen. Die endogenen Faktoren, wie das politische Programm, das Statut oder eine fehlende innerparteiliche Homogenität, lagen in den Händen der Vereinigung und konnten von ihr aktiv, aus ihr heraus gestaltet werden. Für den angestrebten Sieg zur Präsidentschaftswahl 1996 oblag es der KPRF, geeignete Strategien zu finden. Als für das Ziel positiv kann der Schwenk von der unversöhnlichen zur konstruktiven Opposition, eine breite Koalitionsbereitschaft, das Nutzen dichter Netzwerke und ein breites Angebot programmatischer Schwerpunkte, gekoppelt an den Passus 'Partei leninistischen Typs' gewertet werden. Dass G. A. Sjuganow in der Vereinigung umstritten war, der Vorwurf des fehlenden Charismas im Raum stand und es die Vereinigung nicht vermochte, ausreichend Mobilisierungspotential gegenüber Wählern außerhalb der KPRF-Stammwählerschaft zu erreichen, sind als dem Ziel abträglich zu betrachten. Ferner verfolgte die KPRF einen grauen, klassischen, aber z. T. unprofessionellen Wahlkampf, der der Kremladministration nicht gefährlich werden konnte und dem modernen, stark medialen Wahlkampf B. N. Jelzins nichts entgegenzusetzen hatte. Eine einseitige Ausrichtung auf russisch-nationale Themen kann ebenfalls als strategischer Fehler der KPRF gesehen werden, zeigten doch Umfragen, dass dem Großteil der Wahlbevölkerung mehr an der Verbesserung der sozial-ökonomischen Lage gelegen war, als an nationaler Rhetorik. Eine von exogener Seite geschürte Kommunismusangst und das Fehlen eines positiven Alternativprogramms von endogener Seite runden das Scheitern der KPRF zur Präsidentschaftswahl 1996 ab. Sowohl die endogenen, als auch die exogenen Faktoren leisteten ihren Betrag zum Scheitern der Vereinigung, doch muss festgehalten werden, dass die Einflussnahme der KPRF auf die hemmenden Faktoren im exogenen Bereich hätte stärker ausfallen können.

Leseprobe

Kapitel 3.2.2, Endogene Faktoren: Der erste der endogenen Faktoren, der sich in diesen Aussagen herauskristallisiert, ist der `Programm-Mix´, welcher sich aber an der gegenwärtigen Situation in der RF und der politischen Ausrichtung der KPRF orientiert. Er muss somit nicht als hemmend gewertet werden, da er eher eine breite Wählerschicht miteinander verbindet und die breite Koalitionsbereitschaft der KPRF gewährleistet. Der zweite endogene Faktor lässt sich in der Aussage zu den jeweiligen KPRF-Flügeln finden. Hier ist zu sagen, dass der `konservativ-stalinistische Flügel´, der laut Aussage H. Timmermanns nur noch 10-15% innerhalb der KPRF ausmacht, zwar Druck auf die Führung ausüben kann, doch an dem Problem zu leiden hat, dass nur noch rund 15% des Wahlvolkes ein schlichtes Zurück zum Realsozialismus sowjetischen Typs auch in der Realität sehen will. Zum zweiten Flügel, der `sozialdemokratischen Strömung´, ist zu sagen, dass sie von der Größe der Gruppe bei nur 10% lag und sich dem Dilemma ausgesetzt sah, dass die sozialdemokratische Position bereits von einer Vielzahl politischer Vereinigungen außerhalb der KPRF besetzt war. Ebenso sah sich die `sozialdemokratische Strömung´ stetigen Angriffen der Konservativen innerhalb der KPRF ausgesetzt. Sie würde […] die besondere kulturhistorische Tradition und die Vorrausetzungen Russlands missachten und das Land den zersetzenden Einflüssen der westlichen Zivilisation aussetzten. Dieser Vorwurf wurde auch von Seiten der stärksten Formation innerhalb der KPRF, dem rund 75% starken `linksnationalistischen Zentrum´ an die `sozialdemokratische Strömung´ gerichtet. Der damalige stellvertretende Vorsitzende der KPRF, A. A. Schabanow, attestierte, dass es angesichts der spezifischen Bedingungen des Landes in Russland keinerlei Sozialdemokratie geben [kann]. Für die KPRF bedeuteten die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Vereinigung keineswegs eine Stagnation, wie A. Ignatow ein vermeintliches Dilemma der KPRF versucht zu umschreiben, sondern es bedeutet das Aufbrechen des monolithischen Blockes und die Zulassung von Plattformen, was der programmatischen Diskussion innerhalb der KPRF dienlich war. Ein weiterer endogener Faktor bezieht sich auf die schon angesprochene Koalitionsfähigkeit der KPRF, hier in Bezug auf die beiden Staatsdumawahlen und die Präsidentschaftswahl von 1996. Doch ist auch dieser Koalitionsbereitschaft eine Grenze gesetzt. Auf der einen Seite verbietet sich durch die strikte Ablehnung einer Sozialdemokratisierung die Zusammenarbeit mit den einschlägigen Vereinigungen dieses Spektrums. Auf der anderen Seite gibt es trotz der Einbindung nationalistischer Elemente keine Zusammenarbeit mit z.B. der LDPR. Dies unterstreicht H. Timmermann, indem er sagt: […], zur Partei Schirinowskijs allerdings hält die KPRF deutlichen Abstand, da sie diese als unseriös einschätzt und ihr (keineswegs zu Unrecht) vorwirft, das Regime Jelzin-Tschernomyrdin zu unterstützen. Und abschließend lassen sich bei allen taktischen Übereinkommen auch Grenzen erkennen, die sich im linksradikalen Spektrum der RF für die KPRF ergeben. Zum einen der Gewaltverzicht, auf den sich keine der linksradikalen Vereinigungen einlassen wollte, aber auch die Abkehr der KPRF von radikaler Rhetorik. Somit blieb der KPRF nur die schon angesprochene Möglichkeit, auf der Basis der NPSR als Nachfolge des `Volkspatriotischen Blockes´ ein Bündnis zu schmieden, was aber in keiner Weise alle oppositionellen Kräfte an sich band. Die NPSR bildete einen Zusammenschluss unter Vorherrschaft der KPRF. Als Hauptziele der NPSR ließen sich festhalten: eine Absage an jeden Radikalismus, die Betonung der staatlichen Interessen und der Versuch der Einflussnahme auf das Machtsystem . Dass die KPRF auch weiterhin zwischen der parlamentarischen und der außerparlamentarischen Arbeit unterschied, zeigte die schon angebrachte partielle Zusammenarbeit mit JABLOKO in der Staatsduma, welche außerparlamentarisch nie zustande gekommen wäre. E. Schneider weist auf diese Tatsache hin und sagt: Bei der Besetzung der Posten der Komiteevorsitzenden haben zu einiger Verwunderung die KPRF- und die Jabloko-, sowie die NDR (UHR, Anm. des Verf.)- und die LDPR-Fraktion zusammengearbeitet . Diese Aussage lässt drei Interpretationen zu. Die erste besteht darin, der KPRF eine andere Zusammenarbeitsbereitschaft innerhalb, als außerhalb der Staatsduma zu unterstellen und somit einen gewissen parlamentarischen Pragmatismus. Als zweite Interpretation könnte die Zusammenarbeit als Indiz für die `konstruktive Opposition´ gesehen werden und als dritte Interpretation könnte die Zusammenarbeit der UHR- mit der LDPR-Fraktion die Unterstützung der LDPR für die Regierung aufdecken, denn die UHR galt als PdM. Als Aussage muss festgehalten werden, dass der KPRF trotz eines `Programm-Mixes´ keine allumfassende Unterstützung zuteil wurde. Die KPRF setzte sich selbst Grenzen. Diese selbst gesetzten Grenzen schärften auf der einen Seite das politische Profil, was einer Aussage A. Ignatows widerspricht, der sagt: […], die (die KPRF, Anm. d. Verf.) ihre frühere `monolithische´ Idee verloren hat, an ihre Wirksamkeit nicht mehr glaubt, aber unfähig ist, etwas anders zu schaffen, und impulsiv und unüberlegt zu allem greift, was sie bei der Hand hat. Auf der anderen Seite vermochte es die KPRF aber nicht, ein großes, über die Grenzen des `Volkspatriotischen Blockes´ hinausgehendes Bündnis zu Gunsten der KPRF zu schmieden. Somit war die Wirkung ambivalent und bedeutete, bezogen auf die Präsidentschaftswahlen 1996 einen möglichen taktischen Fehler, denn hier konnte die KPRF neben der APR und den Linkskommunisten kaum politische Mitstreiter auf Zeit gewinnen. So kann das fehlende Mobilisierungspotential von Wählern außerhalb der KPRF-Stammwählerschaft, das durch unzureichende Anreizpotentiale verursacht wurde, als eine der Ursachen des Scheiterns G. A. Sjuganows bei den Wahlen 1996 interpretiert werden. An diesem Punkt lässt sich noch ein weiterer Einflussfaktor anknüpfen, welchen R. Sakwa anspricht: A communist-dominated Duma was one thing, balanced by a reformist president, but a communist president as well would have destroyed the de facto political separation of power. Dies bedeutet, dass eine kommunistisch dominierte Staatsduma als Ausdruck des politischen Protestes durch die Wähler durchaus gewollt war. Ziel war es hierbei, dem Präsidenten ein, wenn auch geringes Gegengewicht entgegenzusetzen. Eine Akkumulation kommunistischer Macht in Form eines allmächtigen Präsidenten und einer kommunistisch dominierten Staatduma wäre auch dem Wahlvolk zu viel an Opposition gegenüber den damaligen Verhältnissen. Somit waren die Wahlerfolge der KPRF auf der Ebene der Parlamente nicht immer ein Vorteil für G. A. Sjuganow als Kandidaten bei der Wahl zum Präsidenten der RF.

Über den Autor

Markus Mirschel, Studium der Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Potsdam. Abschluss 2007 als Magister Artium der Geschichte und Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt der Geschichte und Politik des östlichen Europas sowie der Sowjetunion und Fragen zur Entwicklung der Russländischen Föderation und der GUS.

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