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- Der Einfluss von Sprachkompetenzen auf politische Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der bedeutendsten Einwanderungsländer Europas. Dabei spielt in den Diskursen die Binnenmigration keine so starke Rolle wie die internationale Migration, zu der Arbeitsmigration, (Spät-) Aussiedlung, Migration von Flüchtlingen und Asylsuchenden sowie transnationale Migration gezählt werden, denn Ursachen, Motive und soziale Folgen internationaler Migration sind heikle Themen, die Diskussionsbedarf erzeugen. Obwohl ein Daueraufenthalt für bestimmte MigrantInnengruppen gestattet ist, gehört Diskriminierung weiterhin zum Alltag im Schul- und Bildungssystem sowie u.a. auch auf dem Arbeitsmarkt. Die soziale Ungleichheit im Schulsystem entsteht primär aufgrund der vorherrschenden mehrsprachigen Verhältnisse unter SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Indem die eigentlich aus pädagogischer Perspektive nützliche und wertvolle Mehrsprachigkeit in den meisten Schulen keine Achtung und Förderung bekommt, wird sie vielen SchülerInnen mit Migrationshintergrund zum Verhängnis, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben. Durch die Benachteiligung dieser SchülerInnen in der schulischen Ausbildung wird auch ihre spätere berufliche Platzierung beeinflusst. Zu weiteren negativen Auswirkungen einer Nichtförderung der Erstsprache von SchülerInnen mit Migrationshintergrund in den Schulen gehört vor allem auch ihre geringe politische Partizipation im Aufnahmeland. Die vorliegende Studie behandelt im Schwerpunkt die Frage, wie Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland stärker an politischen Lernprozessen beteiligt werden können, damit sie einen Einblick in die politischen Strukturen der BRD gewinnen und erlernen, wie, wo und in welcher Form sie ihre eigenen sozialen und politischen Interessen vertreten können. Dazu wird vorliegende Literatur mit spezifischen Fragestellungen beleuchtet und bewertet.
Textprobe: Kapitel 4.1 Politische Bildung und Sprache: 4.1 Bilingualität – Die Bedeutung der Erstsprache für die Entwicklung zweitsprachlicher Kompetenzen: In diesem Abschnitt wird es aus politischer Perspektive um die Bedeutung des Beherrschens der Landes- und der Muttersprache für MigrantInnen gehen, wobei diese in zwei Sprachgruppen unterteilt werden: zum einen solche, die Deutsch als eine Fremdsprache erlernt haben (und in dieser Arbeit nur am Rande erwähnt werden), und zum anderen diejenigen, die bilingual sind und sowohl das Deutsche wie auch ihre Muttersprache vom Kleinkindalter an erlernt haben. MigrantInnen, die sowohl ihre Erstsprache beherrschen als auch von ihrer Erstsprache aus die Zweitsprache erlernt haben, werden bezüglich der politischen Partizipation den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden. Im Grunde genommen haben sowohl Deutsche, die Deutsch als Muttersprache beherrschen wie auch die Deutsch-als-Fremdsprachler und ebenso Bilinguale dasselbe Problem: Die politische Sprache hat sich zu einer sogenannten Subsprache entwickelt und ist nicht immer einfach zu verstehen. Auf die Problematik der Subsprache Politik wird im nächsten Kapitel eingegangen an dieser Stelle soll es um die Bedeutung des Beherrschens der Erstsprache bei Bilingualität für politische Partizipation und somit für staatsbürgerliche Kompetenz gehen. Unter dem Begriff Sprache wird die menschliche Fähigkeit verstanden, mit der sich Menschen wechselseitig über individuelle Erfahrungen, Erkenntnisse sowie über die Umwelt mit Hilfe von Zeichen austauschen. Schon im 18. Jahrhundert gingen Sprachtheoretiker wie Wilhelm von Humboldt oder auch Étienne Bonnot de Condillac davon aus, dass Sprache das Denken formt, die Wahrnehmung von Wirklichkeit beeinflusst und die Möglichkeiten des Ausdrucks vorgibt. Diesbezüglich schreibt Jutta Hergenhan, es gebe zwei Sprachschulen hinsichtlich der Sprache als Denkmuster, nämlich eine universalistische und eine relativistische. Dass sprachliche Strukturen den Menschen eingeboren seien und es deswegen keine Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks gebe, sei die Version der universalistischen Sprachschule. Nach der relativistischen Sprachschule hingegen prägten gesellschaftliche Strukturen die Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks: […] mit der Sprache [wird] eine gewisse Sicht der Welt vermittelt, welche die Gesamtheit der Vorstellungen enthält, die die jeweilige Gemeinschaft ausgebildet hat. Auch die relativistische Whorf-Sapir-Hypothese spricht gegen ein universelles Denken und macht die Erstsprache für die menschliche Wahrnehmung der Welt verantwortlich man nehme die Welt so wahr, wie sie in der Erstsprache strukturiert und dargestellt sei, denn unterschiedliche Grammatiken würden zu verschiedenen Beobachtungen und unterschiedlichen Weltansichten führen. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken einerseits und zwischen sprachlicher und kultureller Kompetenz andererseits, denn wir denken in sprachlichen Zeichen, also in sprachlich kodierten Begriffen, Bildern und Vorstellungen , die wiederum Teil eines ganz bestimmten geschichtlich gewachsenen kulturellen Kontextes sind. Sprachliche Kommunikation zwischen GesprächsteilnehmerInnen wird also zum einen vom Maß der Sprachbeherrschung und zum anderen auch von der inneren Verbundenheit mit der Sprache beeinflusst, und genau diese Aspekte bewirkten, ob die GesprächsteilnehmerInnen als Gleiche miteinander umgehen oder nicht. An dieser Stelle lässt sich die Frage stellen, inwieweit denn überhaupt MigrantInnen, die vom Heimatland aus in ein anderes Land gereist sind, die Landessprache samt kultureller Prägung als eine Fremdsprache erlernen können, um sich im neuen Land zumindest sprachlich als vollwertige StaatsbürgerInnen behaupten zu können. Hans Joachim Meyer vertritt die These, dass selbst der längste und anspruchsvollste Fremdsprachenunterricht mit der Aufgabe überfordert wäre, die kulturelle Prägung und Aufladung des fremdsprachigen Wortschatzes umfassend zu vermitteln. Die interkulturelle Kompetenz beschränke sich nur auf das Gebiet der sozialen Kontakte, und das reiche nicht aus, um bei einer intellektuell anspruchsvollen Kommunikation (wie etwa in der politischen Sprache) ein sicheres Gefühl für die Untiefen und Abgründe kultureller Missverständnisse zu entwickeln. Diese Thesen legen also nahe, dass bei einer Kommunikation, bei der für einen Teilnehmer die gesprochene Sprache die Muttersprache und sie für den anderen die Fremdsprache ist, eine Ungleichheit zwischen den Kommunikationsteilnehmern entstehen kann, bei der der Muttersprachler dominieren könnte. Anders würde es bei sogenannten bilingualen Menschen aussehen, die meistens Nachkommen von MigrantInnen sind und sowohl die Herkunftssprache der Eltern, die in den meisten Fällen ihre Erstsprache ist, als auch die Landessprache Deutsch, die dann ihre Zweitsprache darstellt, vom Kleinkindalter an samt der kulturellen Prägung beider Sprachen erlernt haben und zweisprachig aufgewachsen sind. Die Erstsprache ist die zuerst erlernte Sprache eines Menschen, die meistens mit der Muttersprache gleichgesetzt wird, weil diese, praktisch gesehen, von den Kindern zuerst erlernt wird trotzdem muss sie, theoretisch gesehen, nicht zwingend als erste Sprache erlernt werden. Die sprachliche und kulturelle Identität eines Menschen wird durch die Erstsprache gebildet. Während das Erlernen der Erstsprache soziale Interaktionen mit Bezugspersonen und soziale Kontakte bedingt, ist das beim Zweitsprachlernen nicht zwingend notwendig, denn die Zweitsprache baut auf die grundlegenden, durch die Erstsprache erworbenen Erfahrungen sowie Fähigkeiten auf. Die Zweitsprache wird also durch das in der L1 erworbene Weltwissen und die Interaktionsfähigkeiten begünstigt . Caprez-Krompàk schreibt diesbezüglich: Wesentliche Unterschiede zwischen Erst- und Zweitspracherwerb sieht Klein (1992) in der kognitiven und sozialen Entwicklung. Im Erstspracherwerb werden bedeutende Elemente der Sprache erworben, die in engem Zusammenhang mit der kognitiven Entwicklung stehen. […] Insgesamt […] zeichnet sich der Zweitspracherwerb durch ein höheres Mass an kognitiven Voraussetzungen als der Erstspracherwerb aus. Mit der Sprache wird nicht nur kommuniziert, sondern es werden auch Emotionen, Vorstellungen und Verhaltensweisen in sozial normierter Form ausgedrückt. Der Erstspracherwerb steht aber in engerem Zusammenhang mit der Entwicklung der sozialen Identität als der Zweitspracherwerb. Die Zweitsprache ist die Sprache, die nach der Erstsprache vom Kind erlernt wird –dies ist bei den Migrantenkindern die deutsche Sprache. Was die Zweisprachigkeit betrifft, so gibt es unterschiedliche Definitionen. Während Britta und Herbert Günther ein Kind als zweisprachig anerkennen, wenn es mehr als eine Sprache täglich für die Kommunikation benutzt und wenn dabei der Wechsel von der einen in die andere Sprache problemlos gelingt , legen Lewandowski und McNamara keine so große kognitive Voraussetzung fest und anerkennen ein Kind als zweisprachig, wenn es die Zweitsprache (nach McNamara nur minimal) versteht und/oder liest und/oder spricht.260 Bilinguale Menschen werden also vom Kleinkindalter an mit zwei Sprachen konfrontiert (mit der Erstsprache der Eltern und mit der Landessprache) und lernen beide Sprachen samt der kulturellen Prägung gleichzeitig. Kommen wir nun darauf zurück, dass Sprache das Denken formt, die Wahrnehmung von Wirklichkeit beeinflusst und die Möglichkeiten des Ausdrucks vorgibt sowie […] mit der Sprache eine gewisse Sicht der Welt vermittelt [wird], welche die Gesamtheit der Vorstellungen enthält, die die jeweilige Sprachgemeinschaft ausgebildet hat und nehmen wir hinzu, dass unterschiedliche Grammatiken zu verschiedenen Beobachtungen und unterschiedlichen Weltansichten führen, so lässt sich das Denken von bilingualen Menschen als von zwei Sprachen geformt beschreiben, womit bei diesen sowohl die Wahrnehmung von Wirklichkeit als auch die Möglichkeiten des Ausdrucks weiter gefächert sind als bei monolingualen Menschen. Des Weiteren könnte man auch sagen, dass mit dem Beherrschen zweier Sprachen eine doppelte Sicht der Welt verbunden ist, welche die Gesamtheit der Vorstellungen enthält, die beide Sprachgemeinschaften ausgebildet haben. Und schließlich kann man auch behaupten, dass indem bilinguale Menschen zwei Sprachen und somit zwei unterschiedliche Grammatiken beherrschen, ihre Beobachtungen und Weltansichten weiter gefächert sind als die monolingualer Menschen. Diesbezüglich wurden mehrere Untersuchungen durchgeführt, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit erwähnt werden. Ihre gemeinsame Kernaussage ist, dass das perfekte Beherrschen der Erstsprache sich beim Zweitspracherwerb, der meistens der Erwerb der Landessprache ist, positiv auswirkt. Des Weiteren schreibt Edina Caprez-Krompàk bezüglich sprachlicher Integration, dass die sprachlichen Aspekte der Integration […] nicht nur den Erwerb der Landessprache [umfassen], sondern ebenso das Aufrechterhalten bzw. Vervollkommnen der Erstsprache , damit die eigene kulturelle Identität nicht aufgegeben wird. Wissenschaftliche Forschungen zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen der Mehrsprachigkeit und der kognitiven Entwicklung auf, und auch wenn es darum geht, die Politik und ihre genuine Sprache besser zu verstehen, so wirkt sich das Beherrschen der Erstsprache und das Erlernen der Zweitsprache von der Erstsprache aus positiv aus. Auch wenn ich zu diesem Thema keine Forschungsarbeiten gefunden habe, bin ich heuristisch vorgegangen und habe diesbezüglich in Kapitel 4.3 eine Interpretationsarbeit erstellt. Obwohl es mehrere Forschungsergebnisse gibt, die einen positiven Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitspracherwerb sowie der kognitiven Entwicklung aufzeigen, ist man sich dennoch in der Bildungspolitik noch nicht einig, ob eine institutionelle Förderung der Erstsprache stattfinden soll, zumal von Land zu Land auch unterschiedliche Entscheidungen diesbezüglich getroffen werden. Einige Defizits- und Korrespondenztheorien besagen, dass landessprachliche Defizite der SchülerInnen mit einer anderen Herkunftssprache als der deutschen ausgeglichen werden sollen, indem solche SchülerInnen ausschließlich in der Landessprache Deutsch unterrichtet werden. Diesen Theorien stehen neuere Forschungsergebnisse entgegen, die besagen, dass gute erstsprachliche Kompetenzen den Erwerb der Zweitsprache positiv beeinflussen. Zudem stellen Forscher fest, dass die Entwicklung von Mehrsprachigkeit auch für die anderen Entwicklungsbereiche förderlich sei, denn man habe einen engen Zusammenhang zwischen der Mehrsprachigkeit und der kognitiven Entwicklung feststellen können. Der Einfluss bereits erworbener bzw. gelernter Sprachen auf den Erwerb einer zweiten Sprache werde heute als offensichtlich betrachtet, es gebe jedoch Uneinigkeit darüber, wie weit der Zweitspracherwerbsprozess vom jeweiligen Sprachkontrast der beteiligten Sprachen abhängig sei.
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