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- Wärmetheorie und Systemtheorie: Im Kosmos Beuys mit Luhmanns Brille
Philosophie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dieses Buch versucht das Feld der Beuys´schen Wärmetheorie an aktuelle Diskussionen der Raumgestaltung anzuschließen. Denn die Topologische Wende, die Beuys fordert, ist eine viel umfassendere, als die meisten Menschen nach der kapitalistischen Kulturrevolution überhaupt zu denken wagen. Beuys fordert auf, das Material zwischen Wärmepol und Kältepol zu ergreifen und als soziale Plastik zu gestalten. Durch das Werkzeug seines Denkens ist der Mensch in der Lage, den Formpol zu ergreifen, womit er im Spezialfall (Umstülpung) mit der Form schon Inhalt erzeugt. Das ist der Punkt durch den gilt, dass alle Fragen Formfragen und Gestaltungsfragen sind. Ob politische, wirtschaftliche, umweltschutz- oder architektonische Fragen, alles ist heute eine künstlerische Frage und damit prinzipiell für jedermann zugänglich. Für Joseph Beuys jedenfalls bildete der Begriff des Raumes, wie er von Albert Einstein und Max Planck erarbeitet wurde, diesen Zugang, weil er ihn als verkürzt und unzulänglich vorfand und in den Begriff der Plastik und in den Begriff der Aktion erweitern musste. Die Raumfrage muss also in die Frage nach der Plastik überführt werden, wenn sie eine Zukunftsperspektive eröffnen soll.
Textprobe: Physik: Das Erleben der Zeit taucht beim Menschen an dem Punkt auf, wo er zum ersten Mal Ich zu sich sagt. Hier trennt er ein Vergangenes und ein Zukünftiges und hat damit gleichzeitig die Fähigkeit zu erinnern und zu planen. Die ersten Erinnerungen und das erste Ich-Erlebnis markieren den Punkt der Entstehung der persönlich erlebten Zeit. In dem Film Absolute Giganten, auf dem Rücksitz mit Telsa im Ford Granada, bei der Fahrt in den morgengrauenden letzten gemeinsamen Tag, erinnert sich Floyd: ‘Die erste Sache an die ich mich erinnern kann is: wie ich von meiner Mutter an Sylvester ne Wunderkerze bekommen hab. Der Himmel war voll mit Raketen und Feuerwerkskörpern die explodiert sind und sprühten und es war laut! Aber ich hatte keine Angst sondern hab meine Wunderkerze in den dunklen Himmel gehalten und wie wahnsinnig geschüttelt. Ich hab sie so doll geschüttelt, so wahnsinnig doll, wie ich irgendwie konnte, oder noch doller, bis ich nich mehr konnte und immer weiter, besinnungslos und immer doller. Und ich war klein und die Wunderkerze auch - aber ich war beim Größten und Unglaublichsten dabei was ich je gesehen hatte. Das Tollste und Größte was es gab und ich war dabei, ohne das ich es wusste - dass ich irgendwas wusste. Ich glaub ich hab in meinem ganzen Leben nie wieder etwas so gemacht. So doll und kompromisslos und total. Ich glaub ich hab auch nie wieder in meinem Leben irgendwas erlebt, was so groß war und so gigantisch.’ Die hier angesprochenen Themen Zeit, Aktualität, Engagement, zeigen die starke wechselseitige Bedingtheit von Erlebnis und Aktion und damit von Leben und Welt. Diese kleine Geschichte kann uns in die Richtung einer Dimensionserweiterung führen, wie sie Joseph Beuys erarbeitet hat. Damit zusammen hängen unter anderem Fragen, mit denen sich traditionell die Physik beschäftigt: ‘Die Physik stellt Fragen nach Geometrie und Dimension, Ursprung und Entwicklung, Aufbau und Struktur des Raumes: ist der Raum absolut zu verstehen, als ein äußeres Gefäß, oder relativ, als relationaler Maßstab zweier Ereignisse? Wie verhalten sich Raum, Zeit und Materie zueinander - und zu Feldern? Welche Geometrie besitzt der Raum, wie viele Dimensionen finden sich: 4, 10 oder gar 26? War der Raum schon immer da, oder ist er selbst in Evolution begriffen? Wie ist seine Herkunft und Zukunft zu begreifen (`Big Bang´, Endknall oder kontinuierliche Expansion)? Ist der Raum begrenzt oder unbegrenzt, endlich oder unendlich, gefüllt oder leer? Ist er überall gleich strukturiert und weist die gleiche Richtung auf (Homogenität, Isotropie)? Ist er kontinuierlich oder diskret (Quantisierung)? Wie verhalten sich entfernte Teile des Raums zueinander (Nicht-Lokalität)? Welche Raumstrukturen zeigen sich in der uns Menschen zugänglichen Natur der mittleren Größenordnung (fraktale Raumdimensionen)? Ist es legitim, die heutige Existenz des Menschen als Erklärungstyp für die verblüffende Feinabstimmung physikalischer Naturkonstanten sowie für die Struktur des Raums heranzuziehen (Anthropisches Prinzip)?’ Dieses Anthropische Prinzip findet sich bei Joseph Beuys in dem Begriff der Wärme: ‘Es kommt eine Zeit, in der der Zeit- und der Wärmebegriff den Raumbegriff erweitert.’ Es ist dies auch die zentrale Aussage, an der die Raumforschung nachfragt: was ist hiermit gesagt? Hierzu soll zunächst der Frage nach den wissenschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen des ‘Appellcharakter[s] seiner Werke als Zeugnisse seines Umganges mit Raum zur Überwindung des Raums und nicht zu dessen Beherrschung’ nachgegangen werden. Für Albert Einstein gilt die ‘Auffassung des Raumbegriffes als hervorgegangen aus der Erfassung des Inbegriffes von Lagerungsrelationen zwischen Körpern. [Dies] wird auch durch die Betrachtung der Entwicklung der wissenschaftlichen Raumlehre, der Geometrie, bestätigt.’ Denn ‘von einer [...] Gravitationsdeterminierung der Raumzeit-Geometrie wird gesprochen. Damit hat, so Max Born, die `Geometrie als eine auf die wirkliche Welt anwendbare Lehre [...] keine Sonderstellung vor anderen Zweigen der physikalischen Wissenschaft´’ mehr. Beuys definiert Raum ebenfalls als relationales Gefüge, wenn er erlebt wie ‘die ganze Welt abhängt von ein paar Brocken Material. Von der Konstellation des Wo-eine-Sache-steht, des Ortes, geographisch, und des Wie-die-Sachen-zueinanderstehen.’ Er hat die Vorstellung von Raum als Produkt der Beziehung von Dingen. Bei seinen Installationen kommt es darauf an, wie und wo die Dinge liegen zueinander und zum Gebäude. Die Lagerungsqualität erscheint als raumkonstituierend auch im Zwischenmenschlichen: Soziales ist das Sich-ins-Verhältnis-setzen zum Anderen. Die Frage, wie sich der Eine zum Anderen verhält, macht den Anderen erst zum Mitmenschen. Diese Verhältnissetzung konstituiert die soziale Plastik. Bezüglich des plastischen Begriffes sind also zunächst zwei Erkenntnisse von Bedeutung. Die physiktheoretischen Entdeckungen zeigen, dass der aus Verhältnissen gebildete Raum erst mit der Wärmetheorie möglich geworden ist zu verwirklichen. Und diese Möglichkeit hat Konsequenzen für jeden Menschen, denn die Erweiterung des Raumes in die Plastik macht Gestaltung erst möglich für den einzelnen Akteur. Albert Einstein sieht den Feldbegriff, welcher für Beuys´ plastische Arbeit zentrale Bedeutung hat, zugunsten des Raumbegriffes verschwinden: ‘Das Gesetz der Lichtausbreitung im leeren Raume in Verbindung mit dem Relativitätsprinzip hinsichtlich der gleichförmigen Bewegung hatte mit Notwendigkeit zur Folge, daß Raum und Zeit zu einem einheitlichen vierdimensionalen Kontinuum verschmolzen werden mußten. [...] Der Raum verliert [zunächst] mit der allgemeinen Relativitätstheorie seinen absoluten Charakter. [...] Der Zustand des Raumes gewann [dann jedoch] Feldcharakter der geometrische Raum war dem elektromagnetischen Felde in dieser Hinsicht analog geworden.’ Und schließlich: ‘Nach den hier vertretenen Gesichtspunkten sieht also das axiomatische Fundament der Physik so aus. Das Reale wird aufgefaßt als vierdimensionales Kontinuum mit einer einheitlichen Struktur bestimmter Art (Metrik und Richtung). Die Gesetze sind Differentialgleichungen, welchen die genannte Struktur, d.h. die als Gravitation und Elektromagnetismus in Erscheinung tretenden Felder genügen. Die Matriellen Teilchen sind Stellen hoher Felddichte ohne Singularität. Zusammenfassend können wir symbolisch sagen: Der Raum, ans Licht gebracht durch das körperliche Objekt, zur physikalischen Realität erhoben durch Newton, hat in den letzten Jahrzehnten den Äther und die Zeit verschlungen und scheint im Begriffe zu sein, auch das Feld und die Korpuskeln zu verschlingen, so daß er als alleiniger Träger der Realität übrig bleibt.’ Joseph Beuys geht hier noch weiter. Mehr noch, er kommt von einer ganz anderen Seite, aus der Kunst, und öffnet die Wissenschaft für das tägliche Leben jedes einzelnen Menschen. Der Anlass zu diesem Unterfangen ist für Beuys der Raumüberschuss der Plastik von Wilhelm Lehmbruck. ‘Beuys charakterisiert diesen Gehalt als `räumliche Erweiterung nach innen´.’ In diese Richtung, auf Wahrnehmung, dann auf Bewusstsein, dann wieder auf Wahrnehmung, weißt auch Johannes Stüttgen: ‘Das Gebot der Stunde ist die Überwindung des mental-rational auf das Dreidimensional-Räumliche fixierten Zeitbegriffs der neuzeitlichen Bewußtseinsstruktur’. Denn, so Beuys: ‘Wenn du den Geist im Ziel hast, hast Du auch ein anderes Konzept der Zeit ... Du siehst, die Zeit auf der Erde ist eine physikalische Wirklichkeit. Sie findet statt im Raum. So ist es die Raum-Zeit-Relation, über welche Einstein spricht. Dies gibt bereits eine Art Hinweis auf eine andere Dimension, aber ich denke, diese andere Dimension ist etwas, was wir noch zu entdecken haben ... Wenn ich sage, daß wir es noch zu entdecken haben, dann ist es bereits entdeckt. [...] Dies ist die Wärmequalität. [...] Die Qualität von Wärme. Diese Dimension ist tatsächlich eine andere Dimension, welche nichts zu tun hat mit der Raum- und Zeit-Relation. Es ist eine andere Dimension, die kommt, um an einem Ort zu existieren und welche wieder fortgeht. Das ist ein sehr interessanter Aspekt der Physik, da bis jetzt die meisten Physiker nicht vorbereitet sind, mit der Wärmetheorie sich zu befassen. Thermodynamik war immer ein sehr komplizierter Stoff.’ Diese Dimensionserweiterung ist also keine statische, sondern muss originär in jedem Augenblick neu erzeugt werden im relationalen Zusammenhang: ‘Ich habe erlebt, an dieser Stelle, als kleines Kind, daß man mit Material etwas Ungeheures ausdrücken kann, was für die Welt ganz entscheidend ist, so hab ich´s erlebt. Oder sagen wir, daß die ganze Welt abhängt von der Konstellation von ein paar Brocken Material. Von der Konstellation des Wo-eine-Sache-steht, des Ortes, geographisch, und des Wie-die-Sachen-zueinander-stehen, ganz einfach. [...] Ich habe nur gesehen, da war eine Eisenstange, und da waren Eisenelemente, die lagen da rum in verschiedener Form in die Erde versunken und guckten raus, und ich habe mich regelmäßig, wenn ich aus der Schule kam - weil da eine Umsteigestelle für die Straßenbahn war - da hingesetzt und habe mich da, im heutigen Sprachgebrauch könnte man sagen, ganz absinken lassen, in dieses, ja, in dieses Gesehenwerden von den anderen Dingen. Ich habe wahrscheinlich oft stundenlang darauf gesessen und habe mich in die Sache versenkt, ganz einfach, bin eingegangen in diese Sache. Also das Erlebnis, daß ... man mit Formen etwas machen kann.’ Was hier beschrieben ist, ist ein authentisch aktiv-meditativer Vorgang. Für Johannes Stüttgen ist ‘es [...] die Aktionszeit, in der Beuys die Dreidimensionalität durchbricht.’ Joseph Beuys spannt das Panorama seiner Themen mit den Worten: ‘Die Aktion ist ja an und für sich ein anderes Wort für den Bewegungscharakter. Der Bewegungscharakter ist in meinem Verständnis kein physikalischer, sondern der Bewegungscharakter ist etwas, was auch wieder versucht, den Menschen zu deklarieren als ein geistiges Wesen, was seine Grenzen nicht innerhalb des positivistischen Weltbildes hat, sondern zurückgreift vor die Geburt, was übergreift nach dem Tode, was die Frage stellt: wo sind die Kräfte der Bewegung überhaupt? Welche initiale Kraft, welche geistige Größe setzt z.B. das Planetensystem in Bewegung? Soweit begründe ich den Aktionscharakter meiner Arbeit: den Ansatz der Bewegung in der Zeit zu finden.’ Das räumliche Element Bewegung wird also in der Zeit gesucht, was Stüttgen veranlasst zu sagen: ‘Zeit wird erkannt als plastische Qualität - und entsprechend: Plastik als Zeitqualität, als `Überzeit´ und `Gegenraum´. Der Schlüsselbegriff dieser Dimensionserhöhung hinsichtlich Plastik und hinsichtlich Zeit (so wie der Verbindung beider in einer neuen Substanzform) ist die Wärme. Immer wieder ist hier von `Wärme-Zeit´ und von `Wärmeplastik´ die Rede. `Wärme´, `Plastik´ und `Zeit´- alle drei sind Schwellencharaktere als solche sind sie es auch, die das, was zu Beginn des 20. Jahrhunderts namentlich durch die Physik (Einstein, Planck u.a.) allseits bekannt wurde, überhaupt erst einlösen. [...] Diese Transformation des `Raum-Zeit-Kontinuums´ der modernen Physik in die Plastik im Zuge der Transformation der Plastik selbst aus ihrem neuzeitlich reduzierten Begriff findet schon 1964 in einigen ganz wichtigen Statements von Joseph Beuys ihren Niederschlag, im Übrigen nicht zufällig parallel mit dem Einsatz seiner ersten großen Aktionen [...]. Die entscheidende Rolle spielt dabei [...] das Wärmeprinzip:’ ‘und da liegt wieder etwas vor, was hier auszudrücken ist in Bezug auf Wärme und Kälte - das sind zwei Dinge, die mich unheimlich interessieren, die bisher nicht in die Plastik hineingenommen wurden, die aber meines Erachtens etwas viel Wesentlicheres aussagen über das Wesen der Plastik als zum Beispiel Raum und Zeit - oder sagen wir so, wir wollen es nicht ausschließen, Raum und Zeit sind sehr wichtig, aber Wärme und Kälte sind ebenfalls zwei sehr wesentliche Elemente.’ ‘Ich erkannte, daß Wärme (Kälte) überräumliche plastische Prinzipien waren, die bei Formen: der Ausdehnung und Zusammenziehung, dem Amorphen und Kristallinen, dem Chaos und dem Geformten, entsprachen. Gleichzeitig erhellte sich mir im exaktesten Sinne das Wesen der Zeit, der Bewegung, des Raumes.’ Johannes Stüttgen erläutert: ‘Wärme und Kälte werden als überräumliche plastische Prinzipien heraus- und Raum und Zeit gegenübergestellt. Und schon im selben Interview, einige Sätze davor, klingt im Hinblick auf die (physikalisch begründete) Gleichschaltung von Raum und Zeit eine für feinere Ohren unüberhörbare Differenzierung zwischen Raum und Zeit an: `Raum und der bisher erarbeitete unzureichende und verschwommene Zeitbegriff - unser Leben zwischen Geburt und Tod ruft auf zur Erforschung von Gegenraum-Wärme-Zeit - unsterblicher Wesenskern des Menschen, Leben nach dem Tod. Von der Einsicht in diesen Zusammenhang (Antikunst) hängt es ab, ob wir zuverlässige Kontrollmöglichkeiten und Maßstäbe bekommen über das, was wir in Raum und Zeit machen.’ Stüttgen erläutert im Folgenden die Perspektive, aus der auch eine Systemtheorie in ihrer Figuration in die Theoriegeschichte erst eingeordnet werden kann: ‘Wobei als erstes vielleicht dabei aufgeht, daß ein Bewußtsein von Geburt und Tod so wie von Raum und Zeit ohne Bewußtwerden des (im Leben zwischen Geburt und Tod) Ausgegrenzten gar nicht möglich ist. Daß also mir durch die Einsicht in das Ausgegrenzte auch das Eingegrenzte erst begreifbar wird.’ Weiter Joseph Beuys: ‘Innerhalb der normalen, metrischen Zeit, die durch die Uhrenzeit charakterisiert ist oder durch den meßbaren Raum, spielt sich eine Aktion ab, die sich auf einen anderen Zeitbegriff bezieht und auf einen weitergehenden Raum bezieht. ( ... ) Das ist eine Lebenszeit, biographische Zeit, Schicksalszeit oder auch Zeit, bevor ein Mensch geboren wird oder nachdem er stirbt. Also alles Kategorien von Wirklichkeiten, die in diesem metrischen, physikalischen Zeitbegriff ja nicht drin enthalten sind. Es sind also Lebensbegriffe darin enthalten und keine mechanische Zeit.’ Stüttgen konturiert diese Lebensbegriffe: ‘Was aber die Abgründigkeit betrifft, ist es - das Folgende von mir mit der Einschränkung naturwissenschaftlicher Nichtkompetenz vorgetragen - die Abgründigkeit der Frage von `innen´ und `außen´ oder, wenn man so will, menschlicher Innerlichkeit (gemeint sind nicht nur ‚Gefühl‘ und ‚Empfinden‘ ) und den Materieverhältnissen außen. So werden Raum und Zeit im Zuge der Relativitätstheorie unablöslich miteinander verknüpft, aber völlig vom Menschen abgetrennt. Dieser gerät gleichzeitig, nämlich unter der Maßgabe der Bedingungen der Quantenmechanik, als `Beobachter´ in eine nicht aufhebbare Verquickung mit dem atomaren Feld, das nun nicht mehr als bloßes `außen´ zu fassen ist. Ein `innen´ kommt trotzdem nicht in Betracht, es bleibt trotz Verwischung des `außen´ außen vor, geradeso, als werde es miteliminiert. Die herkömmlichen Begriffe von Raum und Zeit, aber auch von `innen´ und `außen´ geben ihre bis dahin in der Neuzeit hartnäckig behauptete Sicherheit preis. Hier nun bringt Joseph Beuys seinen Begriff der Plastik ins Spiel.’ Genau diese Innen-Außen-Frage diskutierte auch Johann Wolfgang von Goethe. ‘Nicht nur sei es falsch, Natur und Kunst zu trennen, sondern der Mensch selbst darf und kann sich bei der Naturbeobachtung nicht von der Natur lösen. Die `Objektivierung´ der Natur durch die Empiristen, welche dem Menschen die Natur als Ding an sich gegenüberstelle, führt nach Goethes Überzeugung zu dem Irrtum, die Natur müsse dem Menschen prinzipiell verschlossen bleiben. Das brachte Goethe in einem Gedicht zum Ausdruck, das er den Physikern explizit ins Stammbuch schrieb. Konkret richtete es sich gegen den damals bekannten Schweizer Naturforscher Albrecht von Haller, der in seinem Gedicht `Die Falschheit menschlicher Tugend´ behauptete, es sei unmöglich, ins Innere der Natur zu dringen.’ Allerdings - Dem Physiker `Ins Innere der Natur -´ O du Philister! - `Dringt kein erschaffner Geist.´ Mich und Geschwister Mögt ihr an solches Wort Nur nicht erinnern: Wir denken: Ort für Ort Sind wir im Innern. `Glückselig! Wem sie nur Die äußre Schale weist!´ Das hör ich sechzig Jahre wiederholen, Ich fluche drauf, aber verstohlen Sage mir tausend, tausend Male: Alles gibt sie reichlich und gern Natur hat weder Kern noch Schale, Alles ist sie mit einem Male Dich prüfe du nur allermeist, Ob Kern du oder Schale seist. ‘Der Kern der Natur ist im Herzen des Menschen. Das darf, so betont Goethe, die Naturforschung nie aus den Augen verlieren.’ Naturforschung verstanden als Positivismus, so Stüttgen, ist nicht das Ende der Geschichte: ‘Die in der Gegenwart zu realisierende, neue Bewußtseinsstufe, die Jean Gebser die `Zeitfreiheit´ nennt, ist nicht etwa [...] die Eliminierung der früheren Stufen, also der `archaischen´ (charakterisiert als `vorräumlich/vorzeithaft´), der `magischen´ (`raumlos/zeitlos´), der `mythischen´ (`raumlos/naturzeithaft´) und der `mentalen´ (`raumhaft/abstrakt zeithaft´). `Zeitfreiheit´ ist vielmehr die Integration aller Stufen. Sie hat Joseph Beuys in den Aktionen in vielfacher Weise demonstriert - oder, um es noch ausdrücklicher zu sagen: diese Integration war sogar die wesentliche Qualität der Aktion.’ Im eigenen Erleben wird Zeit plastisch dadurch, dass sie handhabbar wird, handhabbar wird sie dadurch, dass man sich in das Gefühl versetzen kann, unendlich viel Zeit zu haben. Die Beschleunigung führt dazu, dass Zeit ihren, eben diesen, Raumcharakter verliert und wahrscheinlich lineal wird, magert, fast gänzlich verschwindet, wodurch also der Raumaspekt der Zeit völlig in den Hintergrund tritt und die Zeit nur so davonfliegt, verfliegt. Das zeigt sich auch im Beuys´schen Begriff der sozialen Plastik dadurch, dass, wenn man keine Zeit mehr hat für seine Mitmenschen aufgrund der Beschleunigung: `Keine Zeit, keine Zeit, muss schnell weiter: Termine, tschüss!´, dann kann die soziale Plastik auch nicht zustande kommen. Die soziale Plastik entsteht als Verknüpfung von Biographien. Dafür muss eben auch Zeit dasein, der einzelne Mensch muss über Zeit verfügen können. Verfügen können, also gestalten können, plastisch mit Zeit umgehen können. Dafür ist das Gefühl keine Zeit zu haben zu 100% abträglich, das Gefühl unendlich viel Zeit zu haben, sehr zuträglich.
Auf der Internetseite www.jeromekost.com informiert der Autor, Gärtner, Gartenarchitekt und Meta-Architekt Jérôme Kost über seine Arbeiten und aktuellen Studien.
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