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- Persönlichkeitsbildung durch Musikmedien: Auswirkungen von Tonträgern auf den Konsumenten
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Jedes Jahr veröffentlicht der Bundesverband Musikindustrie e.V. sein offizielles Jahrbuch Musikindustrie in Zahlen. Normalerweise - so lässt sich den Büchern der letzten Dekade entnehmen - folgen die darin beschriebenen Daten dem Trend der Zeit. Der Absatz an klassischen Tonträgern nimmt kontinuierlich ab, während der Online-Sektor mit Download- und Streaming-Angeboten Marktanteile hinzugewinnt. Eine Entwicklung verdient jedoch besondere Beachtung: das Comeback der Vinyl-Schallplatte. Das Jahrbuch erläutert für 2012: ‘Mit einem Absatzplus von 36 Prozent und fast einer Million verkauften Einheiten erreicht das ‘schwarze Gold’ einen Höchstwert seit 15 Jahren’. Die vorliegende Untersuchung versucht sich der Frage nach dem Warum dabei aus einer spezifischen Perspektive zu nähern: Tonträger - wie beispielsweise die Schallplatte - üben Macht aus und tragen als ein die Akustik vermittelndes Medium zum Prozess der Subjektivierung bei. Der Machtbegriff ist hier durchaus im foucaultschen Sinne zu verstehen, d.h. die Macht, die den Tonträgern unterstellt wird, ist nicht zwangsläufig nur kausaldeterministisch zu fassen, sondern sie lässt gezielt Handlungsspielräume für das Subjekt offen. Die das Subjekt umgebenden und durch Tonträger verursachten Machtgefüge zu analysieren, ist eines der zentralen Anliegen dieser Untersuchung.
Textprobe: Kapitel 2.4, Ära der Digitalisierung: Die beiden bisher beleuchteten Tonträgerformen Schallplatte und Compact-Cassette wurden noch analog aufgenommen. Mit der Entwicklung des digitalen Aufnahmeverfahrens in den 1980er Jahren kam als erstes digitales Speichermedium die Compact-Disc auf den Markt. Trotz damals bestehender Kulturkritik an der Digitalisierung setzte sich die Compact-Disc bis in die heutige Zeit reichend als führender, physischer Tonträger durch. 2.4.1, Compact-Disc: Nachdem Philips bereits 1978 das Erscheinen der Compact-Disc (CD) für die frühen Achtziger Jahre angekündigt hatte, wurde sie 1981 in einem Joint Venture von Philips und Sony offiziell vorgestellt. ‘Sony could bring to the table its expertise with digital audio issues, while Philips could share its work on optics’ (Milner, 2008, S. 211). Ein Jahr später kamen die ersten reproduzierten CDs mit einem Durchmesser von 12 cm auf den Markt. Für Kämmer war dies eine weitere Revolution der Tonspeicherung - wie er enthusiastisch bemerkt: ‘Zunächst spielte sich [die Revolution] im technisch-technologischem Bereich ab, dann aber auch, als Folge davon, in bezug auf die Klangästhetik. Soweit es die Technologie betrifft, ist die Revolution im Wortsinn umwälzend, denn nichts mehr ist, wie es war, rund um die runde Scheibe, alles ist verändert. Nichts mehr erinnert an den Plattenspieler alter Art und nichts außer der kreisrunden Form noch an die runde Platte, die einst aus Emile Berliners Idee der Streckung des Edison-Zylinders entstand’ (1988, S. 15). Das neue digitale Aufnahmeverfahren basiert auf dem Prinzip der Pulse Code Modulation (PCM). ‘Dabei werden akustische Wellenformen bzw. deren elektrische Signale über einen digitalen, binären Zahlencode abgetastet und gespeichert. (...) Die auf diese Art und Weise digitalisierten Daten können jetzt über mehrere Bearbeitungsstufen quasi verlustfrei als reine Zahleninformationen weitergegeben werden’ (Büchele, 1999, S.26). Des Weiteren entfällt der Materialverschleiß beim Hören: ‘Da es bei diesem System keine physische Berührung mit dem Tonträger mehr gibt, entfällt auch das Problem der mechanischen Abnutzung, ein großer Nachteil der altgedienten PVC-Schallplatte’ (ebd., S. 27). Die Speicherkapazität einer normalen Audio-CD beträgt seither 74 Minuten bei einer Abtastfrequenz von 44,1 kHz in 16 Bit-Einheiten. ‘Der ursprüngliche Richtwert von 44,1 kHz wurde festgelegt, da mit dieser Samplingfrequenz die vom menschlichen Gehör wahrnehmbaren Frequenzen von bis zu 20 kHz abgedeckt werden können’ (Göttlich & Pflüger, 2008, S. 27). In der Folge wurde von der Firma Teldec das bereits bei der Schallplattenproduktion eingesetzte DMM-Verfahren für die CD-Herstellung entwickelt. Die CD wurde endgültig zum Verkaufsschlager: ‘Den Siegeszug, den diese kleine Kunststoff-Scheibe [seit ihrer Markteinführung] bewältigt hat, hat keiner geahnt, geschweige denn irgendwo als Prognose festgeschrieben’ (Kämmer, 1988, S. 7). 2.4.2, Exkurs Digitalisierung: Mit Einführung der Compact-Disc wurden erstmals Musikstücke in digitaler Form verbreitet. Obwohl die Digitalisierung die bereits genannten Vorteile bot (verlustfreie Vervielfältigung bei der Herstellung kein Materialverschleiß beim Abspielen) war sie unter Puristen einer Kritik ausgesetzt, weil die analogen Schallschwingungen nicht verlustfrei ins Digitale umgewandelt werden können: ‘Je nach ‘Auflösung’ der Digitalisierung ergibt sich dadurch eine gröbere oder feinere Repräsentation dieser Schwingung. Da eine Digitalisierung nie die Genauigkeit einer unendlichen Menge an Werten besitzen kann, spricht man hier auch von einer verlustbehafteten Konvertierung.’ (Friedrichsen et al., 2010, S. 18). Obwohl die digitale Abbildung somit niemals der Qualität von analog aufgezeichneten Klängen entsprechen kann, ist die digitale Musik für den Musikhörer fast unmöglich von einer analogen Aufnahme zu unterscheiden, wie Göttlich & Pflüger unter Berufung auf durchgeführte Doppelblindstudien bemerken: ‘In diesem Zusammenhang entstand eine langjährige Diskussion über den ‘warmen, vollen’ Analogsound der Tonbänder und Vinyl-Schallplatten mit ihren psychoakustisch wichtigen Obertönen, im Gegensatz zum ‘kalten’ und um einige ‘Klangrundungen’ reduzierten CD-Klang (...). In Doppelblindstudien konnte kein wirklicher Qualitätsunterschied festgestellt werden.’ (2008, S. 27). Die Kritik an der digitalen Technik richtete sich vor allem gegen die Tatsache, dass die neuen Aufnahmen zu klar klingen würden, Musikliebhaber vermissten das Grundrauschen der analogen Tonträger. ‘Die Aufnahmen wirken nun übertrieben oder steril, weil die aufnahmetechnisch einkalkulierte oder unbewusst vorausgesetzte ‚Verschleierung des Klanges, ihre Binde- und Weichmacherwirkung’ wegfiel’ (Schabbing, 2005, S. 33). Mit anderen Worten: Die Macht der Gewohnheit stand im Widerspruch zur digitalen CD-Technik. ‘Den Vorwurf, die Compact Disc klinge hart und kalt, trifft also in Wirklichkeit die Analogtechnik, die durch ihre technischen Unzulänglichkeiten ein Klangbild als ‚real’ zementiert hat, das in Wirklichkeit (und diese bildet die Compact Disc ab) ganz anders beschaffen ist. Statt der ‚weichen’ Analog- Technik bietet die CD-Technik ein unverfälschtes Klangbild.’ (ebd., S. 37). Neben der Diskussion um die Authentizität der Aufnahme führt Bernd Schabbing weitere Punkte für eine ‚Kulturkritik am Digitalen’ auf. So identifiziert er emotionalkontextuale Gründe, die gegen die CD hervorgebracht werden. Es fehle bei der CD das sinnliche Erlebnis, wie etwa das Herausnehmen der Schallplatte aus der Plattenhülle oder das Heben und Senken des Tonarms am Plattenspieler (ebd., S. 46f). Außerdem formuliert Schabbing die allgemeine Befürchtung, die Einführung der CD diene - im Sinne von Adornos Kulturkritik - nur der Industrie und verschlechtere das Repertoire (ebd., S. 45f). In seinem Fazit kommt Schabbing zu dem Schluss, dass die Etablierung der CD trotz Kulturkritik an der Digitalisierung einen starken Produktnutzen mit sich gebracht hat. So bleibt festzuhalten, ‘dass Marktwirtschaft und Wirtschaftsinteressen nicht zwingend zu einem Verlust an Kultur führen müssen, sondern dass Kunden- und Wirtschaftsinteressen auch synergetisch zusammenwirken können und beide Seiten einen Gewinn haben. Zugleich ist [die CD] ein Beispiel, wie störungsarm Kritik jedweder Art ist, wenn das Produkt selber klare, für einen Massenmarkt deutlich zu erkennende Vorteile bietet (...)’ (ebd., S. 49). Zwar wurde die Diskussion über die Digitalisierung vornehmlich in Fachkreisen geführt, doch ist sie ein weiteres Indiz für die Auswirkung einer Medientechnologie auf das Denken und damit gleichzeitig das Handeln der Menschen. Auch Markus Stauff bemerkt in seinem Aufsatz Technik plus X: Digitalisierung und die mediale Prägung von Gesellschaft dahingehend: ‘Der Anteil der Medientechnik an der Konstitution und Reproduktion von Gesellschaft wird gegenwärtig insbesondere unter Bezug auf den Prozess der Digitalisierung diskutiert’ (2007a, S. 39). Die CD war so gesehen also nur der Beginn des digitalen Einflusses auf den Menschen, wie das nachfolgende Kapitel über das Computer-Zeitalter veranschaulicht. 2.5, Ära des Computers: Das Zeitalter des Computers machte auch vor der Tonspeicherung nicht halt. Schon mit der einsetzenden Digitalisierung bei der CD-Einführung wurden die ersten Grundlagen für den heute marktbeherrschenden MP3-Standard gelegt. Das Zusammenwirken dieses neuen Musikformats mit dem Internet revolutionierte die gesamte Musikindustrie bis in die heutige Zeit grundlegend. 2.5.1, MP3-Format: Mit der Entwicklung des MP3-Formats verlässt die Tonspeicherung das erste Mal den physischen Tonträger und existiert allein in einer Computer-Datei. ‘Musik ist somit heute an einem technischen Wende- oder gar Endpunkt angelangt, an dem sie auch losgelöst von einem Speichermedium, wie man es bis jetzt gekannt hat, existieren und distribuiert werden kann’ (Schramm & Hägler, 2007, S. 136). MP3 ist eine Abkürzung für ISO-MPEG Audio-Layer-3 und bezeichnet einen Codec, der Dateien komprimiert und dekomprimiert (compression/decompression). Der Ausgangspunkt für diese Technologie ist in Deutschland zu finden, denn die Idee der Audiokompression entstand in den 1980er Jahren an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ab 1987 entwickelte ein Forscherteam in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen ISS den MP3-Standard, die Abkürzung MP3 wurde 1995 offiziell eingeführt. Codecs wie MP3 können prinzipiell anhand zwei Kategorien bewertet werden, denn für die computergestützte Tonspeicherung sind die Kategorien Qualität und Verarbeitungsaufwand von Wichtigkeit. Es existieren Komprimierungsverfahren, die verlustfrei arbeiten, d.h. die Dateien komprimieren und anhand der komprimierten Datei das Original wieder herstellen können, wobei die Dateigröße aber nicht merklich verkleinert werden kann. Beim MP3-Codec handelt es sich im Gegensatz dazu um eine verlustbehaftete Komprimierung, d.h. es gehen im Vergleich zum Original Informationen verloren, die anschließend nicht wieder hergestellt werden können. ‘Die MP3-Komprimierung macht sich zugute, dass das menschliche Hörvermögen begrenzt ist. Man kann - ohne weitere Einbußen in Hinblick auf den Hörgenuss - aus einem Musikstück Informationen, beispielsweise bestimmte Frequenzen, herausfiltern, die in der Regel sowieso nicht gehört werden. Auf diese Weise kann der Informationsumfang [und damit die Dateigröße] erheblich verringert werden.’ (Haug & Weber, 2002, S. 12). Ein Qualitätsunterschied ist für das menschliche Gehör bei der MP3-Komprimierung im Normalfall also nicht wahrnehmbar und auch der geringe Verarbeitungsaufwand, der für die Komprimierung notwendig ist, hat zum Erfolg der MP3-Technologie beigetragen. Im Unterschied zu symmetrischen Verfahren, bei denen die Komprimierung und die Dekomprimierung den gleichen Aufwand benötigen, gehört der MP3-Codec der Gattung der asymmetrischen Verfahren an. Denn während zur Herstellung einer MP3-Datei eine bestimmte Rechenleistung und damit auch Zeit benötigt wird, spielt dies bei der Dekomprimierung, d.h. beim Abspielen einer solchen Datei, nur eine unmerkliche Rolle. Die Kompimierungsrate des MP3-Verfahrens beträgt 10:1, d.h. im Vergleich zum Original benötigt eine MP3-Datei nur rund 10 Prozent des Speicherplatzes. Durch die Entwicklung von MP3 erhielt auch die Musik-Piraterie neuen Zulauf, denn kurz nach Einführung des MP3-Formats kamen zunehmend leistungsstarke Computer mit CD-Brennern (und wenig später mit Internetverbindungen) auf den Markt, die die rasante Verbreitung von Musik, häufig unter Missachtung der Urheberrechte, förderten. So identifiziert Cordes fortan eine neue konkurrierende Dreierkonstellation zwischen dem physischen Tonträger (CD), dem legal erworbenen non-physischen Tonträger (z.b. MP3-Kopie oder Download) und dem illegal beschafften, non-physischen Tonträger (z.B. MP3-Raubkopie) (2008, S. 77). Das Aufkommen von immer leistungsfähigeren Internetverbindungen und entsprechenden Online-Angeboten verschärfte diesen Verdrängungswettbewerb in der Folge zuungunsten der physischen Tonträger.
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