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- Im Wachkoma als Kunde: Die Bedeutung der Begriffe Kommunikation und Kunde bei Menschen im Wachkoma
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Buch zeigt viele Facetten auf, was Kommunikation bei Menschen im Wachkoma bedeuten kann: in der heilpädagogischen Praxis einer Begegnung mit Musik, aus der Erfahrung Angehöriger, in Bezug zu Kommunikationstheorien, sowie vor dem Hintergrund der Wortherkunft und in der religionsphilosophischen Reflexion. Die Verbindung einer existenziellen Begegnungsphilosophie besonders die von Emmanuel Levinas mit Fach- und Alltagspraxis, sowie der Frage nach der Herkunft der Begriffe, lässt übrigens die Begrifflichkeiten Kunde und Kommunikation in einem ganz neuen Licht erscheinen mit ungeahnt hoher Signifikanz für die Begegnung mit Menschen im Wachkoma.
Textprobe: Kapitel, Einleitung: Wir leben in einer Zeit, in der menschliche Beziehungen in einer zunehmenden Monetarisierung des Lebens (SPECK 2003:112) zu Kundenbeziehungen werden. Das heißt, Zeit und Zuwendung werden als soziale Dienstleistung verkauft und gekauft, traditionelle soziale Beziehungen werden zu Vertragsbeziehungen. Hier verbindet sich zunehmend der Begriff Kunde mit der Bedeutung von Konsument und Nutzer einer gekauften Dienstleistung. Dass dieses Verständnis von Kunde durchaus negativ erlebt werden kann, dafür mag folgende Aussage eines Jugendlichen aus der 13. Schell-Studie 2000 stehen: Ich bin nur noch Kunde (Speck 2003 : 110). Was diese Negierung ...nur noch beinhalten kann, wurde mir selbst schlagartig bewusst, als ich im vergangenen Jahr an einem Postschalter wie bisher üblich mein Päckchen einem Postbeamten zur Weiterleitung anvertrauen wollte. Doch dieser war nicht mehr anzutreffen. Vielmehr war vor mir eine große gelbe Wand an dieser zu Lesen war, dass Briefe, Päckchen und Pakete in die verschieden große Öffnungen eingebracht, und außerdem Pakete und Päckchen sogar entgegengenommen werden können. Ich war so überrascht, ja konsterniert, dass ich mich nicht mehr um die Bedienungsanleitungen gekümmert habe, weil mich das Verschwinden des Anderen (SPECK 2003: 130) des Gegenübers einer Kundenbeziehung so betroffen machte, und ich beim Rückweg reflektierte: jetzt bin ich also nur noch Bediener und Nutzer – und somit noch weniger als Kunde geworden. Denn des Sparens wegen ist von einer seitherigen Mensch zu Mensch - Kundenbeziehung eine reine Service-Nutzer-Vertragsleistung geworden. Aus einer Kommunikation von Mensch zu Mensch ist eine Kommunikation von Mensch mit einer Wand mit Service-Technik und Computer geworden. Dabei ist das Kunde-Sein gerade dadurch ausgezeichnet, dass die Beziehung zwischen Dienstanbieter und Kunde durch ein zwischenmenschliches Kommunikationsverhältnis bestimmt wird. Damit wird schon ein Zusammenhang zwischen den Begriffen Kunde und Kommunikation deutlich, der besonders am Beispiel von Kunden aus dem Personenkreis von Menschen im Wachkoma in dieser Arbeit spezifisiert dargestellt werden soll. Die vorliegende Arbeit soll deutlich werden lassen wie eng die Verkettung der Begriffe: Kunde, Koma, Kommunikation zu sehen ist. Die Bedeutung der Begriffe Kunde und Kommunikation haben sich besonders stark in der Ökonomisierung des gesamten Sozialwesens gerade da gewandelt, umso mehr man sich im Bestreben für Qualitätssicherung und -entwicklung im Kreise drehte und dabei zur Sicherung von monetären Quellen nach neuen Kunden Ausschau hielt denn das neu entwickelte Qualitätsbewusstsein trug ja eher zur Kostensteigerung, als zur Kostensenkung im Sozialwesen bei, man denke nur an Personalkosten für Qualitätsbeauftragte oder die zusätzliche Dokumentationssoftware und sehr viel Arbeitszeit für Schulung etc. Deshalb wurde es in letzter Zeit zunehmend wichtig, neue Kundenkreise zu erschließen - nicht nur für Krankenhäuser, die in letzter Zeit Spezialabteilungen z.B. für Wachkoma-Patienten eröffnen. Auch Behindertenhilfe-Einrichtungen nehmen wahr, dass die Aufnahme und Betreuung klassischer Personenkreise z.B. Menschen mit geistiger, körperlicher und psychischer Behinderung in unterschiedlichen Schweregraden für die Absicherung der finanziellen Situation oft nicht mehr ausreicht, selbst wenn das Angebot von unter-schiedlichsten Wohnformen, über ausdifferenzierte Arbeits- und Beschäftigungsstätten bis zu offenen und ambulanten Hilfen reicht. Da die Refinanzierung all dieser Unterbringungsformen durch Kostenträger der Eingliederungshilfe in den letzten Jahren gedeckelt und sogar versuchsweise von einzelnen Kostenträger gekürzt wurde, sind zahlungskräftigere Kunden, sprich solche, die zusätzlich über Pflegeeinstufung der Pflegekassen finanziert werden, willkommen. Inzwischen entwickeln deshalb zahlreiche Behindertenhilfe-Einrichtungen analog dem Krankenhauswesen ebenfalls Spezialeinrichtungen z. B. für Menschen mit Willi-Prader-Syndrom oder Alzheimer Erkrankung etc. Wohlgemerkt handelt es sich bei diesen neuen Personen oder Kundenkreisen nicht um in erster Linie Menschen mit geistiger Behinderung, sondern vielmehr um Menschen mit Erkrankungsformen, die mit intensiver pflegerischer und medizinischer Betreuung in Verbindung zu bringen sind. Da man sich dadurch erhöhte Einnahmequellen monetärer Art verspricht, sind neue Kundenkreise - wie z.B. auch Menschen im Wachkoma - für Behindertenhilfe-Einrichtungen kein Tabu-Thema mehr. Als heilpädagogischer Dienst einer großen Behindertenhilfe-Einrichtung mit überregionaler Trägerschaft hatte ich heilpädagogische Maßnahmen zur Erschließung neuer Kundenkreise auch außerhalb der Einrichtung durchzuführen. Eine Anfrage nach heilpädagogisch- musiktherapeutischer Förderung bei einem Mädchen im Wachkoma in einer Diakoniestation mit externer Trägerschaft interessierte mich inzwischen ganz persönlich, da ich im engeren privaten Umfeld mit dieser Thematik jahrelang konfrontiert war. Dieser persönliche Bezug einerseits und meine berufliche Praxis andererseits veranlassten mich immer mehr zu fragen, was das Kommunizieren innerhalb eines Kundenverhältnisses mit einem Menschen im Wachkoma ausmacht und welche Folgerungen dies für ein neues verallgemeinerungsfähiges Kundenverständnis auch für die Wissenschaft mit sich bringt. In diesem vorliegenden Buch soll ein Kundenverständnis deshalb zunächst ganz besonders bezogen auf Menschen im Wachkoma beleuchtet werden. Was bedeutet das Kunde-Sein angesichts enormer Abhängigkeit von Hilfe, einhergehend mit äußerst eingeschränkter Kommunikationskompetenz? Was bedeutet es für diese Kunden und den Anbietern, wenn dieser Zustand des Kunden über Jahre anhält? Die erkenntnisleitende Frage ist über allem die: Was macht das menschliche Miteinander aus in dem Spannungsfeld der Begriffe: Kunde-Koma-Kommunikation? Daran anschließend möchte ich die Frage: welches neue und vertiefte Kundenverständnis könnte sich daraus entwickeln? Inzwischen gibt es eine Reihe von Literatur die die Pflege, Betreuung, Förderung, sowie juristische und ethische Aspekte im Umgang mit Wachkoma-Patienten beleuchten (SCHWÖRER 1995, MINDELL 2000, PLENTER 2001, ZIEGER 2001, STEINBACH/DONIS 2004, NYDAHL (Hrsg.) 2005 etc.). Im Unterschied zu deren vorwiegend deskriptiven Darstellungen und ethisch-juristischen Untersuchungen geht es mir darum, das zwischenmenschliche Miteinander innerhalb den drei Aspekten : Kunde. Koma. Kommunikation. neu qualitativ zu bestimmen unter Berücksichtigung von existenz- und dialogphilosophischen, wortsemantischen sowie religionsphilosophischen Aspekten. Dabei soll nicht nur eine enge Verkettung der drei nur mit einem Punkt getrennten Begriffe, sondern auch eine Reformation des aktuellen Kundenverständnisses aus der Dynamik der Konfrontation der drei Leitbegriffe heraus unter den Blickwinkeln unterschiedlicher philosophischer Ansätze aufgezeigt werden. Die Basis der reformatorischen Erneuerung eines Kundenverständnisses bildet die Rückführung auf die Wortherkunft. Die Wirkung einer sich daran anschließenden Neuausrichtung des Begriffs Kunde wird in dem Maße bestimmt werden können, wie diese zum Einen Impulse von Außen bekommt - hier besonders durch die genannten philosophischen Aspekte - und zum Anderen durch die Dynamik der Zusammenführung der Begriffe Kunde, Koma, Kommunikation. Nach einer ersten Untersuchung der drei Leitbegriffe nach deren aktuelle Bedeutung und deren aktuelle Aufeinander-Bezogenheit einschließlich unterschiedlichster Ansätze von Kommunikationstheorien und – formen, möchte ich praktische und persönliche Erlebnisse innerhalb dieser Thematik aus der Begegnung mit einem jungen Menschen im Wachkoma anschließen. Die Reflexion dieser Praxis verlangt eine tiefergehende Interpretation unter den Außenimpulsen der Philosophie. Eine weitere Verdichtung durch wortsemantische Rückbesinnung in Verbindung mit religionsphilosophischen Überlegungen soll die Neubestimmung und Neuausrichtung der Bedeutung des Begriffs Kunde bezogen auf die Kommunikation mit Menschen im Wachkoma erkennbar machen. Welche Konsequenzen, ja welche reformatorische Dynamik diese Neuausrichtung des Kundenverständnisses für die heilpädagogische Praxis und die Heilpädagogik allgemein hat, soll abschließend erörtert werden.
Johannes Keller Diplom-Heilpädagoge (FH) Konzeption und Aufbau von Fördergruppen in WfbM diverser Träger, Fachdienst und Leitung von Förderstätten sowie Mitarbeit an der Rahmenkonzeption von Förderstätten großer Träger und des Caritasverbandes in Bayern. Lehrauftrag an der EFH Nürnberg. Themenschwerpunkte: Kommunikation bei Menschen mit schwersten Behinderungen und im Wachkoma, Qualität in der Kommunikation, Phänomenologie der Kommunikation, Snoezelen bei Demenz und basales Theater .
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