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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die dekonstruktive Analyse von Christoph Martin Wielands Geschichte des Agathon (1766/67) bringt die Theorie der Dekonstruktion, namentlich unter anderem Derrida und De Man sowie entfernter auch Descartes, Schiller, Shaftesbury und Kant, in Zusammenhang mit der Traumtheorie der Aufklärung, dem Logozentrismus und der Frage der Identitätsbildung. Ganz im Sinne der Dekonstruktion destruiert die vorliegende Untersuchung den vermeintlichen Sinn von Wielands Roman, um ihn durch die Oppositionsanalyse neu zu konstruieren. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Dichotomie Traum und Realität, von welcher ausgehend sich das gesamte Werk in einen oppositionellen Bezug setzen lässt, nur um diesen am Ende zu brechen. Im Fokus steht der Protagonist Agathon, welcher, Schillers Ausführungen bezüglich Stoff- und Formtrieb folgend, den von ihm angestrebten Zustand des vollkommenen Geistes nicht erreichen kann, da er im Netz der Dichotomien, welche durch den Logozentrismus des Abendlandes geprägt sind, gefangen ist. Die dekonstruktive Untersuchung schließt mit der Beantwortung der Frage nach der Identitätsbildung des Protagonisten: Kann Agathon sein Ziel, ein vollkommener Geist zu werden, erreichen?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2.2 Träume in der Literatur der Aufklärung: In der Literatur der Aufklärung wird noch lange an den antiken Topoi der Traumdichtung festgehalten, weswegen die literarisch fingierten Träume überwiegend übernatürliche und prophetische Träume sind. Die poetologische Funktion liegt hierbei in der kompensatorischen Integration. Diese initiiert auf der semantischen Ebene eine höhere Macht. Somit besitzt das durch den Traum vermittelte Wissen eine transsubjektive Gültigkeit und kann nicht von einem subjektiven Standpunkt aus gedeutet werden. Zudem bleiben auch die Konventionen der Traumparabeln, -allegorien, -utopien und -visionen vorerst weiter bestehen. Hierbei ist der Traum ein literarisches Verfahren, welches den Tabubruch legitimiert. Das Traummotiv hat die Funktion eines Uneigentlichkeitssignals . Die Auswirkungen der aufklärerischen Traumtheorie machen sich in der Literatur erst später bemerkbar. Diese beiden Modi der literarischen Traumdarstellung werden jedoch im 18. Jahrhundert zunehmend problematisch, da sie sich nicht mit dem anthropologischen Literaturideal der Spätaufklärung vereinbaren lassen. Demzufolge soll die Literatur als ein zweites Erfahrungsmedium dienen und die Weltkenntnis des Lesers erweitern. Durch das auf die Figurendarstellung bezogene Authentizitätsideal erfahren Parabeln und Allegorien eine Abwertung. Die Neuerungen verdrängen die Konventionen jedoch nicht sofort. Ein Beispiel hierfür findet sich in Johann Gottlob Krügers Sammlung Träume (1754). In diesem Werk werden alte Konventionen mit neuen Ansätzen kombiniert und so treffen Traumallegorien- und -parabeln auf einen Abriss über die aktuelle Traumtheorie. Wie die Literatur der Aufklärung im Allgemeinen, verwendet auch Krüger im speziellen die Fiktion als Zugang zum Traum. Das Traummotiv findet aufgrund seiner narrativen Qualitäten und aus ästhetischen Gründen Anwendung. Doch viel wichtiger ist das Vermögen des literarisch fingierten Traums, psychische Sachverhalte anzusprechen, welche im zeitgenössischen Wissenschaftsdiskurs noch nicht zur Sprache kommen. Im durch die Fiktion geschützten Raum der Literatur wird demonstriert, dass der träumende Mensch unter dem Einfluss seiner Leidenschaften steht. Da im Traum der Gegenpart der Vernunft Überhand gewinnt, werden Triebe und Affekte ausgelebt, die im Wachzustand unterdrückt werden. Die Literatur beschäftigt sich mit der Traumtätigkeit, während sich Philosophen, wie beispielsweise Descartes, noch mit der Traumgenese und -wirkung befassen. So hat die Literatur einen Zugang zu der Problematik gefunden, die vom Rationalismus ignoriert wird. Es lässt sich konstatieren, dass die Literatur einen wichtigen Schritt in Richtung Empirismus gewagt hat, bevor sich die Philosophie diesem zugewendet hat. Das Magazin der Erfahrungsseelenkunde, eine wichtige Schrift auf diesem Gebiet, erscheint erst Ende des 18. Jahrhunderts. Der Traum hat Einfluss auf das Handeln des Menschen, da er zu seiner psychischen Wirklichkeit gehört. So thematisiert die Literatur das Problem des Umweltkontakts und der Bewusstseinstrübung, den Zusammenhang zwischen Leidenschaft und Traumtätigkeit sowie den zwischen Einbildung und Traumerzählung und das Verhältnis von Literatur und Traum. Auch Agathon wird durch seinen Traum beeinflusst. Durch einen Erzählerkommentar wird explizit auf die Wichtigkeit des Traums hingewiesen: Agathon hatte diesen Morgen […] einen Traum, den wir mit einigem Recht zu den kleinen Ursachen zählen können, durch welche große Begebenheiten hervorgebracht worden sind. Nach dem Erwachen denkt er über den Traum nach und zieht daraus Schlüsse für sein zukünftiges Handeln. Der Traum stellt für Agathon, wie auch allgemein für die Literatur der Aufklärung, keine Opposition zur Umwelt dar. Im Gegensatz zur Philosophie ist hier von einer Austauschbeziehung die Rede. Genau so, wie der Traum durch Sinnesreize der Realität und deren Wahrnehmung geprägt wird, wird auch die Realität und deren Wahrnehmung durch den Traum und dessen psychische Auswirkungen beeinflusst. In diesem Zusammenhang lässt sich die Einheit des seelischen Subjekts erkennen. Individualität ist für die Literatur der Aufklärung eindeutig ein Zusammenspiel von Realität und Traum. Da göttlich initiierte Träume als Traumursachen in der Aufklärung ausgeschlossen werden, verschmälert sich das Spektrum der Traumgenese auf rein natürliche Traumursachen. Innerhalb dieser Sparte kommen nun unter dem Deckmantel der Fiktion auch Träume und Traumursachen zur Sprache, die bisher tabuisiert waren. Die übernatürlichen und prophetischen Träume waren weiterhin, auch wenn sie nicht mit dem Ideal der Aufklärung vereinbar waren, aufgrund ihrer Tradition fester Bestandteil des literarischen Diskurses. So musste ihnen ein neuer Aufgabenbereich zugewiesen werden. Dieser neue Aufgabenbereich fand sich, im Zuge des zunehmenden psychologischen Interesses, in der Figurencharakterisierung. Durch einen Traum kann der Leser mehr über eine Figur erfahren als durch ihre Aktionen im Wachzustand. Dies bezeichnet Manfred Engel als die Erfindung der Verdrängung . Hiermit wird akzeptiert, dass im Traum Begebenheiten reflektiert werden, welche die Psyche im Wachzustand verdrängt. Es findet eine Aufwertung des Traums statt. Er ist ein Objekt zur Erforschung der Einbildungskraft und ein Instrument der Individualpsychologie. Die eben angesprochenen übernatürlichen und prophetischen Träume sind klar von den übernatürlichen Träumen abzugrenzen, welche dem Offenbarungsglauben zufolge göttlichen Ursprungs sind.

Über den Autor

Anne Hennig, geboren 1988 in Aalen, studierte Germanistik und Buchwissenschaft in Erlangen. Nach dem Bachelorabschluss legte sie ihren Schwerpunkt im Master Germanistik auf die Literaturwissenschaft und beschäftigte sich in mehreren Facharbeiten intensiv mit der Dekonstruktion. Während des Studiums arbeitete sie mehrere Jahre als Tutorin am Lehrstuhl für Buchwissenschaft und als studentische Hilfskraft in der germanistischen Bibliothek. Nebenbei sammelte sie durch Praktika nationale und internationale Erfahrungen in den Bereichen Presse und Verlagswesen. Durch die freie Mitarbeit bei einer Social Media Beratung gelang ihr am Ende des Masterstudiums der Einstieg in die Online Marketing Branche.

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