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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Medien zeichnen sich dadurch aus, dass sie real-materielle Vermittlungsinstrumente von Information sind. Mit der Entstehung neuer Medien kam zu dieser Eigenschaft noch eine weitere hinzu: Die Inhalte, die zum Beispiel im Display auftauchen, können verändert und frei generiert werden. Dadurch entsteht ein neues Diskursparadigma, wonach Realität infolge dieser Techniken selbst zur Disposition steht. Das Display als weitgehend unberücksichtigter Untersuchungsgegenstand wird in dieser Arbeit betrachtet, stellt es doch die Schnittstelle dar, an der die digitalen Informationen in visuell und auditiv wahrnehmbarer Form erscheinen. Die zentrale Frage des vorliegenden Buchs ist, ob zwischen netzbasierten Informationsdatenbanken und medialisierten Kommunikationsstrukturen zwischenmenschliche Verbindlichkeit in einer digitalen Welterfahrung substituiert wird. Der interdisziplinäre Ansatz, den der Autor bemüht, ermöglicht eine Beantwortung dieser Frage.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3 Raum und Nicht-Ort: Die große Obsession des 19.Jahrhunderts ist bekanntlich die Geschichte [...] Hingegen wäre die aktuelle Epoche eher die Epoche des Raumes . Die Kategorie Raum hat in den Kultur- und Sozialwissenschaften Hochkonjunktur. Trotz oder gerade wegen des abstrakten Charakters des Terminus Raum wird dieser systematisch, aber zumeist ungenügend definiert verwendet. Raum ist ein Allzweckbegriff, stellt keine sichere Größe dar und wird für sämtliche Inklusions-/Exklusionsprozesse, medialisierte Lebenswelten zum Ordnungsmodul bestimmt. Manfred Faßler fragt, worin die Grenze eines Raumes besteht. Wann wird sie von wem womit gemacht? Bestimmt Grenze Raum oder umgekehrt? Ist Raum Prozess oder erzeugen Mensch-Umwelt-Interaktionen die Raumoption, als kollaterales Ereignis, als zentrales Ergebnis? Historisch betrachtet strukturierten Gebäude, Siedlungsräume, Felder, Lichtungen, Straßen und Wege Räumlichkeit bzw. dessen Bodenhaftung. Raum ist als euklidischer Raum zu verstehen, gebunden an Metrik und Kartographie, vor allem aber als konstante, unveränderbare Kategorie, in der sich zahlreiche machtvolle Raumoptionen zu entwickeln begannen. Stadträume, Marktplätze, Handelsstraßen und Fabriken bleiben der Meßgrundlage einer stabilen Geographie, einer klar definierten Räumlichkeit untergeordnet. Alles fand auf demselben Territorium statt. Auch Kanäle, Eisenbahnen, Chausseenbau, Straßenbahnen, Elektrizitätsüberlandleitungen überschritten dieses Muster der territorialen Verdrängungsprozesse nicht. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich diese Raumwahrnehmung durch neue technische Entwicklungen in gravierender Weise. Neben der durch neuere mediale Entwicklungen (Radio, Telefon, Film, Foto- und Telegrafie) konstituierten bzw. imaginierten medial vermittelten Räumlichkeit, waren es die bereits erwähnten TGV, Airbus und Automobil, die als neue Transport- und Fortbewegungsmittel die Erfahrungen räumlicher Ausdehnung und Geschwindigkeit bedeutend veränderten. Allgemein formuliert, ließe sich also eine wahre Multiplikation von Räumlichkeit im Zuge der Moderne konstatieren. Was besonders auffällt, ist die Doppeldeutigkeit mit der Raum versehen wird. Euklidischer Raum und Raum als Maß natürlicher und kultureller Beziehungen (medial vermittelte Räume) scheinen ineinander zu zerfließen. Für Faßler ist die informationstechnologische Entgegenständlichung und Entterritorialisierung und die damit zunehmende Komplexität menschlicher Kommunikation dafür verantwortlich, dass wir zunehmend Raumkonstrukte imaginieren. Erst mit den überregionalen Telefonnetzen, den Transkontinental- und Transatlantikkabeln entstand eine neue Raumimagination: der teilnehmende Nutzer eines fernen (fremden) Raumes, in dem ein bekannter oder unbekannter Kommunikationspartner sitzt, steht, liegt. Virilio spricht in diesem Zusammenhang, der weltweiten Vernetzung von Teletechnologien, vom Verschwinden des Raumes, der sich zunächst zusammenzieht, dann gänzlich auflöst. Um sich diesen (verschwindenden bzw. imaginierten) Raum-Ideen anzunähern, ist es notwendig, zwei Raumvorstellungen zu unterscheiden. Zunächst Raum als geometrischer Formstandard, d.h. als Behältnis (Container) , zweitens Raum als prozessuales, flottierendes, nur temporär stabiles (soziales, kommunikatives, konsumorientiertes etc.) Geschehen. Nun erleben wir, dass territoriale und soziale Räume der (medientechnologische) sendenden und empfangenden, der absichtlich mitteilenden und zielgerichtet auswählenden Menschen nicht mehr übereinstimmen. Somit ist für Faßler das von Martina Löw herausgearbeitete Prinzip des Raum-Containers vor dem Hintergrund der aktuellen technologischenEntwicklungen nicht mehr haltbar, da Elektronische Telepräsenz [ ] den Machtgestus der Repräsentation unterlaufen [hat], Informationstechnologische Echtzeit hat die Zeitsouveränität von Machtzentren weggespült, Territorien sind für die Reformulierung von kommunikationsintensiven Räumen unbedeutend, dingliche Figuren sind von Animation, digitalen Entwurfspraxen, verflüssigt. Telepräsent zu sein bedeutet nicht, ganz banal eine Distanz zu überbrücken, sondern sein Erleben und Wahrnehmen an einen neuen Raum zu binden, den Nichtort der teletopischen Technologien . Materieller Gegenständlichkeit und dem territorialem Ort werden massive Referenzverluste unterstellt. Entfernung scheint es nicht mehr zu geben. Der neue virtuelle, jedoch fast nie definierte Raum ‚Cyberspace‘ scheint viele Sozial- und Kulturwissenschaftler dazu zu animieren, gesellschaftliche Umwälzungen auf eine analytische Leerstelle zu projizieren. Soziale und physikalische Grenzen sind somit in Frage gestellt. Die Irreversibilität von Handlungen ist aufgehoben. Orte und Distanzen sind ortlos und wie alles andere zu Informationen, zu selektiven Ereignissen geworden. Technische Operationen konditionieren soziale Erwartungsstrukturen und diese konditionieren ihrerseits technische Operationsbedingungen. Jegliches soziales Erleben und Handeln unterliegt im kybernetischen Sinnkontinuum des ‚Cyberspace‘ einer umfassenden ‚Vermöglichung‘ (Virtualisierung). Trotz dieser ‚Vermöglichung‘ handelt es sich um kein chaotisches Ganzes, denn als komplexitätsreduzierend sollen Raumkonstrukte dienen, die von den Nutzern auch als solche erfahren werden. Dass Telekommunikationsmedien wie das Internet als räumliche Struktur verstanden werden, liege an der relationalen und interaktiven Verknüpfung von Personen und Daten, so Martina Löw et. al. Dass infolgedessen jedoch physikalische Grenzen in Frage gestellt sind, wie es Udo Thiedeke behauptet, kann weder von diesem begründet noch hier nachvollzogen werden. Die für ein ursprüngliches Verständnis von Realität notwendige körperliche Anwesenheit, die multisinnliche Erfahrung eines materiellen Gegenstands sowie die Kopräsenz der Gesprächspartner werden zunehmend in virtueller Welterfahrung, virtueller Räumlichkeit substituiert. Erkenntnis ist nicht mehr Erfahrung: Sie ist kaum noch unmittelbar sinnlich verankert, immer seltener wirken Haut und Nerven, Code und Bedeutung zusammen, um ein einheitliches Bild der Welt zu vermitteln. Der Mensch muss nicht mehr Reisen um der Welt zu begegnen. Unser Wissen über die Welt ist zunehmend medial vermittelt, erfahrbar in Simulationen der Außenwelt: hybrid und kopierbar. Die virtuelle Reise führt zu jeder Information, zu jedem Ort und zu jedem Kommunikationspartner und dies in Echtzeit. So werden zumeist die Orientierungs- und Handlungsoptionen im Raum der neuen Informations- und Kommunikationsmedien gesehen. Eine ständige Wahlmöglichkeit und permanente Erreichbarkeit seien charakteristisch für dieses Raumkonstrukt, so Martina Zschocke. Doch wie lassen sich diese Aussagen bewerten, bedenkt man, dass als technologische Infrastruktur komplexe digitale Datennetze fungieren? Die technologischen Hintergründe werden jedoch zumeist ausgeblendet, um dem Schein des allumwälzenden Neuen nicht zu schaden. Doch um genau diesen digitalen Medienumbruch adäquat beschreiben zu können, ist technologisches Vorwissen unabdingbar, sonst verwässert die wissenschaftliche Diskussion in essayistischem ‚technospiritistischen Obskurantismus’. Die Idee der instanten, ubiquitären, permanenten und totalen Kommunikation – in ‚Echtzeit‘, immer, überall und mit allen -, von der so viele naturwissenschaftlich ahnungslose Sozialwissenschaftler so unerhört fasziniert sind, ist ein magisches Phantasma. Die Vorstellung, den Raum vollständig zu erfüllen bzw. verzögerungslos zu überbrücken – was Allgegenwart bzw. unendliche Geschwindigkeit impliziert – hat in der Physik keinen Platz […].

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