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- Die Verführbarkeit des Menschen. Aufklärung und Aufklärungskritik in Patrick Süskinds „Das Parfum“
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2018
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Frühjahr des Jahres 1985 erschien auf dem deutschen Buchmarkt ein Titel, der schnell zu einem Bestseller werden sollte – und dies nicht nur in Deutschland. Kaum ein Werk der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur war so erfolgreich wie Patrick Süskinds Das Parfum und kaum ein anderes Werk sollte in so viele Sprachen übersetzt werden. Es stand 316 Wochen in den Bestsellerlisten und wurde von Kritikern fast einstimmig gefeiert. Wohl auch, weil es dem Autor mit seinem Werk gelungen ist, sowohl ein gebildetes Lesepublikum als auch den Laienleser anzusprechen. In der vorliegenden Arbeit soll es um den historischen Epochenbezug des Werkes und insbesondere um die Bezüge des Textes zur Epoche der Aufklärung gehen. Es soll dargestellt werden, wie der Autor den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Handlung und vor allem die in dieser Zeit aufkommenden philosophischen Entwicklungen in den Text einbezieht, mit diesen spielt und Kritik an den neuen Ideen äußert.
Textprobe: Kapitel 3.1.2 Erste Kritik am Aufklärungszeitalter Mit der Geburt Grenouilles und mit der Tat seiner Mutter zeigen sich bereits erste Kritikpunkte an dem Zeitalter des Lichtes, das mit der Aufklärung angebrochen schien. So sollte das Licht als Metapher für Vernunft, Freiheit und Glückseligkeit stehen, zu dem das neue Denken führen sollte. Das 18. Jahrhundert träumte tatsächlich den Traum von einer besseren Welt. Aber es träumte ihn nicht nur, sondern es wollte ihn realisieren. Diese Realisierung sollte im Zuge einer Aufklärung erfolgen, die nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch verstanden werden wollte. Doch das Lichtsymbol – und damit die Aufklärung selbst - stehen ganz im Gegensatz zu der düsteren Beschreibung, die der Autor von der Geburt Grenouilles und von der Umgebung, in die er hineingeboren wird, zeichnet. Nichts ist zu spüren, von der Nutzung des eigenen Verstandes, vielmehr zeigt sich in der gesellschaftlichen Unterschicht das Bild eines Überlebenskampfes, in dem die Menschen nur von ihren niedersten Sinnen bestimmt werden. Durch diesen alltäglichen Kampf sind Gefühle und Emotionen völlig verdrängt und so ist auch Grenouilles Mutter nicht nur gegenüber den Gerüchen der Umgebung abgestumpft, sondern sie ist gleichzeitig auch nicht fähig ein Gefühl der Liebe zu ihrem Neugeborenen zu entwickeln. Sie befindet sich am unteren gesellschaftlichen Rand in einem ständigen Kampf ums Überleben und das Kind Grenouille könnte so für sie zu einem Problem werden. So kann auch das hohe Strafmaß, das auf Kindstötung stand, Grenouilles Mutter nicht von ihrer Tat abbringen, obwohl die Kindstötung noch immer mit dem Tode bestraft wurde. Süskind zeigt in seiner Beschreibung des dritten Standes, dass die Aufklärung nicht in der Lage scheint auch die unteren gesellschaftlichen Schichten zu erreichen, sondern dass es sich, wie bereits dargestellt, bei ihr um eine Bewegung von wenigen für wenige handelte. Die Unterschicht war an der Entwicklung der neuen Ideen kaum beteiligt. Sie lebte weiter in der düsteren Welt des Gestankes und der Armut, in der von den neuen Leitvorstellungen nur wenig zu spüren war. Somit lässt sich ein erster Kritikpunkt darin sehen, dass die Aufklärung als solche zwar praktisch verstanden werden wollte, in der alltäglichen Lebenwelt der unteren gesellschaftlichen Schichten aber keine Veränderungen mit sich brachte. Ganz im Gegenteil zu den hehren Zielen, die sie auch für die gesellschaftliche Entwicklung mit sich bringen wollte, steht das vollkommen amoralische Verhalten der Mutter in Bezug auf das neugeborene Kind und auch Grenouilles weiterer Lebensweg ist geprägt von einer großen Kälte, die die Gesellschaft dem einzelnen Individuum entgegenbringt. So wandert er von einer Amme zur nächsten und immer wieder wird beschrieben, dass einzig sein Überlebenswille ihn am Leben erhält. Bis er schließlich zu Pater Terrier kommt. Mit dieser Figur verlässt man nun scheinbar die menschliche Kälte und die Grenzen des dritten Standes, denn Terrier repräsentiert als Geistlicher die Institution der Kirche und zeigt mit seinen Reden einige Aspekte von deren Entwicklung und von deren neuen Ansichten auf. 3.2 Pater Terrier und die kirchlichen Lehren der Aufklärungszeit 3.2.1 Die Institution der Kirche im Zeitalter der Aufklärung Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Aufklärung verlor die Institution der Kirche zunehmend an Einfluss. Denn Aufklärung bedeutete Kritik zu üben an allen Autoritäten, denen man sich unterworfen sah, egal ob diese politischer oder religiöser Natur waren. Gott wurde nicht mehr als der Gott der Offenbarung und der Erlösung erfahren, sondern als Schöpfergott. Dieser wird ausschließlich in dem von ihm Geschaffenen, der Natur, erfahren. Damit wurde der Gottesbegriff immer mehr durch den Naturbegriff abgelöst. Der Gott an den man nun glaubte, blieb weiterhin der Schöpfer der Welt, der sich aber nach dem neuen Glauben nicht mehr in den Weltenlauf einmischt. So vertrat unter anderem der Philosoph Spinoza die Idee einer Identität von Gott und Natur. Da der Verstand nun zur wichtigsten Leitinstanz wurde, wurde der Glaube immer mehr zurückgedrängt. Die Forderung nach Autonomie des Individuums findet vielfältigen Ausdruck. Alles, was Geltung beansprucht, muss sich vor dem Gerichtshof der Vernunft als begründet ausweisen. Diese kritische Einstellung setzt sich auf allen Gebieten durch, Politik und Religion nicht ausgenommen. Alles, was diesen kritischen Text nicht besteht, ist als Vorurteil oder Aberglaube entlarvt und damit desavouiert. Insofern sind zwei Hauptziele der Aufklärung die Bekämpfung von Vorurteil und Aberglauben. Aufklärung bedeutete somit die Hinterfragung aller bisherigen Autoritäten. Und damit auch die Hinterfragung der bestehenden kirchlichen Lehren. Durch die Kritik an der kirchlichen Institution und durch den Kampf gegen den Aberglauben grenzt sie sich zugleich von dem vom Aberglauben bestimmten und oft als dunkel beschriebenen Mittelalter ab, indem die kirchliche Institution noch den Grundpfeiler des gesellschaftlichen Lebens bildeten, und in dem das irdische Leben hinter dem ewigen Leben zurücktrat. Dennoch wurde die Kirche durch die Aufklärung nicht vollständig verdrängt, sie blieb weiterhin bestehen, verlor aber an ihrem vorherrschenden Einfluss. Christentum und Kirche blieben als grundlegende Elemente der abendländischen Kultur anerkannt ihr Anspruch auf übergeschichtliche Wahrheit und deren verbindliche Verkündigung sollte jedoch von historisch philologischer Kritik nicht ausgenommen werden. Denn auch die Wahrheit der christlichen Offenbarung könne grundsätzlich der menschlichen Vernunft nicht unzugänglich sein. Man bestritt die Existenz eines Gottes nicht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden nun aber nicht mehr von diesem abhängig gemacht. Die Kirche erhielt für die Gesellschaft nun eine neue, eine vermehrt moralische Bedeutung. Gott wurde zum Moralität begründenden höchsten Wesen, die Religion zur Moralphilosophie von unverzichtbarem gesellschaftlichem Nutzen, die Kirche zu einem privilegierten gesellschaftlichen Verband. Diesem gehört auch die Figur Pater Terriers an, die von Beginn an als eine Figur des Aufklärungszeitalters charakterisiert wird.
Claudia Ofenloch studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Mannheim und arbeitet zurzeit als Studienrätin an der Lichtenbergschule in Darmstadt.
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