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Philosophie


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kann man von einer politischen Philosophie Arthur Schopenhauers sprechen? Seit Schopenhauers Tod streiten sich Wissenschaftler und Kenner des Philosophen darüber. Während die einen glauben, eine klare Staats- und Politiklehre in seinem Werk ausmachen zu können, sehen andere nur marginale Gedanken hierzu formuliert und lehnen es ab, von einer eigenen politischen Philosophie zu sprechen. Diese Studie versucht, Klarheit in dieser Frage zu schaffen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1, Liberalismus und Konservatismus als fruchtbarer Nährboden: Zunächst sind es Liberalismus und Konservatismus – zwei eigentlich konträre Programme –, die Schopenhauers Interesse weckten und dabei teils auf Zustimmung bzw. Berücksichtigung stießen. Der Liberalismus kann einer langen Tradition hinterher blicken: Denker wie Adam Smith, Immanuel Kant, Jeremy Bentham oder Benjamin Constant gelten als erste Vertreter dieser Bewegung. Der Begriff tauchte jedoch erst 1812 unter den Anhängern der spanischen Verfassungsbewegung, die sich Liberales nannten, auf. Die Werte und Normen des Liberalismus feierten ihren politischen Durchbruch mit der Französischen Revolution 1789 und fanden ihre Blüte mit den darauffolgenden Revolutionen in Europa 1830 und 1848. Man war für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, für religiöse Toleranz, Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit sowie für das Recht auf politische Partizipation und Gewaltenteilung. Rechtsstaat, Menschenrechte und Schutz der Individualsphäre und des Privateigentums waren weitere Begriffe. Schopenhauer zeigte sich diesen Gedanken zunächst offen, vor allem im Sinne des klassischen Liberalismus für das Staats- und Rechtsverständnis. So finden sich Äußerungen zum Schutz des Individuums, zur Gewaltenteilung, teils zur Fortschrittsbejahung und weiterhin zur Pressefreiheit. Auch das Konzept eines Minimalstaats à la Robert Nozick lässt sich von Schopenhauers liberaler Staatsauffassung ableiten. Raico meint in seiner Studie Die Partei der Freiheit über den deutschen Liberalismus etwa auch: ‘Von den großen Systembildnern in der deutschen Philosophie nach Kant kann der Liberalismus im folgenden Jahrhundert – wenn man den jungen Fichte außer Acht lässt – nur Arthur Schopenhauer für sich in Anspruch nehmen. Schopenhauer war unbeugsam in seinen liberalen Anschauungen, die jenen von Humboldts Ideen nahekamen.’ Das Liberale beschäftigt den Frankfurter Philosophen und findet Einzug in seine Philosophie, u. a. auch dadurch, dass er von einem ‘intransigenten Nominalismus’ ausgeht, wenn er nur die Individuen und deren Lebensläufe für wirklich erklärt, aber nicht Völker oder Nationen, die für ihn ‘bloße Abstraktionen’ sind. Mag Schopenhauer anfangs von seinen liberal-politischen Gedanken überzeugt gewesen sein, stellt sich im Laufe der Lektüre seines Werks jedoch die Annahme ein, dass er hier eher einem ersten Impulsgedanken folgte, denn mit voranschreitender Zeit gewann seine konservative Seite immer mehr an Bedeutung. Diese schopenhauersche Schizophrenie zwischen beiden Konzepten hat Ottmann gut festgehalten: ‘Seine Politik war gespalten, liberal aus Vernunft die eine, konservativ aus Instinkt die andere.’ Inwiefern sich diese gedankliche Spaltung nachvollziehen lässt, wird weiter unten im Hauptteil bei der Darstellung des politischen Denkens Schopenhauers näher erläutert. In der Tat spiegelte sich Schopenhauer auch in der konservativen Bewegung. Sein Bezug zum Konservatismus ist wohl zum Teil auf seine persönliche Lebenseinstellung und seinen Charakter zurückzuführen. So weist beispielsweise Würkner auf die Verbindung von Schopenhauers Denken, auch im politischen Bereich, mit seiner Persönlichkeit und seinen Erfahrungen hin. Schopenhauer kann als ‘Misanthrop aus Erfahrung’, als ‘Spötter’ und ‘eigensinnig-einsamer, spröder’ Charakter beschrieben werden – die verachtende, abwehrende und abweisende Haltung gegenüber den Menschen zeige sich auch in seinem Verständnis für konservativ-starre und –radikale Gedanken. Der Konservatismus war eine Reaktion auf den Liberalismus. Die Verwendung des Begriffs wurde vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts durch die französische Zeitung Le Conservateur (1818) um Schriftsteller und Diplomat Chateaubriand geprägt. Gegen Revolution, Reformen und Modernisierung stellten Konservative einen behutsamen Wandel oder gar die komplette Wiederherstellung der (alten) Ordnung. Der Staat wurde aufgrund der menschlichen Natur als etwas Notwendiges angesehen und oftmals in ein monarchistisches Prinzip eingebettet. Ein in Großbritannien bekannter Vertreter war Edmund Burke, dessen Konservatismus teils mit Romantik verschmolz, sowie in den deutschen Staaten Carl Ludwig von Haller oder Friedrich Julius Stahl. Schopenhauers Angst vor Revolutionen zeigte sich bereits 1803/1804 als er in seinem Reisetagebuch von der ‘zerstöhrenden Hand der [Französischen] Revolution’ sprach, die schönen Straßen Aix-en-Provences ‘wüst u. leer’ vorfand und Lyon, das unter dem Aufstand schwer gelitten hatte, ihm als ‘Schauplatz unerhörter Gräuel’ merkwürdig und abschreckend erschien. Das Entsetzen vor solchen Volkserhebungen und Rückfällen in die Anarchie suchten den alten Philosophen gut vierzig Jahre später erneut heim, als ihm die Revolutionäre 1848 quasi in die Studierstube fielen. Entgeistert und erschrocken berichtete er seinem Freund Julius Frauenstädt von den Straßenkämpfen im September 1848 als preußische und österreichische Soldaten die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung zu schützen suchten: ‘Aber was haben wir erlebt! Denken Sie sich, am 18. September eine Barrikade auf der Brücke und die Schurken bis dicht vor meinem Hause stehend, zielend und schießend auf das Militär in der Fahrgasse, dessen Gegenschüsse das Haus erschüttern: plötzlich Stimmen und Geboller an meiner verschlossenen Stubenthüre: ich, denkend es sei die souveräne Kanaille, verrammle die Thür mit der Stange: jetzt geschehn gefährliche Stöße gegen dieselbe: endlich die feine Stimme meiner Magd: ‚es sind nur einige Oesterreicher!‘ Sogleich öffne ich diesen werthen Freunden: 20 blauhosige Stockböhmen stürzen herein, um aus meinen Fenstern auf die Souveränen zu schießen besinnen sich aber bald, es gienge vom nächsten Hause besser. Aus dem ersten Stock rekognoscirt ein Officier das Pack hinter der Barrikade: sogleich schicke ich ihm den großen doppelten Opernkucker […]’. Bereits davor in einem Brief an Johann Gottlob von Quandt hatte er geschrieben, dass er ‘den politischen Kampfplatz in [seiner] Studierstube gehabt’ habe und meinte gegen Ende zynisch: ‘Ich hoffe also Sie diesen Sommer wieder zu sehen, wenn bis dahin die Welt noch steht […]’. Nach diesen ‘exclusiv politischen Zeiten’ notierte Schopenhauer 1852 sogar, dass ein Teil seines Vermächtnisses an die Familien der verstorbenen Soldaten in Frankfurt während den Kämpfen 1848 und 1849 zu gehen habe. Sein Fazit über diese Zeit fiel 1851 schlicht und böse aus: ‘Meine Adresse ist die Schöne Aussicht Nr. 17 neu. Die Revolution hat neue Hausnummern gemacht das einzige von ihr, was zu bleiben verdient.’ Safranski schreibt über Schopenhauer, dass dieser während der Revolution mit seiner Angst um sein Eigentum auf den ‘Selbsterhaltungswillen eines philosophischen Couponschneiders’ zusammengeschrumpft sei. Schopenhauer mag zwar mit einer Pistole unter dem Kopfkissen geschlafen haben, aber die skeptische Haltung gegenüber der Revolution hat mehr Gründe, als die bloße Gefahr, sein Eigentum zu verlieren. Umbruch und Wandel waren dem Pessimisten noch nie geheuer. Dieser konservative Unterton kommt auch schriftlich in seinen Parerga und Paralipomena zum Ausdruck und stellenweise muss sich der Leser fragen, ob er es noch mit demselben Philosophen zu tun hat, der jetzt statt Gewaltenteilung Begriffe wie Monarchie, Gottesgnadentum, König und Fürst verwendet. Aus der giftig-angriffslustigen Feder Schopenhauers hört sich das folgendermaßen an: ‘[…] weil nämlich die große Mehrzahl derselben [der Menschen] höchst egoistisch, ungerecht, rücksichtlos, lügenhaft, mitunter sogar boshaft und dabei mit dürftiger Intelligenz ausgestattet ist, so erwächst hieraus die Notwendigkeit einer in Einem Menschen koncentrirten […] völlig unverantwortlichen Gewalt, vor der sich Alles beugt, und die betrachtet wird als ein Wesen höherer Art, ein Herrscher von Gottes Gnaden.’ Dass dies aber vor allem nur ein erster, täuschender Eindruck ist, zeigt die Analyse weiter unten.

Über den Autor

Adrian Gmelch wurde 1993 in Rosenheim geboren. Nach dem deutsch-französischen Abitur absolvierte er den deutsch-französisch integrierten Studiengang Politikwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Institut d’Etudes Politiques de Rennes. Der Verfasser war während seines Studiums Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Zu seinen Studienschwerpunkten zählte neben den deutsch-französischen Beziehungen vor allem die politische Philosophie und Theorie. Insbesondere die Philosophie Schopenhauers faszinierte den Autor, der sich den politischen Gedanken in den Schriften des Philosophen widmete. Gmelch ist Verfasser zahlreicher Artikel und Buchbesprechungen, u.a. für Francia Recensio (Rezensionen politik- und geschichtswissenschaftlicher Neuerscheinungen). Er ist außerdem Autor von zwei Romanen.

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