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Philosophie

Carolin Köhne

Die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung

Eine Studie zum Beobachtungsbegriff Bas van Fraassens

ISBN: 978-3-8366-6713-5

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ein entscheidendes Merkmal wissenschaftlicher Erkenntnis ist es, dass sie uns etwas über die Beschaffenheit der Welt mitteilt, die weit über das, was wir beobachten können, hinausgeht. Viele Wissenschaftstheoretiker setzen ein realistisches Verständnis der Naturwissenschaften, gemäß dem die am besten bestätigten Theorien und Forschungsergebnisse der reifen, modernen Naturwissenschaften eine zumindest annäherungsweise wahre Beschreibung der vom Menschen und seinen Theoriebildungen unabhängigen physischen Wirklichkeit liefern, voraus. Sie sehen es als das Ziel von Wissenschaften an, uns solche Erkenntnisse zu liefern und glauben, dass Wissen über Dinge, die über das direkt Beobachtbare hinausgehen, möglich ist. Mit dem Status der naturwissenschaftlichen Theorien und insbesondere der Frage, ob diese Theorien wirklich als Ganze wahr sind, befasst sich die Realismus-Antirealismus-Debatte. Ein zentrales Element für diese Debatte ist die von Bas van Fraassen etablierte Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung. Sie bezieht sich auf die Frage, ob die physische Wirklichkeit für uns vollständig epistemisch zugänglich ist, und wir gerechtfertigte Aussagen darüber machen können, ob unsere Theorien die Wirklichkeit annäherungsweise korrekt beschreiben. Da sich unsere Theorien nicht ausschließlich auf einen Bereich beziehen, der sich unseren Sinnen erschließt, sondern gerade auch Aussagen über Entitäten gemacht werden, die die Beobachtungsmöglichkeiten unserer Sinne transzendieren, entsteht die Kontroverse um den wissenschaftlichen Realismus. Während der beobachtbare Teil der physischen Wirklichkeit im Allgemeinen als epistemisch zugänglich angesehen wird, wird der unbeobachtbare Teil von van Fraassen - als Vertreter des Antirealismus - als epistemisch nicht zugänglich angesehen. Daraus leitet er eine gewisse Skepsis gegenüber unbeobachtbaren Entitäten ab. Wissenschaftliche Realisten behaupten hingegen, dass auch der Bereich, der unsere direkten Beobachtungsmöglichkeiten transzendiert, prinzipiell epistemisch zugänglich ist. Bei ihrem Versuch, zu zeigen, dass unsere reifen naturwissenschaftlichen Theorien eine zumindest annäherungsweise wahre Beschreibung der physischen Wirklichkeit liefern, greifen sie die u.a. Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung an. In dieser Studie sollen die zentralen Einwände und Kritikpunkte an van Fraassens Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung diskutiert werden, um so zu einer systematischen Aufarbeitung der Kontroverse um diese Unterscheidung zu gelangen. Letztlich wird der Versuch unternommen werden, die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung als grundsätzlich durchführbar zu erweisen. Es wird dafür argumentiert, dass van Fraassens Konzept zwar mit einer Vielzahl von Problemen behaftet ist, was jedoch nicht bedeutet, dass die Beobachtbar/unbeobachtbar-Unterscheidung generell zurückgewiesen werden sollte.

Leseprobe

Kapitel 8.2, Ein Verteidigungsversuch des van Fraassenschen Beobachtungsbegriffs: Wir haben im vorigen Abschnitt gesehen, wie Nixon und Brandom dafür argumentieren, dass es keinen epistemisch relevanten Unterschied zwischen Beobachtungen und Messungen gibt. Sie behaupten, dass es immer denkbar sei, dass sich einerseits unsere technischen Hilfsmittel derart weiterentwickeln, dass momentan unbeobachtbare Entitäten beobachtbar werden und es anderseits möglich sei, die nicht-inferentielle Beobachtung einer Entität zu erlernen. Ich möchte im Folgenden einen Versuch unternehmen, den Beobachtungsbegriff van Fraassens zu verteidigen und somit gegen die bereits vorgestellten Thesen Nixons und Brandoms argumentieren. Während innerhalb Kapitel 7 dieser Studie die Position van Fraassens einer ausführlichen Kritik unterzogen wurde, möchte ich es an dieser Stelle nicht versäumen, die Elemente seiner Position, die ich als durchaus plausibel empfinde, zu erwähnen. Zunächst einmal sei erwähnt, dass ich die Ansicht Brandoms, dass man Elementarteilchen wie Mesonen oder Elektronen in der gleichen Weise beobachten kann wie mittelgroße Alltagsgegenstände als äußerst kontraintuitiv empfinde. Dies allein ist sicher noch kein Argument dafür, dass es nicht möglich ist, Elektronen mit dem bloßen Auge zu beobachten, allerdings gehört es meiner Ansicht nach durchaus zu den Vorzügen einer Theorie, wenn sie unsere Intuitionen einfängt. Van Fraassen ist der Ansicht, dass man Elementarteilchen wie Elektronen nicht direkt, mit dem bloßen Auge (also nicht-inferentiell) beobachten, sondern auf ihre Existenz lediglich schließen kann. Elektronen werden laut van Fraassen nicht beobachtet, sondern mittels technischer Geräte detektiert oder gemessen. Man kann durch das Vorhandensein einer (in einer speziellen Weise beschaffenen) Blasenspur auf die Existenz des Elektrons schließen. Was man direkt, nicht-inferentiell beobachtet, ist - gemäß der Ansicht van Fraassens - die Blasenspur in der Nebelkammer, aber nicht das Elektron selbst. Er hält es unter keinen Umständen für möglich, das Elektron zu beobachten, sondern besteht darauf, dass nur die sichtbar gemachten Folgen der Existenz des Elektrons beobachtbar sind. Van Fraassen verdeutlicht dies anhand eines - meiner Ansicht nach - sehr einleuchtenden Beispiels. Wenn wir am Himmel den Kondensstreifen eines Flugzeugs sehen, ohne das Flugzeug selbst jedoch gesehen zu haben, so können wir auf die Existenz des Flugzeugs aufgrund des Kondensstreifens schließen. Im Falle des Elektrons können wir dies in der gleichen Weise tun. Wir schließen durch die (mittels technischer Hilfsmittel erzeugte) Blasenspur auf das Vorhandensein des Elektrons. Während es im Falle des Flugzeugs jedoch theoretisch möglich ist, sich von der Existenz desselben mit dem bloßen Auge zu überzeugen (wir können warten bis es gelandet ist), ist dies im Falle des Elektrons nicht möglich. Gemäß dem Konzept des konstruktiven Empirismus ist van Fraassen daher der Ansicht, dass es zwischen Beobachtungen und Messungen einen epistemisch relevanten Unterschied gibt. Allerdings reicht die Ansicht, dass Elektronen nur inferentiell und mittels technischer Geräte beobachtet werden können, allein nicht aus, um zu der Behauptung, dass es einen epistemisch relevanten Unterschied zwischen Beobachtungen und Messungen gibt, zu gelangen. Zusätzlich benötigt man die Prämisse, dass Beobachtungen mittels technischer Hilfsmittel nicht wissenskonstitutiv sind. Ich bin der Meinung, dass - auch wenn für van Fraassens These diese Zusatzprämisse erforderlich ist - dieses Beispiel zunächst einmal sehr anschaulich verdeutlich, warum es nicht möglich ist, Elektronen nicht-inferentiell zu beobachten. Ich erachte Brandoms Beobachtungsbegriff daher als inadäquat, da ich der Ansicht bin, dass er die wissenschaftliche Praxis nicht angemessen beschreibt. Wissenschaftler beobachten meiner Meinung nach Elektronen nicht direkt, sondern schließen aufgrund von anderen Umständen (die ein Indiz für das Vorhandensein des Elektrons sind) auf diese. Bevor ich zwei Argumente vorstelle, die diese Sichtweise und die damit verbundene These, dass es einen epistemisch relevanten Unterscheid zwischen Beobachtungen und Messungen gibt, stützen sollen, möchte ich im Folgenden einen Vorschlag unterbreiten, meine Sichtweise mit der Brandomschen zu vereinbaren. Damit leiste ich einem möglichen Gegenargument gegen meine Sichtweise Vorschub. Brandom könnte zur Stärkung seiner Position die Tatsache ins Feld führen, dass Wissenschaftler so sprechen, als würden sie Elektronen direkt beobachten (so äußern sie z.B. den Satz da ist ein Elektron). Somit könnte er argumentieren, dass sein Beobachtungsbegriff (im Gegensatz zu dem van Fraassenschen) die Redeweise der Wissenschaftler adäquat beschreibt, was unter Umständen auch als Indiz dafür angesehen werden könnte, dass sein Beobachtungsbegriff auch der wissenschaftlichen Praxis angemessen ist. Ich möchte argumentieren, dass Wissenschaftler sicherlich so sprechen, als würden sie Elektronen direkt beobachten (und Brandoms Beobachtungsbegriff daher den wissenschaftlichen Sprachgebrauch adäquat beschreibt), allerdings bin ich keinesfalls der Meinung, dass er die wissenschaftliche Praxis ebenfalls angemessen wiedergibt. Meiner Ansicht nach benutzen Wissenschaftler einfach eine abkürzende Redeweise, wenn sie einen Satz wie da ist ein Elektron äußern. Wenn sie oft genug die Inferenz von der Spur in der Blasenkammer auf das Vorhandensein von Elektronen gezogen haben, sie sich also - mit Brandom gesprochen - einem geeigneten Training unterzogen haben, dann reden sie evt. so, als würden sie Elektronen direkt beobachten, obwohl sie unbewusst noch immer eine Inferenz ziehen. Ein analoger Fall tritt auf, wenn Wissenschaftler davon sprechen, dass sie ein Phänomen, wie beispielsweise den Schmelzpunkt von Blei beobachten. Wie die Betrachtungen zur Daten/Phänomen-Unterscheidung gezeigt haben, beobachten Wissenschaftler gemäß der Ansicht von Bogen und Woodward keine Phänomene, sondern lediglich Daten aus denen das Phänomen erschlossen werden kann. Trotzdem reden die Wissenschaftler aber so, als ob sie die Phänomene direkt beobachten könnten ohne sie erst aus den beobachtbaren Daten erschließen zu müssen. Diese Überlegungen zeigen meines Erachtens, dass die Tatsache, dass Wissenschaftler so sprechen, als könnten sie theoretische Entitäten beobachten und Brandoms Beobachtungsbegriff den wissenschaftlichen Sprachgebrauch somit adäquat beschreibt nicht auch zeigt, dass er der wissenschaftlichen Praxis angemessen ist.

Über den Autor

Carolin Köhne, geb. 1982 in Recklinghausen. Studium der Germanistik und Philosophie für das Lehramt der Sekundarstufe ??/? an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Während des Studiums schwerpunktmäßiges Interesse und Fachveröffentlichungen im Bereich der Wissenschaftstheorie. Erwerb des Ersten Staatsexamens im November 2007.

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