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- Das Kreuz der spekulativen Erkenntnis. Auslegungen zu Franz von Baaders "Vorlesungen über religiöse Philosophie". Zweiter Teil
Philosophie
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 260
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Zwei grundlegende Einsichten lassen sich aus den Ausführungen Baaders in der 19. Vorlesung ableiten: Es gibt eine okkulte Offenbarungstradition und das, was Gegenstand der Offenbarungsgeschichte ist, ist nicht die Offenbarung selbst. Denn Offenbarungsgeschichte bezeichnet das Gesetz, unter welchem sich der menschheitsgeschichtliche Zerfall der Offenbarung vollzieht. Sie steht somit im Zeichen einer Urverdrängung des Wesens des Unbewussten. Und sie bleibt ihrem Verdrängungs-Schicksal verfallen, solange das okkulte Wesen des Unbewussten selbst unerkannt und ungedacht bleibt. Dass die Beiträge der modernen Tiefenpsychologie zur Erforschung des Unbewussten nicht hinreichen, um die Verdrängung der Offenbarung selbst zu brechen, leuchtet ein. Vielmehr trägt die Begriffswelt der Psychoanalyse selbst nicht unerheblich zur phylogenetischen Verdrängung der wahren Ursprünge von Religion bei. Die menschheitsgeschichtliche Urverdrängung des Unbewussten aufgrund eines Willens zur Gegenoffenbarung legt der Autor dar anhand der kabbalistischen Deutung des biblischen Narrativs vom Sterben der Könige von Edom (Gen. 36, 29 ff.), welche die Abhandlung Idra Rabba des Sohar überliefert. In dem Untergang der edomitischen Urwelten, die als untergehende zugleich die Hierarchienkette einer Tradition von Gegenoffenbarung bilden, findet das okkulte Schicksal der Menschheitsgeschichte seinen tiefsten symbolischen Ausdruck.
Textprobe: Kapitel These 15: Fortsetzung der Auslegung: [ Mit der Identitätslehre als der Lehre vom selbstbewusstseienden oder beisichselberseienden Geiste stimmt jener ältere Satz überein: dass jedes primitive und vollendete (begreifende) Erkennen ein genetisches ist oder dass der Hervorbringende nur als hervorbringend oder im Hervorbringen sich und das Hervorgebrachte weiss. ] Wie ist das »Denken selbst« im Menschen denkbar, da dieses Etwas, was der Menschen sein Denken nennt, selbst nicht das »Denken selbst« sein kann? Das Denken ist keine ontologisch verbürgte Fähigkeit des Menschen, die diesem ein für alle Mal zueigen ist. Das Denken als das »Nichts vom Menschen« erst macht die okkulte Ureigenwesenheit des »Denkens selbst« aus, aus der allein der Mensch wiedergeboren werden kann. Der Mensch als gefallener hat keinen Zugang zum Denken selbst. Daraus erklärt sich seine AutonomieBestrebung, die sich an der Göttlichkeit des Denkens selbst zwangsläufig versündigen muss. In dieser Strebung greift der Mensch zurück auf das Denken als auf das »Etwas« seines von ihm als seiend angenommenen Scheinwesens. So gleicht dies der Heraufkunft der Finsterniskräfte aus den Seelenabgründen zur Bildung eines idolatrischen UnwesensEtwas von Denken, in dem sich das Denken — sich widerspiegelnd — selbst täuscht und vom Wege der Gotteserkenntnis abspaltet. Die Annahme, dass das Denken sein eigenes Unwesen durchbrechen und ein Etwas von sich zum Vorschein bringen (objektifizieren) könne, ist fester Bestandteil der UrSelb[Un]wesensSelbstverfinsterung, durch die das okkultierte Wesen des Denkens über sich selbst archontisch herrscht. Die SelbstZusprechung des Denkens durch den Menschen bezeichnet die hierurgische Anrufung des Unwesens des Denkens selbst als eine magische Vertiefung in die ErkenntnisVerwerfung des vom fleischgewordenen Wort der Gottheit im Menschen gezeugten Denkens. Was aber, wenn der Mensch diese denkureigenwesensbildende und –einpflanzende Tätigkeit des göttlichen Logos, die schlechthin dessen Menschwerdung im Menschen selbst ist, in sich verhindert, durch sich selbst verwirft? Dann allerdings schafft sich die ErkenntnisVerwerfung des archontischen Denkens die Form, in der sie zum Etwas ihrer eigenen UnwesensDurchbrechung wird. Dies heißt aber nichts anderes, als dass sie die Archontik ihrer eigenen DenkOhnmächtigkeit durch das scheinbare »Etwas von UnwesensDurchbrechung« aufheben zu können vorgibt. Dieses »Etwas« eigener Unwesens-Durchbrechung ist somit der Höhepunkt einer in der eigenen Verwerfung göttlicher Erkenntnis wurzelnden Philosophie, die aber damit okkultes Bildungsprinzip von Gegenoffenbarung ist. Wenn Baader in der 15. These das ursprüngliche und vollkommene Erkennen als ein genetisches bezeichnet und dieses zugleich als das (allein) begreifende definiert, so heißt dies in Umkehrung, dass die Lüge eine nicht genetische und nicht-organische Hervorbringung von Wahrheit durch den Bildungstrieb des Willens voraussetzt. Denn untrügliches Kennzeichen von Wahrheit ist die organische Verknüpfung des Hervorbringenden und des Hervorgebrachten durch das beide als Einheit in sich fassende und zurücknehmende »Denken selbst«. Ein weiteres Wesens-Kriterium dieser Wahrheit ist ihre Göttlichkeit. Aus diesem Wesensmerkmal der Denkureigenwesens-Wahrheit folgt notwendig deren Einzigkeit, nicht nur deren Einheit. Denn in der Einzigkeit erst stellt sich die vom Denken hervorgebrachte Einheit als das sich fortpflanzende Licht der Offenbarung selbst — als die okkulte Tradition des »Denken selbst« — heraus und zugleich dar. Die sich als einzigkeitliche oder göttliche Wahrheit herausstellende Hervorbringung der Wahrheit durch das Denken erbringt den Beweis dafür, dass ein solches Denken nur das »Denken selbst« sein kann, nur das »Denken selbst« in seinem Ursprungskern ist. Und eben nur dann ist Wahrheit in der Organizität ihrer genetischen Entstehung aus dem sich durch seine Zeugungskraft seiner selbst bewusst werdenden wahren und göttlichen Denken. Der sich seiner selbst bewusst seiende Geist aber ist die sich umfassende Dreiheit des sich in seiner Selbsterkenntnis-Trinität selbst schauenden und begreifenden Denkens, das nur aus der einzigen und einzig wahren Gottheit selbst stammen kann. Diese Selbsterkenntnis-Trinität von Hervorbringendem und Hervorgebrachtem im Hervorbringen durch das sich in seiner göttlichen Ursprünglichkeit erkennbar machenden »Denken selbst« lässt dem Menschen Raum für die organische Entfaltung seines Willens, Gott selbst zu begegnen. Diese trinitarische Wesensstruktur des göttlichen Denkens, das den okkulten Ursprungskern der »Offenbarung selbst« (Uroffenbarung) im Menschen darstellt, wird erst begreifbar jenseits der Entwürfe christlicher Dogmatik und des Kanonisierungs-Projektes des kirchlichen Christentums. Denn die okkulte Natur des Denkens ist dialogisch wie das Denken selbst. Und dieser Dialog impliziert das gegenseitige Eingehen von Mensch und Gott im organischen Bildungstrieb des ursprünglichen Denkens, das als das »Denken selbst« aus der Gottheit stammt. Das offenbarungsmächtige und vollendete Erkennen ist nach Baader zugleich das (allein) begreifende , weil es die organischen Momente seiner Wahrheit in sich fasst und in das Licht des sich im »Denken selbst« uroffenbarenden Wortes der Gottheit erhebt. Der okkulte Ursprungskern offenbarungsgeschichtlicher Wahrheit kann nur vom Denken selbst in Anspruch genommen werden, das heißt, insofern das Denken sich als dieses selbst auszuweisen imstande ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Denken das Licht der einwohnenden Gottheit in sich birgt. Und nur dann ist es Tempel der lebendigen Gottheit. Die Einwohnung Gottes im Menschen durch das »Denken selbst« besagt keine passive illuminatio mentis, die der Denkkraft vorausgreift, um den Nous in eine quietistische Untätigkeit zu versetzen. Diese irrige Vorstellung ist vielmehr Teil einer gegenoffenbarungsgeschichtlichen Initiative, die die OffenbarungsSelbstWirklichkeit der Gottheit in und durch das »Denken selbst« mithilfe eines sich selbst zum Schein machenden Denkens in sich selbst aufzuheben versucht. Dieser Schein des Denkens bringt aus seiner Finsternis den Unwesensbildungstrieb eines sich durch den Glauben selbst erübrigenden Denkens hervor. Die Einwohnung Gottes im Menschen erwächst aus der göttlichen Selbstmitteilung an die autonoogenetische Wurzel des Glaubens, die der WesensbildungsTrieb des Willens im Willen selbst ist. Nur der sich im Willen selbst vollziehende Dialog von Gott und Mensch ist Berührung . Nur als Dialog findet wahre Einwohnung Gottes im Menschen statt. Die Einwohnung Gottes erfordert vom Menschen, selbst in den Willen Gottes eingehen zu wollen. Wie das wechselseitige Eingehen von göttlichem und menschlichem Willen nur im Willen selbst, im OffenbarungsUrsprungskern des GottheitsWillens selbst, geschehen kann, so muss dieser OffenbarungsUrsprungsWillenskern der Gottheit in der Autophysiogenese des vollendeten und begreifenden Erkennens sich vollziehen. Der autophysiogenetische Wesensbildungstrieb der Gottheit in der verborgenen Natur des »Denkens selbst« lässt keinen Raum für Brüche in dem von ihm selbst hervorgebrachten organischen WesensKontinuum von Uroffenbarung, das heißt von »Offenbarung selbst«. Die Bruchlosigkeit ist ein weiteres wesentliches Merkmal des ursprünglichen und vollendeten Denkens, des »Denkens selbst«. Diese Eigenschaft besagt nicht, dass das in der Wahrheit seiner verborgenen [Meta]-Natur ruhende und sich allein durch diese selbst als das »Denken selbst« auszeichnen könnende Denken sich auf historische Bewährung dieser seiner Eigenschaft beruft. Denn eine solche Berufung wäre unbewusst die Infragestellung der [Meta-]Physik durch die Naturgeschichte eines sich durch die historischen Defragmentierungsprojekte in Philosophie oder Theologie fortbewegenden UnDenkens, das das [Nicht]-Denken der GegenOffenbarung von Christentum ist. Die sich durch die Geschichte ihrer DefragmentierungsImpulse fortbildende erkenntnisfragmentäre Denk-[Un]natur bringt notwendig die fraktale Nicht-Selbstähnlichkeit als das Gebilde der Schein-Organizität von Denken hervor, das sich als Denken selbst ausgibt, indem sie das Individuationsprinzip des autophysiogenetischen Prozesses von Denken selbst im Offenbarungsursprungskern des Willens der Gottheit in sich selbst unterbricht. Wenn nämlich die Religionslehre behauptet, dass nicht das Wissen, sondern das Glauben des oder vielmehr dem Gewussten selig macht, so nimmt sie den Glauben mit Recht als eine Function des Willens, nach jener Bestimmung Augustins: Nemo credit nisi volens. Es ist nun von grosser Wichtigkeit, die actio vitalis als die zeugende, schaffende, bildende des Willens und Begehrens, zwar nicht getrennt, aber doch unterschieden vom Erkennen, anzuerkennen. Denn durch und aus dem Willen ist diese Welt gemacht worden und Alles hat seine Wiederfortpflanzung im Willen. Wille beginnt in Allem die organische Einigung, wie Trennung. Der Bildungstrieb, die schaffende Macht, ist nur im Willen und in der Begierde. Im Hunger esse ich, und wachse ich oder beleibe ich mich, — denn nur der Hunger daut und assimilirt —, im Geschlechtshunger pflanze ich mein Geschlecht fort, im Hunger, in der Begierde, im Verlangen werde ich wiedergeboren, wie ich im Hunger monstrosisch und irdisch geboren wurde. Die Berührung, das Eingehen eines Willens in einen schaffenden, zeugenden, gebärenden Willen — denn Wille kann nur in Willen eingehen — ist sohin insofern der Zweck, inwiefern das Eingehen des mich auf solche Weise sich Ein- und Zubildenden als sich mir Erkennbar-machenden, sich in mir zur Attraction Einfassenden nur das Mittel zu diesem Eingehen ist.
Jörg Weber wurde 1956 in Erding geboren. Von 1976 bis 1983 studierte er Philosophie, Geschichte und Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er schloss sein Studium mit einer Arbeit über Franz Overbecks Kritik des Christentums ab. Danach promovierte er zum Dr. phil. in Religionswissenschaft mit einer Monographie über dieselbe Thematik. Es folgten Lehraufträge an der Freien Universität und an verschiedenen Bildungseinrichtungen. 1996 nahm er in München das Studium der orthodoxen Theologie auf und schloss es 2001 ab. 2013 promovierte er mit einer Arbeit über die Mystagogie des Dionysius Areopagita zum Doktor der Theologie. Weber ist Vertreter der okkulten Offenbarungstradition des Christentums. Dabei kommt der Exegese von Werken Franz von Baaders und anderer Autoren der christlichen Kabbala zentrale Bedeutung zu. Angesichts der inneren Gespaltenheit des modernen Menschen verweist er in seinen Vorträgen immer wieder auf den therapeutischen Aspekt der okkulten Lehre.