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- Gemeinschaftsgärtnern mit Dementen: Potenziale für eine innovative Altenpolitik in Berlin
Pflege
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Demenzielle Erkrankungen zählen zu den wichtigsten Ursachen für den Verlust der Selbstständigkeit und führen unweigerlich in die Pflegebedürftigkeit. Rund zwei Drittel dieser Demenzkranken werden zu Hause von Angehörigen betreut und gepflegt. In den letzten Jahren gab es sowohl auf Bundes- als auch auf Länder- und kommunaler Ebene verstärkte Bemühungen, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu verbessern. Gleichwohl ist es bisher nur unzureichend gelungen, die gesellschaftliche Isolation, die nicht nur die Betroffenen, sondern auch die pflegenden Angehörigen erfahren, aufzuheben. In Berlin entstehen seit einigen Jahren immer mehr gemeinschaftlich genutzte Gärten. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob nicht auch Menschen mit Demenz als Teil der Gemeinschaft von dem derzeitigen Trend ,Gemeinschaftsgärtnern' profitieren könnten. Zu einer guten Lebensqualität von Menschen mit Demenz gehört nicht nur, dass man im Zustand der Pflegebedürftigkeit gut versorgt wird, sondern dass man auch mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten eine Funktion und eine den Fähigkeiten entsprechende Aktivität und Teilhabe in der Gesellschaft findet. Um dies erreichen zu können, muss an neuen Strategien im Umgang mit Demenzkranken gearbeitet werden. Eine Strategie könnte möglicherweise Gartenarbeit in Form von Gemeinschaftsgärten sein. Die Arbeit soll deshalb zeigen, welchen Beitrag Gemeinschaftsgärten für ein gutes Leben trotz Demenz leisten können.
Textprobe: Kapitel 3.1.1, Annäherung an die Lebenswelt von Menschen mit Demenz: Für Wissenschaft und Medien ist das Thema seit einigen Jahren zunehmend von Interesse. Dennoch wird die Erkrankung gesellschaftlich weitestgehend tabuisiert, anstatt offen darüber zu reden und die Versorgung und Begleitung der Betroffenen zu einer allgemein anerkannten kollektiven Aufgabe zu machen (Kruse 2010, S.18). Für die Bearbeitung des Themas der vorliegenden Arbeit ist es unverzichtbar, sich damit zu beschäftigen, wie die Betroffenen mit der Erkrankung leben. Gibt es beispielsweise Aspekte, die trotz vorangeschrittener Erkrankung bleiben und was ändert sich? Wo gibt es Ansatzpunkte um Leben mit Demenz besser zu gestalten? Gerade im Anfangsstadium der Demenz sind die Betroffenen erschüttert, dass ihnen ein ,gelingendes Leben im Alter ‘ in unserer ,Leistungsgesellschaft ‘ verwehrt bleibt. Sie können ihr Leben immer weniger selbst gestalten und sind deshalb abhängig von der Hilfe anderer, welche die Bedürfnisse der Erkrankten unterschiedlich beachten. 3.1.2, Die Bedürfnisse von Personen mit Demenz: Laut Kidwood verlieren Menschen mit Demenz durch die zum Krankheitsbild gehörenden kognitiven Beeinträchtigungen mehr und mehr ihre Autonomie, weshalb sie zwar nicht zu Kindern werden, aber einem Kind vergleichbare primäre Bindungsbedürfnisse entwickeln (Kitwood 2000, S. 122 f.). Nach dem personenzentrierten Ansatz von Kitwood sind die wichtigsten psychischen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz das zentrale Bedürfnis nach Liebe (im Sinne von bedingungsloser Akzeptanz) sowie die Bedürfnisse nach Trost, Identität, Beschäftigung, Einbeziehung und Bindung (Kitwood 2000, S. 122). Aufgrund der kommunikativen Probleme sind Demenzkranke häufig nicht mehr in der Lage ihre Bedürfnisse verbal auszudrücken. Sie sind darauf angewiesen, dass die Menschen, die sie betreuen, diese grundlegenden Bedürfnisse erkennen und weitestgehend für ihre Erfüllung sorgen. Das emotionale Erleben ist bei Personen mit Demenz sehr stark ausgeprägt. Sie leiden unter dem Verlust ihres bisherigen Lebens, weshalb sie ein großes Bedürfnis nach Trost in Form von Zuwendung und Körperkontakt haben (Kitwood 2000, S.123). Das Bedürfnis nach Bindung resultiert daraus, dass sich verwirrte Menschen hochgradig unsicher fühlen. Primäre Bezugspersonen bewirken Kontinuität und Sicherheit. Das verstärkte Bedürfnis nach Bindung bei Personen mit Demenz kann sich in fortgeschrittenen Phasen der Erkrankung beispielsweise durch häufiges Rufen nach der Mutter äußern. Der Mensch ist in erster Linie ein soziales Wesen und benötigt das Gefühl in eine soziale Gruppe eingebunden zu sein. Menschen mit Demenz wollen nicht alleine gelassen werden und zeigen ihre Bedürftigkeit, indem sie durch lautes Rufen, Anklammern, zielloses Umhergehen oder auch durch aggressive Verhaltensweisen auf sich aufmerksam machen. Wird dieses Bedürfnis ignoriert, wird der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst und die Betroffenen isolieren sich von ihrer Außenwelt (Kitwood 2000, S. 124). Demenzkranke, die sich nicht im Endstadium der Erkrankung befinden, haben auch das Bedürfnis, noch aktiv zu sein und ihre vorhandenen Fähigkeiten erfolgreich einzubringen. Speziell auf den Einzelnen zugeschnittene Beschäftigungsangebote auf freiwilliger Basis, helfen die Selbstachtung zu stärken und die Selbstständigkeit zu fördern. Das Identitätsgefühl wird bei Personen mit Demenz in besonderer Weise bedroht und in ausgeprägten Fällen sind einige nicht mehr in der Lage sich selbst zu erkennen. Dem Bedürfnis nach Identität wird durch Biografiearbeit, sinnvolle Beschäftigung und insbesondere durch einfühlenden Kontakt, indem der Betroffene als einzigartige Person gesehen wird, Rechnung getragen (Kitwood 2000, S. 125). 3.1.3, Spezifische Verhaltensweisen im Alltag: Das Alltagsverhalten von Menschen mit Demenz ist abhängig von den unterschiedlichen Schweregraden und den Ausprägungen von Demenzerkrankungen sowie von den individuellen biografischen Prägungen der Erkrankten. Unabhängig davon gibt es jedoch typische Verhaltens- und Handlungsweisen, die auf die meisten Betroffen zutreffen. Viele Demenzkranke stellen immer wieder dieselbe Frage oder wiederholen die gleichen Sätze oder Handlungen. Das kann insbesondere für die betreuenden Personen eine Herausforderung bedeuten. Zu den spezifischen Verhaltensweisen zählen auch realitätsfremde Überzeugungen und Sinnestäuschungen. Aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit der Erkrankten, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, werden Erklärungsversuche gesucht, die mit der Wirklichkeit oftmals nicht übereinstimmen. So werden z.B. Angehörige oder Pflegepersonen beschuldigt, Geld gestohlen zu haben. Dies dient den Erkrankten als Erklärung, weil sie ihr Geld nicht mehr finden können. Oder im Verlauf der Erkrankung wird der ,alte Mensch‘ im Spiegel nicht mehr erkannt, da in der Lebenswelt der Betroffenen nur noch Erinnerungen aus dem Altgedächtnis präsent sind. So kommt es auch vor, dass sich 95-jährige auf den Weg zur Schule machen wollen und 100-jährige nach ihrer Oma rufen, die ihnen etwas zu essen machen soll. Oftmals können diese Abweichungen zwischen der erlebten Welt der Kranken und der Realitätssicht der Angehörigen zu Konflikten im Betreuungsalltag führen. Mit Fortschreiten der Erkrankung haben viele Erkrankte einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus mit ausgeprägten Unruhephasen, in denen sie scheinbar ziellos umherwandern. Gelegentlich kann es bei Menschen mit Demenz auch zu verbalen oder körperlichen Aggressionen kommen, weil sie aufgrund ihrer erschwerten Lebensbedingungen unter Ängsten leiden, schnell überfordert sind oder sich bedroht fühlen (Zwanzig 2004, S.4 ff.).
Astrid Zwanzig wurde 1971 in Berlin geboren. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Potsdam schloss die Autorin im Jahre 2012 erfolgreich ab. Als Krankenschwester sammelte die Autorin bereits vor und während des Studiums umfassende praktische Erfahrungen in der Pflege und Betreuung von Menschen mit gerontopsychiatrisch Erkrankungen. Ihre Tätigkeit in verschiedenen Pflegeeinrichtungen motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.