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- Die Quartierspflege: Das Wohnkonzept der Fünften Generation
Pflege
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 43
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der demografische Wandel ist allgegenwärtig und wird bereits seit langer Zeit als ein Problem für Mensch und Umwelt verstanden. Daher rückt der für die zukünftigen Jahre prognostizierte Anstieg von Menschen im Rentenalter, begleitet von einem stetigen Rückgang erwerbsfähiger Bürger, zunehmend in den Fokus öffentlicher Diskussionen. So wird unter anderem seitens der Politiker und Forscher an geeigneten Lösungen zum Thema demografische Veränderungen und deren Folgen gearbeitet. Besonders im Gesundheitssystem nehmen diese eine tragende Rolle ein, um jedem Menschen, trotz des Altersungleichgewichtes, die Chance auf ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben zu ermöglichen. Im Bereich der Altenhilfe fordert dies einen neuen Denkansatz: die Pflege im Quartier . Zentrum des vorliegenden Buches ist die Erschließung des aktuellen Forschungsstandes jener Konzeption. Dabei wird dargestellt, inwieweit die Quartierspflege das Potenzial besitzt, eine Antwort auf die bevorstehenden Herausforderungen infolge der Bevölkerungsveränderung zu sein. Hierfür wurde eine systematische Übersichtsarbeit geschaffen, die das Spektrum aktueller Literatur zu erschließen versucht und letztlich 17 Evaluationen verschiedener Modellprojekte dieser Versorgungsform analysiert und auswertet. Das Ergebnis ist eine Identifizierung derer Stärken, Problemfelder und Möglichkeiten der Alltagsgestaltung sowie Partizipation für die im Quartier ansässigen Bewohner.
Textprobe: Kapitel 2.2.4, Die 4. Generation - Leitbild: Familie: Die vierte Generation in dem Altenwohnbau stellt das Hausgemeinschaftskonzept für alte Menschen dar, welches seit circa 1995 besteht. Diese Gemeinschaft ist eine Gruppe aus etwa acht bis zwölf Senioren, die in einer wohnungsähnlichen Umgebung zusammenleben. Das Gemeinschaftsleben spielt sich dabei überwiegend in einem speziellen Wohn- und Essbereich ab, in dem eine Kochküche integriert ist. Hier ist eine sogenannte Präsenzkraft permanent über den Tag verteilt anwesend und übernimmt hauswirtschaftliche sowie betreuende Tätigkeiten. Dadurch sollen die Bewohner stets einen Ansprechpartner vorfinden können, der sie zudem aktiv zu selbstständigen Tätigkeiten in Rahmen alltäglicher Aktivitäten animiert und unterstützt - stets im Rahmen der vorliegenden Fähigkeiten und Vorlieben. Zudem sollen Geräusche, Gerüche und vertraute Bewegungen innerhalb der Wohnküche die Zupflegenden stimulieren und anregen. Dieses Konzept hat sich bislang insbesondere bei der Dementenbetreuung bewährt (vgl. Michelli-Auli & Sowinski, 2012a, S. 17-18). 2.3, Eine neue Generation: ‘Pflege im Quartier’: In Anbetracht der demografischen Herausforderung müssen Angebote zum Wohnen und zur Betreuung besser miteinander vernetzt werden. Dies soll dort geschehen, wo ältere und jüngere Menschen zusammenleben, um sich gegenseitig zu unterstützen: in Wohngebieten und Stadtteilen (vgl. Evangelisches Johanneswerk, 2012, S. 14). 2.3.1, Begriffserklärung und Zielvorstellung: ‘Pflege im Quartier’ umschließt im idealen Fall eine Versorgung von älteren, kranken und behinderten Menschen in deren direkten Wohnumfeld mit pflegerischen, betreuerischen und medizinischen Dienst- und Beratungsleistungen. Dabei müssen sozio-kulturelle Angebote und Nachbarschaftshilfe einbezogen werden (vgl. Müller T., S. 4). Einerseits soll dadurch das autonome Wohnen in der vertrauten Umgebung gesichert werden, selbst wenn Hilfe- und Pflegebedarf bestehen andererseits sollen Eigeninitiative, Verantwortung und gegenseitige Unterstützung gestärkt werden (vgl. Evangelisches Johanneswerk, 2012, S. 14). Letztlich versucht dieses Pflegekonzept somit eine 24-stündliche Versorgungssicherheit für ein selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Wohnsituation zu bewirken, um Heimaufnahmen hierdurch langfristig zu vermeiden (vgl. Müller T., S. 4). Unter einem Quartier ist in diesem Sinne daher nicht nur eine räumliche Abgrenzung zu verstehen, sondern ebenfalls ein Raum mit einem sozialen Bezugssystem, in dem soziale Aktivitäten stattfinden. 2.3.2, Internationale Entwicklung: Die Veränderungen der Bevölkerung sind nicht nur in Deutschland zu spüren. Insbesondere in den USA wird es aufgrund demografischer Entwicklungen notwendig sein, geeignete städtische Konzeptionen zu schaffen, um den demografischen Herausforderungen zu begegnen. Diese sind mit der Quartierspflege vergleichbar, da ebenfalls eine langzeitige Selbsthilfe innerhalb eines begrenzten Areals unterstützt werden soll (vgl. Plouffe & Kalache, 2010, S. 733-734). Das Versorgungsmodell ‘Neighborhood Naturally Occurring Retirement Community’ (NNORC) rückt dabei verstärkt in den Fokus der Forschung. Darin werden formelle und informelle Dienste gemeinsam mit einer funktionierenden Nachbarschaft vernetzt, um eine selbstständige sowie häusliche Versorgung nachhaltig zu gewährleisten (vgl. Bronstein, Gellis & Kenaley, 2011, S. 105). Auch besondere Bauformen, wie das ‘Village’-Modell, bei dem sogenannte Seniorendörfer mit integrierten Pflegestützpunkten konzipiert werden, sollen eine Lösung darstellen (vgl. McDonough & Davitt, 2011, S. 529-530). 2.3.3, Nationale Entwicklung: Bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde erkannt, dass Senioren besondere Wünsche in Bezug auf ein zufriedenstellendes und sicheres Wohnen besitzen. So kam es, dass die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (BGW) speziell auf deren Wünsche zugeschnittene Wohnräume anbot, die eine besonders soziale Komponente beinhalteten. Es wurden Anlagen mit seniorengerechten Wohnungen gebaut, die einer Vereinsamung der Bewohner vorbeugen sollten. Um ebenfalls Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wurde eine Kooperation mit dem Verein Alt und Jung eingegangen, mit dem 1996 das erste gemeinsame Wohnprojekt geschaffen wurde. Dies galt als Geburtsstunde des ‘Bielefelder Modells’, bei dem die Mieter auf Hilfsangebote eines Servicestützpunktes zugreifen konnten jedoch nur im Bedarfsfall dafür zahlen mussten. Eine Betreuungspauschale, wie beim Betreuten Wohnen entfiel gänzlich (vgl. Jocham, 2008, S. 449). Nach der nationalen Etablierung des stationären Wohnbaukonzeptes der ‘4. Generation’ wurde das KDA von der Stiftung Deutsches Hilfswerk um eine Erarbeitung eines Leitfadens zur Neuausrichtung vollstationärer Pflegeeinrichtungen gebeten. Während des Projektverlaufs zeigte sich, dass verschiedene Trägerschaften bereits daran arbeiteten, bestehende Konzeptionen mit innovativen Ideen weiterzuentwickeln. In Anbetracht der festgestellten Fortschritte und aus der Notwendigkeit heraus, die Strukturen der häuslichen Versorgung weiter auszubauen, empfahl das KDA eine neue Form des Wohnens im Alter und rief damit eine weitere Generation des Altenwohnbaus aus. Diese wird erstmals kompakt und systematisch in dem 2012 erschienenen Buch ‘Die 5. Generation: KDA-Quartiershäuser’ von Peter Michell-Auli und Christine Sowinski aufbereitet und zusammenhängend vorgestellt. Die darin beschriebenen und eigens vom KDA entwickelten ‘KDA-Quartiershäuser’ verknüpfen neue Ideen zur stationären Pflege mit der Zielstellung der ‘Pflege im Quartier’ und gelten national neben dem ‘Bielefelder Modell’ mitunter als leitgebende Modelle dieser neuen Pflegeform (vgl. Michell-Auli & Sowinski, 2012a, S. 9). Auch deutsche Politiker sind sich mittlerweile dessen bewusst, weitere Strategien konzipieren zu müssen, um den demografischen Begebenheiten zu begegnen. Daher wurde im Juni 2012 das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz beschlossen, dessen vollständige Bestimmungen seit Januar 2013 in Kraft getreten sind. Der Fokus darin liegt insbesondere in der Förderung von Selbsthilfekompetenzen sowie in der Unterstützung pflegender Angehöriger, um eine häusliche Pflege zu erleichtern (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 2012, S. 2-3). In diesem Zusammenhang gewinnt die Quartierspflege zunehmend an Bedeutung.
Nils Neu, B.Sc. wurde 1987 in Borna geboren. Nach seinem Abitur sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen als examinierter Altenpfleger. Fasziniert von den Eindrücken veranlasste es ihn, das Studium der Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu absolvieren, um sich auf wissenschaftlichem Niveau mit demografisch bedingten Versorgungsstrukturen beschäftigen zu können.