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- Diagnosis Related Group als neue Währung in der präklinischen Notfallversorgung: Konzeption. Chancen. Risiken
Pflege
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Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der bodengebundene Rettungsdienst unterliegt sowohl in Deutschland als auch global seit einigen Jahren einem Wandel von der reinen Transportaufgabe hin zur medizinischen Versorgung und Behandlung von Notfallpatienten direkt am Einsatzort. Galt es früher, den Patienten so schnell wie möglich in eine geeignete Zielklinik zu transportieren, rückt heute die medizinische Versorgung immer stärker in den Mittelpunkt und nimmt einen entscheidenden Anteil im Einsatzgeschehen ein. Mit der Einführung des Notfallsanitäters / der Notfallsanitäterin zu Beginn des Jahres 2014 haben die Entscheidungsträger konsequenterweise auf diesen Aufgabenwandel in der präklinischen Notfallversorgung reagiert. Bisher erhalten die Rettungsdienstorganisationen lediglich eine Vergütung für den Transport, jedoch nicht für die medizinische Versorgung, Behandlung und Betreuung von Notfallpatienten. Aus gesundheitspolitischer Betrachtung werden hierdurch falsche Anreize für die Rettungsdienstorganisationen gesetzt. Eine denkbare und potenzielle Abhilfe könnte die Einführung der sogenannten Rettungsdienst Diagnosis Related Group , kurz R-DRG sein.
Textprobe: Kapitel 3, Pay for Performance: ‘Wer zusätzlich Qualität haben will, muss sie bezahlen.’ Dies waren die Worte von Georg Baum, Leiter der Unterabteilung Gesundheitsversorgung im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Nach dem Institut für Patientensicherheit gab es im Jahr 2010 über 11 000 Antragstellungen zur Überprüfung von Behandlungsfehlern. Hätten diese Behandlungsfehler durch eine leistungsorientierte Vergütung vermieden werden können? Diese Frage kann nicht beantwortet werden. Aber es soll aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten, Chancen und Risiken eine leistungsorientierte Vergütung unter anderem im Rettungsdienst mit sich bringen würde. 3.1, Begriffsdefinition: Wenn Vergütungsregeln für medizinische Leistungen festgelegt werden, ist damit immer auch ein gewisses Maß an strategischer Lenkung verbunden. Der Kerngedanke, durch eine leistungsorientierte Vergütung die Versorgungsqualität zu steigern, stellt hierbei keinen neuen Ansatz dar. Eine leistungsorientierte Vergütung, auch Pay for Performance genannt, kann in zwei Formen unterschieden werden. Zum einen gibt es die prospektive Vergütung von medizinischen Leistungen und zum anderen die retrospektive Vergütung, bei der erst durch Nachweis bzw. Messung der erbrachten Leistung die Vergütung festgelegt wird. Pay for Performance kann wie folgt definiert werden: ‘Unter Pay-for-Performance versteht man eine spezielle strategische Form der Vergütung. Pay-for-Performance-Verfahren koppeln die Vergütung von Versorgern im Gesundheitswesen an das von diesen erbrachte, durch Kennzahlen dargestellte Leistungsniveau. Durch differenzierende finanzielle Anreize sollen Versorger motiviert werden, ihre Versorgungspraxis im Hinblick auf Qualität und Effizienz des Gesundheitssystems nachhaltig und umfassend zu optimieren und weiterzuentwickeln.’ Pay for Performance hat derzeit im Gesundheitswesen Hochkonjunktur. Vor allem findet eine leistungsorientierte Vergütung im angelsächsischen Raum Anwendung. Hier liegt eine Vielzahl von sehr bekannten und kreativen Projekten vor. Die meisten Projekte finden ihre Anwendung nach wie vor im hausärztlichen Setting. Beispielhaft könnte hier das Quality and Outcomes Framework (QOF) in Großbritannien, das umfangreiche hausärztliche P4P-Projekt der Integrated Healthcare Association (IHA) in Kalifornien, aber auch das Practice Incentive Program (PIP) aus Australien genannt werden. Allesamt betrachten dabei überwiegend Prozess- und Strukturindikatoren, nur wenige fokussieren die Ergebnisindikatoren. Bislang werden meist auf Basis etablierter Vergütungen im Rahmen von Fall- und Kopfpauschalen finanzielle Anreize in Form von Zu- und Abschlägen bei der Erreichung bestimmter Performancescores verwendet. Im Folgenden soll daher zunächst auf die einzelnen Vergütungsformen eingegangen werden. 3.1.1, Kopfpauschale: Die Kopfpauschale vergütet die erbrachte medizinische Leistung des Arztes pro Patient, zu der er vertraglich verpflichtet ist und aus der alle entstehenden finanziellen Kosten gedeckt werden müssen. Eine solche Vergütungsform findet bereits Anwendung im National Health Service (NHS) in Großbritannien. Hierbei findet eine Risikoadjustierung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Morbidität des Patienten statt und werden somit bei der Höhe der Kopfpauschale mit berücksichtigt. Durch diese Vergütungsform soll der Leistungserbringer motiviert werden, möglichst effizient vorzugehen und nur die Leistung zu erbringen, die er zum einen selbst erbringen kann und zum anderen für tatsächlich erforderlich hält. Hinzu kommt, dass eine hohe Kontinuität der Patientenbetreuung im Bereich der Verwaltung relativ einfach gestaltet ist. Jedoch besteht die Gefahr darin, dass die Kopfpauschale die notwendigen Kosten auf andere Leistungsbereiche verlagert, notwendige medizinische Leistungen für den Patienten abgelehnt werden und es zu einer Risikoselektion bei chronisch kranken Patienten führt. Zwar ist ein gesunder Patient für den Arzt profitabler, nichtsdestotrotz kann dieses Risiko minimiert werden. So hat der Kostenträger die Möglichkeit, Qualitäts- und Servicekontrollen durchzuführen und diese zu veröffentlichen oder an das Vergütungssystem zu koppeln. Insofern erhalten Leistungserbringer, welche ihre Patienten schlecht oder ineffizient versorgen, Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Leistungserbringern. Letztlich kann gesagt werden, dass eine Vergütung in Form einer Kopfpauschale in Bezug auf die Kosten und Qualität der Versorgung eine gute Möglichkeit darstellt. 3.1.2, Fallpauschale: Bei der Fallpauschale erhält der Arzt hingegen für jeden behandelten Patienten eine Grundpauschale. Aufgrund der Abgrenzungsproblematik in Hinsicht auf die Falldefinition finden Fallpauschalen im ambulanten Sektor nur bedingt Anwendung. Fallpauschalen treten somit primär bei der stationären Versorgung auf. Ebenso wie bei der Kopfpauschale findet eine Adjustierung in Bezug auf Alter, Prozedur und Krankheitsintensität Berücksichtigung. Das Morbiditätsrisiko hingegen wird in diesem Fall von den Kostenträgern, ein Mehr- oder Minderaufwand pro Patient vom Leistungserbringer getragen. Bei dieser Form der Vergütung liegen keine Anreize darin, die medizinische Leistung auszuweiten. Jedoch besteht die Gefahr, dass zusätzlich entstehende Behandlungsaufwendungen auf andere Bereiche abgewälzt werden. 3.1.3, Einzelleistungsvergütung: Bei der Einzelleistungsvergütung erhält der Leistungserbringer für jede erbrachte Leistung eine feststehende Vergütung. Ein einkommensmaximierend orientierter Arzt wird versuchen, die Einzelleistungen zu erhöhen, indem er seine Fallzahlen steigert und unnötige Behandlungsleistungen ansetzt. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass Ärzte dazu neigen Leistungen, bei denen die Preise höher sind als die Kosten, zu bevorzugen. Als positiver Aspekt kann hier die Steigerung der Produktivität der Ärzte bzw. Leistungserbringer genannt werden. Zusätzlich steht die Leistungsorientierung im Mittelpunkt. 3.1.4, Erfolgsorientierte Vergütung: Eine erfolgsorientierte Vergütung für die Leistungserbringer bemisst sich nach dem Erfolg deren Tätigkeit. Bei dieser Vergütungsform kann davon ausgegangen werden, dass die Qualität der Versorgung optimiert wird, weil sich die Interessen zwischen Arzt und Patient decken. Zusätzlich erhält der Patient eine höhere Transparenz über die Leistungsqualität des Arztes. Grundlage bilden sogenannte Erfolgsindikatoren, die zur Messung des Erfolgs der Behandlung geeignet sind. Sie stellen aber zugleich auch die größte Herausforderung dar. Zum einen müssen sie das gewünschte Gesundheitsergebnis präsentieren und zum anderen müssen sie durch die Leistungsanbieter kontrolliert werden können. Da jedoch das Behandlungsergebnis nicht nur von den Anstrengungen des Arztes, sondern auch von der Bereitschaft des Patienten abhängig ist, gestaltet sich dies äußerst schwierig. Genau in diesem Bereich findet ein Konflikt statt. Je enger die Erfolgsindikatoren vom Gesundheitsergebnis abhängig sind, desto weniger können diese von den Leistungsanbietern kontrolliert werden und andersherum. Häufig wird deshalb in der Praxis auf sogenannte Prozessindikatoren zurückgegriffen. Sie beschreiben dabei beispielsweise die Anzahl der durchgeführten Früherkennungsuntersuchungen oder den Prozentsatz von Diabetespatienten.
Sebastian Herbinger, Jahrgang 1986, ist Gesundheitsökonom (M.Sc.) und Rettungsassistent. Bereits seine erste Publikation beschäftigte sich mit den Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Rettungsdienst in seinem Heimat-Bundesland Baden-Württemberg. In seinem zweiten Buch betrachtet er die Finanzierungsstruktur des deutschen Rettungswesens und entwickelt in diesem Zusammenhang die sogenannte Rettungsdienst-DRG als neue Währung.