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- Multiplikatoren – Mogelpackung oder Wunderwaffe? Was das Multiplikatorenprinzip in der betrieblichen Bildung tatsächlich leisten kann
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Wettbewerbsdruck auf Unternehmen verschärft sich in zunehmendem Maße. Sie müssen wirksam, strategisch und kostengünstig investieren, wenn sie dauerhaft am Markt bestehen wollen. Dabei hängt ihr Überleben immer mehr von qualifizierten Mitarbeitern ab. Lebenslanges Lernen ist in aller Munde. In diesem Zusammenhang taucht regelmäßig der Begriff des Multiplikatorenansatzes auf. Dieses Prinzip verspricht eine rasche und flächendeckende, aber vor allem wirtschaftlich günstige Verbreitung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten innerhalb von Betrieben. Dieses Buch untersucht, was ein Multiplikator überhaupt ist und inwiefern der Multiplikatorenansatz unter Beachtung erwachsenenpädagogischer Grundsätze als Instrument der betrieblichen Bildung genutzt werden kann. Vor diesem Hintergrund werden Arbeitsprozesse, Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen hinsichtlich ihrer Lernförderlichkeit für den einzelnen Mitarbeiter sowie den gesamten Betrieb erörtert. Die dargestellten Möglichkeiten und Einschränkungen des Multiplikatorenansatzes werden praxisnah am Beispiel der stationären Altenpflege mit ihren berufsspezifischen Anforderungen kritisch reflektiert. Daraus folgt eine abschließende Bewertung des Einsatzes von Multiplikatoren als Option für betriebliche Bildungsprozesse mit einer Einschätzung des tatsächlichen Leistungsspektrums und den dafür erforderlichen Rahmenbedingungen.
Textprobe: Kapitel 3.3, Externe Dozenten versus Multiplikatoren: Organisiertes Lernen findet herkömmlicherweise in Seminaren oder Workshops statt. Diese können unter der Leitung professioneller Dozenten als betriebsexterne oder als Inhouse-Veranstaltungen organisiert sein. Für die Teilnehmer externer Seminare liegen die Vorzüge darin, dass sie sich außerhalb der Kontrolle durch andere Kollegen oder Vorgesetzte befinden. Sie können aufgrund der vorherrschenden Anonymität im sanktionsfreien Raum ungehemmter über Probleme und Unsicherheiten sprechen, einen Rollenwechsel ausprobieren oder unbemerkt fachliche Defizite beheben. Weiterhin kann man sich mit fremden Menschen austauschen und nützliche Kontakte knüpfen, neue Sichtweisen und Argumente kennen lernen und den Blick über den eigenen Tellerrand wagen. Im Bereich der Methoden lassen sich auch ungewohnte Herangehensweisen einsetzen, was in Teams, die später wieder zusammen arbeiten sollen und bereits feste Rollenstrukturen etabliert haben, nicht unbedingt einfach oder empfehlenswert ist. Inhouse-Seminare mit externen Dozenten weisen ähnliche Effekte auf, die jedoch in kleinen oder mittleren Betrieben geringer ausgeprägt sind, da sich die Mitarbeiter im Großen und Ganzen kennen (VGL. WARHANEK S. 67FF). Grundsätzlich stellt das Lernen in seminaristischer Form neben der Abwechslung zu gewohntem Arbeitsalltag und Arbeitsumgebung eine Ausnahmesituation für die Lerner dar – sie erfahren neue Freiheiten, aber auch Unsicherheit. Diese womöglich krisenhafte Situation ist gleichwohl ein wichtiger Bestandteil des individuellen Lernprozesses (VGL. LANGMAACK / BRAUNE-KRICKAU S. 113), denn: ‘Jeder Lernvorgang erstrebt und erfordert eine Bewusstseinserweiterung.’ (BROCHER S. 22). Leider ist nicht nur in der Führungsetage, sondern gerade auch bei Mitarbeitern die Neigung festzustellen, dass als nicht unmittelbar beruflich verwertbar zu identifizierende Bildungsinhalte auf Unverständnis treffen und als unbrauchbar oder überflüssig eingestuft werden (VGL. KLAUS S. 150). Dies liegt daran, dass das Weiterbildungsinteresse der meisten berufstätigen Personen im Regelfall handlungs- und problemlösungsorientiert ist (VGL. SEVERING 2005 S. 22). Professionelle Dozenten als Experten ihres Themengebiets können aus einem umfangreichen Kenntnisfundus schöpfen und gezielt auf ausgewählte Teilnehmerbedürfnisse eingehen und trotzdem Bereiche ansprechen, welche nicht im vordringlichen Interesse stehen, aber als Grundlagenwissen einfach dazu gehören. ‘Die Reduktion auf zentrale Punkte … des Lernstoffs gelingt nur dann, wenn der Lehrende über ein großes Fachwissen verfügt.’ (ECKHOFF S. 49). Hausinterne Multiplikatoren hingegen müssten sich extrem intensiv mit einem Fachgebiet auseinandergesetzt haben und über einen umfangreichen Erfahrungsschatz verfügen, um diesem Anspruch ebenfalls genügen zu können. Wenn jemand allerdings nur Halbwissen besitzt, besteht die Gefahr, dass es maximal als Viertelwissen bei den Kollegen ankommt. Grund dafür ist, dass Lernen durch Wahrnehmung beeinflusst wird. Wahrnehmung ist jedoch nicht das Aufnehmen einer objektiven Realität, sondern ein selektiver Vorgang innerhalb des einzelnen Menschen, der die auf ihn einströmenden Informationen filtert, als wichtig oder weniger wichtig einstuft, einige Aspekte ausblendet und andere, bereits früher abgespeicherte Aspekte wiederum hinzufügt. So konstruiert jeder Mensch seine eigene Realität. Wenn auf einen Menschen ungewohnte Eindrücke einströmen, werden zuallererst die neuen Informationen vertrauten Mustern und Erfahrungen zugeordnet, möglicherweise auch so zurechtgebogen, dass sie in diese Muster passen. Da die Muster mit bestimmten Empfindungen verknüpft sind, ist dieser Vorgang stark emotionsgefärbt. Zudem spielen eigene Interessen und Bedürfnisse sowie Werte und Normen eine große Rolle (VGL. LANGMAACK / BRAUNE-KRICKAU S. 104FF). ‘Von Bedeutung ist nur das, was für den einzelnen mit seiner bisherigen Erfahrungs- und Erlebniswelt übereinstimmt.’ (ZIT. N. KNOWLES IN BROCHER S. 111). Da hausinterne Multiplikatoren selbst Mitglieder der gleichen Organisation sind, verfügen sie vermutlich über ähnliche blinde Flecke wie ihre Kollegen. Viele Weiterbildungsinhalte bedingen freilich die Reflexion und möglicherweise auch eine Reorganisation bestehender Arbeitsprozesse. Es muss also ein gewisses Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen existieren. Aber Menschen gewöhnen sich an noch so ungünstige Arbeitsbedingungen und nehmen diese nach einer gewissen Zeit häufig gar nicht mehr wahr – es gibt als Phänomen die sogenannte ‘…«Tendenz zum problemlosen Feld» …, die durch Mechanismen der Wahrnehmungsabwehr unterstützt wird.’ (ULICH 1994 S. 356). Dies behindert die Übertragung von Weiterbildungsinhalten in die reale Arbeitssituation, weil dadurch möglicherweise Routineabläufe gestört werden, die keiner jemals als unangemessen hinterfragt hat. Somit entwickelt sich eine Betriebsblindheit, welche Wissen zunehmend erstarren lässt (VGL. PROBST / RAUB / ROMHARDT S. 179). Es lassen sich also ganz klare Einschränkungen für die Erfolgsaussichten hausinterner Multiplikatoren erkennen. Darüber hinaus kann der ausschließliche und flächendeckende Einsatz einer einzigen Lehrmethode den unterschiedlichen Lernansprüchen, Kompetenzformen und Lerntypen der verschiedenen Mitarbeiter nicht gerecht werden (VGL. GOLLIAN S. 9). ‘Je rigider Trainingsprogramme angelegt werden, desto wahrscheinlicher ist ihr Mißerfolg.’ (FAULSTICH S. 129F). Die Praxis hat erwiesen, dass sich eine ausdifferenzierte Kombination verschiedener Lernformen als besonders lernförderlich auswirkt. So sollte ein Unternehmen darauf achten, einen ausgewogenen Mix aus organisiertem und arbeitsplatznahem Lernen anzustreben (VGL. DICK ET AL. S. 4). Für welche Herangehensweise sich einzelne Unternehmen auch entscheiden, bei der Organisation jedweder Art von betrieblichen Bildungsprozessen müssen erwachsenenpädagogische Grundaussagen berücksichtigt werden, um Fehlinvestitionen aufgrund falscher Annahmen zu Lehr-Lern-Prozessen zu verhindern.
Regine Kuglstatter wurde 1965 in München geboren. Zwischen den Abschlüssen als Fremdsprachenkorrespondentin 1988 und als Übersetzerin 1992 verbrachte sie 2 Jahre in Südengland und Südfrankreich. Danach absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete 8 Jahre in einer Einrichtung der neurologischen Frührehabilitation für Schädel-Hirn-Geschädigte sowie in einer geriatrischen Rehabilitationsabteilung. Zur Erweiterung ihrer fachlichen Qualifikationen studierte sie Pflegewissenschaften mit dem Schwerpunkt Bildung und Beratung an der EFH Darmstadt und schloss 2003 mit ihrem Diplom ab. Seit 2004 ist sie als Qualitätsmanagementbeauftragte und Verantwortliche für die innerbetriebliche Fort- und Weiterbildung für zwei Wiesbadener Alten- und Pflegeheime beschäftigt. Um ihre pädagogischen Kenntnisse und Fähigkeiten abzurunden, studierte sie von 2009 bis 2012 Erwachsenenbildung an der Technischen Universität Kaiserslautern und beendete diesen Fernstudiengang als M.A. der Sozialwissenschaften. Im Laufe ihres Berufslebens kam sie immer wieder mit einem Phänomen der betrieblichen Bildung, der Wissensweitergabe durch Multiplikatoren, und seinen mitunter willkürlichen Anwendungsformen in Kontakt. Die berufliche Verschränkung ihrer Arbeitsbereiche Qualitätsmanagement und Pädagogik veranlasste sie nun, im vorliegenden Buch dem Multiplikatorenansatz auf den Grund zu gehen und sich anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse mit seinen Einsatzmöglichkeiten im Rahmen qualitativ hochwertiger Bildungsprozesse auseinander zu setzen.
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