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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Abb.: 3
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem aktuell zu beobachtenden Phänomen einer Abwanderung türkeistämmiger Akademiker aus Deutschland in die Türkei. Die Autorin geht dabei der Frage auf den Grund, ob die gegenwärtige Migration als ein endgültiger Rückzug Türkeistämmiger in die Türkei oder aber als strategische Lebensweise zwischen und über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg zu verstehen ist. Hierzu setzt sie sich kritisch mit der medialen Darstellung des Phänomens in Artikeln ausgewählter Onlinezeitungen sowie mit den Theorien klassischer Migrationsforschung auseinander. Fokussiert werden dabei insbesondere Begriffe wie Rückkehr, Heimat und Verlust. Durch eine die Studie auszeichnende moderne migrationswissenschaftliche Perspektive und ein postnationales Verständnis von Zugehörigkeit und Identität werden Theorien zur Transmigration sowie Konzepte zur pluri-lokalen Heimatverortung als Erklärungsansätze in den Mittelpunkt gerückt.
Textprobe: Kapitel 9.3, Die Chance im ‘Verlust’: Wie nun dargelegt, gehen die TA laut Darstellung der Artikel als Humankapital und Vorbilder verloren. Bezüglich des Verlustes an Humankapital drängen sich mir einige Fragen auf: Müssen sich die TA einem Staat als ‘Humankapital-Lieferant’ verpflichten? Wem gehört das Humankapital? Wer darf über das Humankapital anderer bestimmen? Hat die Türkei nicht genauso ein Anrecht auf das Humankapital der Türkeistämmigen? Ist Humankapital nur auf eine geographisch abgrenzbare Volkswirtschaft beschränkt? Sind die Verluste von Humankapital oder Investitionen in dieses tatsächlich Verluste für die deutsche Volkswirtschaft? Teile dieser Fragen scheinen eher philosophischer Natur und sind im Rahmen dieser Studie nicht zu beantworten. Es wird aber eindeutig klar, dass Humankapital als etwas verstanden wird, dass an die Volkswirtschaft einer Nation gebunden ist. Dennoch gibt es einige Hinweise in den Artikeln darauf, dass in den offensichtlichen Verlusten auch Chancen stecken. Denn vom Humankapital der TA können grenzüberschreitend sowohl die Türkei als auch Deutschland als Volkswirtschaften profitieren: ‘‚Wir haben deutsche Tugenden, die hier fehlen - Genauigkeit, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, und als Fliesenlegermeister kann ich anders als die hiesigen Kollegen technisch zeichnen und rechnen‘. Das schlägt durch. Bald will er einen Lehrbetrieb aufmachen, nach deutschem Vorbild Lehrlinge ausbilden.’ (Erkan Balkis, Welt Online). ‘‚Es gibt dort (Türkei, Anm. L.B.) inzwischen 4000 deutsche Unternehmen und mehr als 20.000 internationale Firmen‘.’ (Ediz Bökli (Personalberater), Sueddeutsche.de). ‘‚Wir arbeiten gerade an einem Großprojekt‘ (…) Da gab es 30 externe Consulting-Firmen (…) die meisten Berater Amerikaner, Kanadier, Engländer. ‚Ich habe bewirkt, dass sie alle gegen deutsche Berater ausgetauscht wurden. Die sind viel kreativer, flexibler (…) und ich kann mit den Deutschen einfach besser‘.’ (Durul Kusdemir, Welt Online). ‘Inzwischen leitet Akkaya ein deutsch-türkisches Beratungsunternehmen in Istanbul.’ (Holzmüller, Sueddeutsche.de). ‘Akkaya betreibt ein PR-Unternehmen, arbeitet vor allem für deutsche Firmen, unter anderem auch für das Auswärtige Amt.’ (Peters, Welt Online). ‘(…) heute arbeitet sie für die deutsche Firma Telc, ein Tochterunternehmen des Deutschen Volkshochschulverbandes (…)’. (Peters über Alev Karatas, Welt Online). ‘Abaci ist IT-Spezialistin bei Mercedes vor den Toren Istanbuls.’ (Thumann über Ayca Abaci, Zeit Online). ‘Mittlerweile arbeitet sie in einem großen amerikanischen Immobilienunternehmen.’ (Jacobsen über Emine Sahin, Spiegel Online). ‘Heute leitet er von Istanbul aus das Marketing der deutschen Siemens-Tochter Osram in der Türkei (…).’ (Jacobsen über Volkan Callar, Spiegel Online). ‘Am Ende lehrte Dönmez (…) Deutsch für Migranten. Das macht sie nebenbei auch in Istanbul, beim Goethe-Institut.’ (Thumann über Sükriye Dönmez, Zeit Online). ‘Außerdem: viele deutsche Rückkehrer arbeiten bei den 2000 deutschen Firmen, die in der Türkei aktiv sind. Mit anderen Worten, Erfolg für die Rückkehrer ist auch ein Erfolg für Deutschland, irgendwie.’ (Kálnoky, Welt Online). Die TA können in der Türkei ihre Bikulturalität und -lingualität als Joker ausspielen. Und nicht nur sie profitieren von diesem Joker: Qualifikation und Know-How wird durch die Mobilität der TA ‘importiert’ und verschafft der türkischen Volkswirtschaft einen ‘Brain-Gain’. Des Weiteren arbeiten die TA - bis auf zwei Ausnahmen - in einigen der in Istanbul ansässigen deutschen und türkischen international tätigen Unternehmen, die vor allem deutsche Kunden haben oder mit deutschen Geschäftspartnern zusammenarbeiten (siehe: Tabelle 3, Anhang). Durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit werden die Arbeitsmärkte und Wirtschaftszonen beider Nationen - und noch vielen mehr darüber hinaus - verbunden. In diesem Sinne können deutsche Unternehmen beziehungsweise die deutsche ebenso wie die türkische Volkswirtschaft von der Migration der TA profitieren. Demnach gehen die TA der deutschen Volkswirtschaft höchstens als Steuerzahler, nicht aber als Humankapital verloren. Was den Verlust von Vorbildern betrifft, möchte ich an dieser Stelle noch folgendes erwähnen. Ganz sicher birgt die Migration der TA die Gefahr eines Teufelskreises, wie in den von mir oben genannten Konsequenzen dargelegt. Überspitzt könnte man sogar sagen, dass eine Integration tatsächlich gescheitert ist. Denn versteht man Integration als einen reziproken Prozess, der Bemühungen und Anerkennung von beiden Seiten aus vorsieht (Riegel, 2009), so ist mit der fehlenden Anerkennung und der Antwort darauf in Form der Abwanderung der TA der Integrationsprozess als gesamter gescheitert. Auf der anderen Seite kann die Migration der TA meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang aber auch eine Chance darstellen. Die TA können im Zuge ihrer Migration als Vorbilder eines transkulturellen Lebens fungieren und somit für die Verbleibenden Impulse für einen konstruktiven Umgang mit Ambivalenzen aufgrund von Mehrfachzugehörigkeit setzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mehrfachzugehörigkeit unter den Verbleibenden nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrgenommen wird, würde sich erhöhen (vgl. Mecheril, 1994: 79 f.).
Lisa Brach, Jahrgang 1987. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Universität Siegen schloss die Autorin im Jahr 2011 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Während des Studiums galt ihr besonderes Interesse soziologischen Perspektiven auf Migrations- und Integrationsprozesse. Neben einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Russland absolvierte sie ein Auslandssemester in der Türkei, während dessen die Motivation entstand, sich mit der Thematik der vorliegenden Studie zu beschäftigen. Derzeit ist die Autorin als Sozialarbeiterin im Anerkennungsjahr im Interkulturellen Dienst der Stadt Köln tätig.
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