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- Zur Sozialisation Jugendlicher in ländlichen Vereinen: Eine qualitative Studie am Beispiel einer niedersächsischen Bauerschaft
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Untersuchung geht von der Einschätzung aus, dass die Fragestellung der Bedeutung von Vereinen für die Sozialisation von Jugendlichen im ländlichen Raum kein hohes Forschungsinteresse in den Sozialwissenschaften genießt. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, soll die Bedeutung der Vereine als tertiäre Sozialisationsinstanzen im ländlichen Raum sowohl anhand des aktuellen Forschungsstandes als auch aus der Perspektive der involvierten Jugendlichen analysiert werden. Dies erfolgt mittels einer qualitativ orientierten empirischen Studie, in deren Verlauf leitfadengestützte Jugendinterviews mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht werden. Der Fokus liegt hierbei auf den Analysemerkmalen Motivation, Integration, Verhältnis zu Erwachsenen, Engagement, Leistung, Bedeutung sowie der Gegenüberstellung von Traditions- und Sportvereinen. Die Vereine werden hierbei als ambivalente Handlungsfelder für Jugendliche aufgefasst, in denen sie einerseits formell mit den Erwachsenen gleichgestellt sind und erweiterte Handlungsspielräume und Autonomiegewinne erfahren, andererseits jedoch in von Erwachsenen geleiteten Interaktionszusammenhängen einen Teil dieser Autonomie wieder abtreten müssen. Das Thema wird in einem modernisierungstheoretischen Kontext verortet, der Wandel des ländlichen Raums und seines Vereinswesens, das im sozialwissenschaftlichen Diskurs konstruierte Bild der Landjugend sowie das Spannungsverhältnis zwischen städtisch geprägten modernen Lebensstilen und bäuerlichen Traditionen werden rekonstruiert und analysiert.
Textprobe: Kapitel I-2.3, Der Verein als Jugendsozialisationsinstanz: Unter jugendsozialisationstheoretischen Gesichtspunkten kommt den Vereinen eine Sonderstellung zu: Zunächst lassen sie sich aufgrund ihres Status als formelle und soziale Freizeitorganisationen den tertiären Sozialisationsinstanzen zuordnen. Sie stellen einen spezifischen Modus der Vergesellschaftung dar zwischen Familie, Freundschaft und Peer-Group auf der einen und großen Verbänden, der Sphäre der Arbeit und dem Bereich des Marktes auf der anderen Seite. Angesichts der in den vorigen Kapiteln dargestellten Kommerzialisierung und der vor allem in ländlichen Vereinen üblichen familiären Einbindung bleibt festzustellen, dass sich diese Sphären zum Teil im Verein eine Schnittmenge finden können. Da die Mitgliedschaft in einem Verein per Definition freiwillig ist, impliziert sie ein Einverständnis in die Unterordnung des Individuums gegenüber der Vereinshierarchie und den vereinsspezifischen Regeln. In diesem Punkt unterscheidet sich eine Vereinsmitgliedschaft auch von der informellen Peergroup-Interaktion Jugendlicher: Die Gruppe der Gleichaltrigen gewährt Autonomie und 20 vollwertige Teilnahmechancen und ist explizit nicht von Erwachsenen dominiert oder geleitet. Zwar lassen sich die gleichaltrigen Vereinskameraden eines Jugendlichen seiner jeweiligen Peergroup zuordnen, doch parallel muss ein Teil der gewonnen Autonomie an den Verein bzw. die dortigen, zumeist erwachsenen, Aufsichtspersonen abgetreten werden. Gleichzeitig gewinnen sie einen erweiterten Handlungsspielraum, da sie kraft Vereinssatzung zumindest formell den erwachsenen Mitgliedern gleichgestellt sind. Vereine sind aus jugendsozialisatorischer Perspektive erwachsenengeleitete und -kontrollierte tertiäre Sozialisationsinstanzen, in deren Rahmen eine aktivitätsbezogene und spezifischen Regeln gehorchende Peergroup-Interaktion stattfindet. Die Vereinsinteraktion ist freiwillig, interessengeleitet und auf spezifische, den Mitgliedern Lust bereitende und gesellig organisierte Aktivitäten ausgerichtet, daher geht sie in der Regel mit einem hohen Maß an Motivation einher. Zugleich findet hier eine Gleichschaltung dieser zur Mitgliedschaft motivierenden Interessen statt, Eigeninteresse und Vereinsinteresse können sich gegenläufig entwickeln, das Individuum muss sich der Verengung seiner Bedürfnisse durch den Verein unterordnen. Dies lässt sich anhand des bereits in den vorigen Kapiteln referierten Wandels der Vereinsausrichtungen und der damit einhergehenden Anforderungen an seine Mitglieder erläutern. Für jugendliche Vereinsmitglieder vollzieht sich dieser Wandel für gewöhnlich zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr: Die Vereinsaktivitäten verlieren ihren unverbindlichen Treffpunktcharakter, durch eine zunehmende Wettbewerbsorientierung treten die Aspekte Leistung und Konkurrenz in den Vordergrund. Dies gilt insbesondere für Sportvereine, doch auch in anderen Vereinsarten kann eine solche altersbedingte Neuausrichtung erfolgen. Besagte Neuausrichtungen können auf Jugendliche eine abschreckende Wirkung entfalten, da sie gleichzeitig mit erhöhtem Wettbewerbsdruck und einem weitere Autonomieverlust verbunden sind. Sie müssen den neuen Leistungsanforderungen nachkommen und werden entsprechend selektiert, der Verein kann seinen Mitgliedern die Bedürfnisbefriedigung vorenthalten. Zwar sind per Definition Vereinsziele und damit auch Vereinsanforderungen durch die Mitglieder modifizierbar, doch in Bezug auf Jugendliche findet dies eher selten statt, wie sich anhand der Austrittswellen in den oben genannten Altersgruppen belegen lässt. Da die Schlüsselpositionen des Vereins von Erwachsenen besetzt werden, sind die Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten Jugendlicher zumeist von eingeschränkter Natur. Neben der Anpassung an die Vereinsinteressen bleibt lediglich die Handlungsoption der Resignation und damit des Vereinsaustritts.
Bartels-Juretzki, 1980 in der BRD geboren, lebt und arbeitet in Bremen. Der Diplom-Sozialwissenschaftler studierte an der Carl-von-Ossietzki-Universität Oldenburg und schloss sein Studium im Jahr 2011 ab. Zu seinen Studienschwerpunkten zählten Jugend-, Medien- und Kriminalsoziologie sowie internationale Politik und Parteienforschung.
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