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Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ein Sofa mitten im Büro, ein Meetingraum, in dem man sich wie auf dem Sportplatz fühlt, Flure und Pausenräume, die gemütlicher sind als so manches heimische Wohnzimmer: Es hat sich etwas verändert in der Arbeitswelt von heute. Viele Aspekte des privaten Lebensbereiches haben Einzug in die Betriebe gefunden. Begleitet wird dies von zahlreichen betrieblichen Maßnahmen wie etwa flexiblen Arbeitszeiten, weitreichenden Angeboten zur Gesundheitsförderung und betriebsinternen Angeboten, die sich positiv auf die Work-Life-Balance der Beschäftigten auswirken sollen. Diese fürsorglichen Angebote und die auffallend freiheitliche Arbeitskultur führen jedoch nicht nur zu positiven Effekten wie einer erhöhten Motivation und einem höheren arbeitsbezogenen Wohlbefinden. Vielmehr kann man die betrieblichen Work-Life-Balance-(WLB-)Angebote auch als Ausdruck einer Erosion der Grenze von Arbeit und Privatleben betrachten. Trägt diese neue schöne Arbeitswelt am Ende dazu bei, die Beschäftigten zu mehr Arbeit zu verführen? Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die auf den ersten Blick so mitarbeiterfreundlich wirkenden WLB-Maßnahmen das Potenzial haben, die Arbeitszeit der Beschäftigten unbemerkt zu verlängern und diese fest an das Unternehmen zu binden. Doch wie erleben die betroffenen Beschäftigten die zahlreichen betrieblichen Annehmlichkeiten? In der vorliegenden Studie wird die schöne neue Arbeitswelt der IT-Unternehmen in Hinblick auf das subjektive Entgrenzungserleben der Beschäftigten untersucht. Hierfür sind in zwei internationalen IT-Konzernen problemzentrierte Interviews geführt worden. Ein Vergleich der Ergebnisse mit Goffmans Konzept der totalen Institution zeigt deutliche Unterschiede. Dennoch sind auch in den untersuchten Unternehmen insofern vereinnahmende Tendenzen festzustellen, als dass die zahlreichen WLB-Angebote durch eine Motivationserhöhung und ein verstärktes Verpflichtungsgefühl zu einem größeren Arbeitseinsatz und zu längeren Arbeitszeiten zu führen scheinen.
Textprobe: Kapitel 4. Methodisches Vorgehen: Das folgende Kapitel widmet sich dem methodischen Vorgehen, das für die vorliegende Forschungsarbeit gewählt wurde. Dabei sollen unter anderem die Gründe für die Wahl eines qualitativen Verfahrens geschildert und die qualitativen Gütekriterien vorgestellt werden. Des Weiteren werden der Forschungsprozess und insbesondere das Forschungsfeld genauer erläutert. 4.1. Wahl eines qualitativen Forschungsdesigns: Die Wirkung der betrieblichen Angebote und der flexiblen, selbstbestimmten Arbeitsgestaltung ist bislang im New Business kaum vor dem Hintergrund eines Entgrenzungserlebens erforscht worden. Die vorliegende Studie soll auf diesen Forschungsbedarf eingehen, indem sie durch den direkten Kontakt mit den Betroffenen das Erleben und die relevanten Aspekte der Entgrenzung in den Arbeitsparadiesen exploriert. Diese Studie beschäftigt sich folglich nicht mit der objektiven, quantitativ gut zu erfassenden reinen Angebotsnutzung. Vielmehr liegt der Interessensschwerpunkt auf den latenten Motiven der Angebotsnutzung, dem individuellen Verhältnis von Arbeit und Privatleben sowie dem subjektiven, gefühlsbezogenen Erleben der schönen neuen Arbeitswelt (Huxley, 2013), welche zahlreiche Entgrenzungstendenzen aufweist. Dies lässt sich meines Erachtens nicht durch quantitative Verfahren erfassen, sondern muss im persönlichen Dialog mit den Gesprächspartnern und Gesprächspartnerinnen ergründet werden. Insbesondere, da im Hinblick auf den aktuellen Stand der Forschung davon auszugehen ist, dass individuelle Präferenzen bei der Nutzung der Angebote und ihrer Bewertung eine große Rolle spielen und sich auch die spezifische Lebenssituation der Beschäftigten in besonderer Weise auf ihre Meinungen zu der Thematik auswirkt. Folglich handelt es sich bei der Angebotsnutzung und dem Entgrenzungserleben im Arbeitsparadies um ein äußerst komplexes Konstrukt, das sich durch einen quantitativen Ansatz nur schwer in seiner Gänze erfassen ließe. Neben diesen der Fragestellung inhärenten Gründen ist die Entscheidung für ein qualitatives Vorgehen in dieser Studie auch aufgrund einiger erkenntnistheoretischer Probleme der quantitativen Sozialforschung getroffen worden. So werden die zum Erkenntnisgewinn führenden Fragen bei einer quantitativen Studie bereits im Vorhinein durch die Forschenden auf der Basis bisheriger Forschungsergebnisse und -theorien ausgewählt, kategorisiert und meist mit einer Skala als Antwortformat versehen. Die Items werden also deduktiv vorgegeben, das heißt, dass von allgemeinen wissenschaftlichen Grundlagen Rückschlüsse auf den Einzelfall beziehungsweise die Befragten gezogen werden. Dabei ergibt sich die Problematik, dass diese Items, die ohne Einbezug der Menschen, denen das Forschungsinteresse gilt, vorformuliert wurden, nicht unbedingt dem Relevanzsystem der Befragten entsprechen (Helfferich, 2011, 114 f.). Infolgedessen könnten wichtige neuartige Erkenntnisse, die in einem offenen Interview aufgedeckt würden, unter Umständen verborgen bleiben. Bei dem in dieser Studie verwendeten qualitativen Ansatz wird hingegen bewusst darauf verzichtet, die Komplexität im Vorhinein einzugrenzen. Dadurch können Hintergründe zur Nutzung der betrieblichen Angebote aufgedeckt werden und Erkenntnisse zum Verhältnis der Arbeits- und Lebenswelt der Beschäftigten gewonnen werden (Kühn, 2005, 9 f.). Darüber hinaus kann es bei einem quantitativen Vorgehen in der Sozialforschung leicht zu unbemerkten Missverständnissen kommen, da es aufgrund der unausweichlichen Vagheit der Sprache (Garfinkel, 1980) trotz identischer Formulierungen zu unterschiedlichen Deutungen kommen kann, weil diese vor dem lebensweltlichen Hintergrund der Beteiligten erheblich variieren können. Während diese Schwierigkeit in quantitativen Verfahren verdeckt bleibt, wird sie bei einem qualitativen Verfahren offen thematisiert. 4.2. Gütekriterien der qualitativen Forschung: Die qualitative Sozialforschung basiert auf dem interpretativen Paradigma, das davon ausgeht, dass jede Interaktion als interpretativer Prozess zu begreifen ist, dessen Sinn nicht fest vorgegeben ist, sondern variiert und ständigen Re-Interpretationen der Beteiligten unterliegt (Wilson, 1973, 54). Das normative Paradigma in der quantitativen Forschung geht hingegen davon aus, dass eine Interaktion als eine durch gesellschaftliche Dispositionen und Erwartungen bestimmte Handlung angesehen werden kann, die deduktiv zu verstehen ist (ebd., 56, 63). Während bei der quantitativen Forschung folglich von einem geteilten, universellen System von Bedeutungen und Definitionen ausgegangen wird, das sich daher gut messen lässt, bedingt bei dem interpretativen Paradigma die erhebliche Variation individueller Bedeutungen den hohen Stellenwert des Verstehens. Wegen der deutlichen Unterschiede beider Forschungsrichtungen können die klassischen quantitativen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität dem interpretativen Forschungsparadigma nicht gerecht werden (Lamnek, 2005, 130 ff.). So widerspricht die in der quantitativen Forschung als wichtig erachtete Standardisierung des gesamten Forschungsprozesses wichtigen Prinzipien qualitativer Forschung wie der Flexibilität, Offenheit, Reflexivität sowie der Auffassung von Forschung als Kommunikationsprozess (ebd., 34), sodass für qualitative Forschungsarbeiten andere Gütekriterien wie die sechs Gütekriterien qualitativer Forschung von Mayring (2016, 140f.) herangezogen werden müssen. So ist im Rahmen der Forderung nach Objektivität auf die erforderliche Verfahrensdokumentation (ebd., 144-145) zu verweisen, die der intersubjektiven Überprüfbarkeit (Lamnek, 2005, 135) des Forschungsprozesses dient. Dieser Aspekt ist in der vorliegenden Studie durch eine ausführliche Erläuterung des gesamten Forschungsvorgehens berücksichtigt worden, die die Beschreibung der Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen sowie die Darstellung der verwendeten Interviewleitfäden einschließt. Eine Übersicht der Systematisierung der Kernsätze ist im Anhang dargestellt. Darüber hinaus sollen Zitate einzelner Interviewausschnitte die Nachvollziehbarkeit der Argumentation verstärken und das Vorgehen transparent machen. Im Hinblick auf die von Mayring angesprochene argumentative Interpretationsabsicherung (Mayring, 2016, 145) ist in dieser Arbeit die Nachvollziehbarkeit der vorgenommenen Interpretation durch den ausführlichen Theorieteil anzuführen, der ein fundiertes Verständnis des Themenkomplexes ermöglicht. Weiterhin betont Mayring die Relevanz der Regelgeleitetheit, die einem willkürlichen, unsystematischen Vorgehen entgegensteht (ebd., 145). Sie ist bei dieser Arbeit dadurch berücksichtigt worden, dass das empfohlene Procedere der angewendeten qualitativen Methoden sorgfältig verfolgt worden ist, die Verwendung eines Leitfadens den Gesprächen eine gewisse Struktur gegeben hat und ferner die ethischen Grundsätze befolgt worden sind. Die von Mayring geforderte Nähe zum Gegenstand (ebd., 145) wird durch ein Ansetzen der Forschungsaktivitäten an der Alltagswelt der Forschungssubjekte erreicht. Vor diesem Hintergrund wurden die Gespräche dieser Studie in den Meeting-Räumen beziehungsweise in den ruhigen Cafeterias der Unternehmen geführt, die Teil des normalen Alltags der Beschäftigten sind und somit ein vertrautes Umfeld darstellen. Auch die Themen, nämlich die betrieblichen WLB-Angebote, die Arbeitskultur und das Verhältnis von Arbeits- und Lebenswelt spielen im Alltag der interviewten Beschäftigten eine Rolle, sodass sie sich gut dazu äußern können. Die Gültigkeit der Interpretationen und Schlussfolgerungen wiederum erfolgt durch den Prozess der Validierung. Die Interpretationen der gewonnenen Informationen durch die Forschenden sind nach Przyborski und Wohlrab-Sahr (2008, 13) Konstruktionen zweiten Grades und per se subjektiv. Dies bedeutet, dass bereits die Erzählungen der Interviewten Rekonstruktionen ihrer Wirklichkeit sind. Die Interpretation der Ergebnisse ist ferner stark von der Situation und dem Kontext der Erzählung abhängig (ebd. 12 f). Daher gilt es, die Interviewsituation, in der die Texte entstanden sind ebenfalls zu reflektieren. Diese Reflektion ist bei der hier vorliegenden Arbeit intensiv durchgeführt worden. Die entsprechenden Erkenntnisse werden in Kapitel 7 geschildert. Die Konzeption dieser Studie als Einzelarbeit bringt allerdings per se Probleme hinsichtlich der Diskussion von Interpretationsideen mit sich, sodass ich mich bei der Analyse und Interpretation der Gesprächsinhalte nach Möglichkeit eng mit einer Kommilitonin austauschte, um auf mögliche Widersprüche, Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten aufmerksam zu werden. Auch das von Mayring (2016, 147) geforderte Kriterium der Kommunikativen Validierung , bei dem die Gültigkeit der Ergebnisse und Interpretationen überprüft werden, indem man sie den Beforschten vorlegt und mit ihnen diskutiert, ist in dieser Arbeit angestrebt worden. So haben die Gesprächspartner und die Gesprächspartnerin eine PowerPoint-Präsentation mit den für sie aufbereiteten Ergebnissen und Interpretationen erhalten und gaben mir das Feedback, dass sie sich darin gut wiederfinden können.
Neele Riemann wurde 1992 in Lübeck geboren und begann 2011 das Studium der Psychologie (B.Sc.) an der Universität Hamburg, in dem sie sich auf Arbeits- und Organisationspsychologie sowie klinische Psychologie fokussierte. Daran anknüpfend nahm sie das Masterstudium der Wirtschaftspsychologie an der Universität Bremen auf und bildete sich parallel dazu am Milton Erickson Institut Hamburg in hypnosystemischer Therapie weiter. 2016 absolvierte die Autorin ein Forschungspraktikum an der Universität Melbourne und entwickelte ein tiefgehendes Interesse an der sozialpsychologischen Betrachtung von totalen Institutionen und kultischen Gruppierungen. Für die vorliegende Studie übertrug sie diese Erkenntnisse auf die Arbeitswelt von heute und untersuchte die Effekte einer auf den ersten Blick paradiesisch anmutenden Arbeitsgestaltung, die zunehmend private und freizeitbezogene Elemente integriert, kritisch und unter Einbeziehung von qualitativen Interviews.
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