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Pädagogik & Soziales

Karin Hahn

Wohngruppen für demente ältere Menschen

Praxisbeispiele besonderer Betreuungskonzepte

ISBN: 978-3-8366-9185-7

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 172
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Demenz ist einer der häufigsten und folgenreichsten psychiatrischen Erkrankungen im höherem Lebensalter, die neben den außergewöhnlichen Belastungen für Betroffene und Pflegende mit hohen gesellschaftlichen Kosten sowie vermindertem sozialen Status verbunden ist. Was geschieht, wenn die Angehörigen mit der Pflege Ihres Familienmitgliedes überfordert sind? Können Wohngruppen für demente ältere Menschen eine adäquate Versorgungsmöglichkeit für die Betroffenen bieten? Welche Angebote sind vorhanden? Ein solches Zusammenspiel zwischen älteren Menschen mit Erkrankung, Angehörigen und Pflegepersonen wird angestrebt in einer Häuslichkeit in der Wohnform ‚Wohngruppe’. Das Buch gibt einen Überblick über die Erkrankung Demenz und seine Folgen und stellt Betreuungskonzepte vor, die speziell auf betroffenen Menschen zugeschnitten sind.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.2, Ambulant betreute Wohngruppe am Beispiel Berlin-Tiergarten: Die ambulant betreute Wohngruppe für demenziell erkrankte ältere Menschen in Berlin-Tiergarten ist eine von mittlerweile über 80 Berliner Wohngruppen. Klaus Pawletko, der 1. Vorsitzende des Vereins ‘Freunde alter Menschen’, entwarf 1995 das Modell ‘Wohngemeinschaft für Demenzkranke’. Im Februar 1996 zogen sechs demente ältere Frauen in die erste Wohngruppe ein. 5.2.1, Leitgedanken: Die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung dementer älterer Menschen in der Wohngruppe soll vor allem durch Alltagsorientierung erhalten bleiben. Die räumliche und personelle Atmosphäre soll ihnen Orientierung gewährleisten. Durch die Betreuung in einer kleinen Gruppe können die älteren Menschen annährend ihr gewohntes Leben weiter fortsetzen. Gewohntes und Alltägliches, wie bekannte Einrichtungsgegenstände und Tätigkeiten, bieten den demenzkranken Bewohnern Halt und Sicherheit. Unruhezustände sollen durch Vertrautes gemildert werden. Die Vertrautheit wird in der Wohngruppe durch ein bekanntes Wohnumfeld erweitert, da die Bewohner zuvor schon in dem Stadtviertel wohnten. Die Wohngruppe besitzt insgesamt einen sehr häuslichen Charakter. Das Versorgungsangebot wird von ambulanten Pflegediensten erbracht. Das Konzept möchte den pflegenden Angehörigen eine Alternative bieten, die Pflege abzugeben und die demenziell Erkrankten dennoch in einer häuslichen Umgebung versorgt zu wissen. 5.2.2, Rahmenbedingungen: Die Wohngruppe Berlin-Tiergarten ist integriert in ein normales Wohngebiet. Der Tagesablauf wird bei entsprechender Wohnraumanpassung wie in einem Privathaushalt gehalten. Die Bewohner beteiligen sich an allen relevanten Haushaltstätigkeiten. Die ambulant betreute Wohngruppe als eigener Haushalt ist keine Einrichtung im Sinne des Heimgesetzes und hat entsprechend auch keinen Betreiber. Der ältere Mensch ist Mieter einer Wohnung und hat damit einen eigenen Haushalt. Der beteiligte Pflegedienst hat keinen Einfluss auf die Vermietung. Seine Rolle bleibt die des Auftragnehmers und Pflegedienstleisters. Es gibt keinen Betreuungsvertrag, der mit dem Mietvertrag gekoppelt ist. Die Finanzierung geschieht analog gängiger sozialrechtlicher Regelungen der ambulanten Betreuung. Die Krankenkassen sind als Kostenträger von behandlungspflegerischen Maßnahmen beteiligt. Der Bewohner erhält in Hinsicht auf Gestaltung der Personalauswahl, der Pflegeabläufe und des Alltags eine deutliche Stärkung verglichen mit dem normalen Heimbewohner. Die Planung und Realisierung der Wohngruppe Berlin-Tiergarten wurde in Kooperation mit ambulanten Diensten, Ärzten, Juristen, Verwaltungsmitarbeitern, der Alzheimer Gesellschaft und dem Verein ‘Freunde alter Menschen’ durchgeführt. Die Bewältigung der vielfältigen organisatorischen Rahmenbedingungen war nicht einfach. Geeigneter Wohnraum musste erst gefunden werden. Große Wohnungen oder Häuser, die den Ansprüchen für eine kollektive Pflegeform genügen, sind selten. Ein Vermieter musste ermittelt werden, der mehrere Mietverträge für eine Wohnung akzeptiert. Die Suche nach einem kooperativen Vermieter scheiterte und so trat schließlich der Verein ‘Freunde alter Menschen’ als Generalvermieter ein. Ein Kundenkollektiv bzw. Bewohner und Angehörige oder gesetzliche Betreuer müssen initiiert werden, die sich über die gemeinschaftliche Nutzung einer Wohnung oder eines Hauses verständigen. Ein Pflegeanbieter, der fachlich und organisatorisch in der Lage ist, die Wohngruppe zu versorgen, muss gefunden werden. Diese Punkte stellen Leistungen dar, die durch das Engagement der privaten Organisatoren der ambulanten Wohngruppe gelöst werden müssen. Der individuelle Pflegebedarf der einzelnen Bewohner und eine entsprechende Klärung der Ansprüche mit den unterschiedlichen Kostenträgern muss festgestellt werden. Diese Angelegenheiten werden von Sozialarbeitern und Pflegedienstleitungen der beteiligten Pflegedienste übernommen. Auf der Grundlage der Gesamteinnahmen der Bewohner muss der Pflegeeinsatz organisiert werden. Das Projekts muss durch regelmäßige Angehörigen-/Betreuertreffs und Reflexionen mit Mitarbeitern des Pflegedienstes kontinuierlich begleitet werden. Die Organisation einer ambulant betreuten Wohngruppe bedeutet einen hohen Aufwand. 5.2.4, Zielsetzung: Die Wohngruppe ist für demenziell erkrankte ältere Menschen konzipiert, die in Tiergarten wohnen. Das Ziel ist, ihnen ihr Leben so selbstständig wie möglich in einer familiären Atmosphäre zu gestalten. Wichtig ist, die Kompetenzen der Bewohner zu beleben und ihnen somit die Gelegenheit zu bieten, sich an der Gestaltung des täglichen Lebens abhängig von ihren Interessen und Bedürfnissen zu beteiligen. Die Aufgabe der Pflegenden ist, die älteren Menschen täglich zu vielfältigen Aktivitäten im Alltag anzuregen. Die Alltagsgestaltung ist dabei orientiert an Bedürfnissen und Bekanntem wie eigene Möbel, Erinnerungsstücke, Musik und Gerüche und anderem mehr. Vertrautes schafft Halt und Sicherheit in der immer größer werdenden Desorientierung der Einzelnen. Die Behandlung mit Psychopharmaka soll durch eine angenehm überschaubare Atmosphäre vermieden oder reduziert werden. Der Mieterstatus und die Versorgung durch ambulante Pflegedienste soll den Bewohnern bzw. deren Angehörigen und Betreuern ein hohes Maß an Freiheit und Rechten bieten. Die Bewohner können bis zu ihrem Lebensende in der Wohngruppe leben und gegebenenfalls nach einem Krankenhausaufenthalt wieder in ihr gewohntes Umfeld zurück kehren. Somit ist die Finalpflege Bestandteil des Betreuungsangebotes der ambulanten Pflegedienste. Die Bewohner können in einer ihnen vertraut gewordenen Umgebung im Sterbeprozess begleitet werden.

Über den Autor

Karin Hahn, Jahrgang 1969, Dipl. Sozialpädagogin an einer Wiesbadener Klinik mit dem Arbeitsschwerpunkt Geriatrie.

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