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- Wellness und Medical Wellness: Vom Gesundheitskonzept zum Lifestyleprodukt
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 14
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
10 Jahre nach der hier folgenden Untersuchung gehört der Begriff Wellness beinah schon zum normalen Lifestyle eines jeden und ist längst im umgangssprachlichen Gebrauch angekommen. Ist Wellness nur für gesunde, gutsituierte Menschen, die durch Medical Wellness noch gesünder und /oder schöner werden wollen, oder kann auch der übergewichtige Rentner nach überstandener Bandscheibenoperation ein Medical Wellness Angebot bei der anschließenden Rehabilitation oder Kur in Anspruch nehmen? Ist der dabei vor allem in Deutschland verwendete Begriff Medical Wellness als ein erneutes Marketingprodukt des ohnehin unscharf begrenzten Wellnessmarktes anzusehen, oder wird hier gar versucht, die kurative Medizin im Zuge eines sich verändernden Krankheits- und Gesundheitsbegriffs in einer Gesundheitsgesellschaft mit dem Wellnessbegriff zu relaunchen ? Mit einem Vorwort von Herrn Prof. Dr. Dr. Karl-Heinz Wehkamp.
Textprobe: Kapitel 2, Die Grundlagen: Gesundheit, Gesundheitsförderung und Wellness: Im Umfeld von Gesundheit und Wohlergehen hat kaum ein anderer Neoanglizismus in den letzten Jahren zu so kontroversen Reaktionen und Bewertungen wie der Begriff ‘Wellness’ geführt. Vor allem in Deutschland ist dabei durch die mittlerweile ständige Präsenz des Themas in den verschiedensten Medien der Eindruck entstanden, dass Wellness ein Lifestyletrend sei, der zwar von gering wissenschaftlichem Wert, jedoch auch synonym für Gesundheit und Gesundheitsförderung genutzt wird. In diesem Abschnitt werden Aspekte des Gesundheitsbegriffs, Historie und heutiges Konzept der Gesundheitsförderung dargestellt, welches Fundament dem Wellnessbegriff zu-geschrieben wird und wo dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Konzepte liegen. 2.1, Aspekte des Gesundheitsbegriffs: Eine Eingrenzung des Begriffs ‘Gesundheit’ lässt sich insbesondere durch eine Abgrenzung zum Begriff ‘Krankheit’ finden. So kann es sich um ein dichotomes Verhältnis handeln, in dem nur die Extremwerte ‘gesund’ und ‘krank’ existieren oder um ein Kontinuum, auf dem man sich auch zwischen den beiden Polen befinden und bewegen kann. Zudem gibt es Unterschiede im Verständnis des Gesundheitsbegriffs zwischen der alltagsnahen und der wissenschaftlichen Betrachtungsweise der Menschen, sowie zwischen nichtindustrialisierten und industrialisierten Gesellschaften. In nicht industrialisierten Gesellschaften sind Gesundheitsvorstellungen vorwiegend gleichgewichtsorientiert (vgl. Bengel / Belz-Merk 1997, S. 25). Gesundheit wird dort meistens als ausgewogene Beziehung zwischen Mensch, Natur und übernatürlicher Welt und als Resultat eines harmonischen Gleichgewichts zwischen zwei oder mehreren Elementen oder Kräften innerhalb des Körpers beschrieben. Beispielsweise wird in der altindischen Gesundheitslehre des Ayurveda in Indien eine Balance der Körpersäfte als Gesundheit angesehen, sowie ‘erwärmende’ und ‘kühlende’ Nahrung, Kräuter und Medizin zum Ausgleich der ‘Kälte’ und ‘Hitze’ im Körper. Seit der fortschreitenden Industrialisierung und einem wissenschaftlichen Reduktionismus, insbesondere ab dem 19. Jahrhundert, wurde das biomedizinische Modell propagiert (vgl. Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Demnach galten wissenschaftliche Konzepte von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit, was sich insbesondere auf pathologische Prozesse im Körper bezog. Krankheit hatte in dieser Betrachtungsweise monokausale Ursachen in biologischen Strukturen. Im 20. Jh. wurde das Modell um die soziale und die psychische Komponente erweitert. Nach Antonovsky sind Gesundheit und Krankheit die beiden Pole einer Dimension. Sie stellen die Endpunkte eines Kontinuums folgenderweise dar: Der jeweilig persönliche Gesundheitszustand resultiert aus dem Verhältnis zwischen Risiko- und Schutzfaktoren. Dieses Verhältnis sieht Antonovsky 1987 in seinem Salutogenesekonzept als beeinflussbar an. Damit befindet sich der Gesundheitszustand variabel innerhalb des Kontinuums, kann jedoch stets durch eine Verbesserung in Richtung Gesundheit verschoben werden (vgl. Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Dies bedeutet eine Abkehr von dem Verständnis, Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit zu begreifen. Weiter bedeutet es, dass auch gesunde Menschen ihren Gesundheitszustand weiterhin verbessern können. Diesen Ansatz verfolgt auch die in der Fachliteratur heute meist zitierte Definition der Gesundheit durch die World Health Organization (WHO) von 1948: ‘Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen’ (Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Dies läutete die Ablösung des bereits erwähnten biomedizinischen Modells ein. Dabei wird mehr der Aspekt betont, dass Gesundheit ein umfassendes Wohlbefinden bedeute. Weiterentwicklungen gab es u. a. 1982 und 1986 von Becker, der das integrative Anforderungs – Ressourcen - Modell vorlegte, das ähnlich wie bei Antonovsky den komplexen Widerpart von Anforderungen und Ressourcen darstellt, jedoch unter besonderer Berücksichtigung der ‘Schlüsselkategorie seelischer Gesundheit’ (Waller 1996, S. 20). Hurrelmann legt 1996 in seinem sozialisationstheoretischen Gesundheitsmodell den Schwerpunkt auf ‘(...) die Verknüpfung von sozialtheoretischer und gesundheitswissenschaftlicher Erkenntnisse (...)’ (Waller 1996, S. 22), und einen stufenweisen Prozess von Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein weiteres Modell von Hancock fand zudem Interesse, das in dem 1990 entstandenen Mandala-Modell dynamische und interaktive Beziehungen und ebenso wie Becker Ansatzpunkte der Gesundheitspolitik und der Gesundheitsförderung zugrunde legt (vgl. ebd.). Das derzeit wichtigste Erklärungsmodell zur Entstehung von Krankheit und gleichzeitig einflussreichster Interventionsgrundlage in der Prävention und Gesundheitserziehung, stellt das Risikofaktorenmodell dar. Es wurde Anfang der 1960er Jahre als eine epidemiologisch begründete Erweiterung des ‘biomedizinischen Paradigmas’ entwickelt. Eine Weiterentwicklung war nötig geworden, da eine direkte Übertragung der naturwissenschaftlich - kausalen, biomedizinischen Erklärungsansätze auf die heute vorherrschenden Zivilisationskrankheiten (chronisch-degenerative Erkrankungen) nur eingeschränkt möglich und sinnvoll betrachtet wurden (vgl. Franzkowiak 2003, S. 195). Bei dem Risikofaktorenmodell wird vorwiegend nach verhaltens-, lebensweisen- und persönlichkeitsgebundenenen und nicht-verhaltensgebundenen, sozialstrukturell oder auch ökologisch bedingter Faktoren unterschieden. 2.1.1, Historische Entwicklung von Ansätzen der Gesundheitsförderung: Die Bedeutung von Gesundheitsförderung in der Antike wurde vor allem durch den griechischen Arzt Hippokrates (466 – 377 v. Chr.) auf den Weg gebracht. Unter Gesundheit verstand er die Harmonie und Ausgewogenheit zwischen Körper und Seele. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob er gesund oder krank leben wolle, indem er über seine Lebensweise entscheidet (vgl. Bastine 1992, S. 130 ff). Als Lebens-weisen, die der Gesundheit förderlich sind, nennt er (ebd.): - Körperpflege, - Ernährung und körperliche Ertüchtigung, - Vermeidung von Exzessen, - Anstreben körperlicher Tugenden (Gesundheit, Kraft und Schönheit), - Anstreben geistiger Tugenden (Frömmigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit), - Selbstkontrolle und Selbstverantwortung. Ein gesundheitsförderlicher Tag sollte aus Körperübungen, Baden, Zeiten der Ruhe, des Schlafens und Entspannens bestehen. Zur Erhaltung der Gesundheit wurden vor allem Konzepte des frühzeitigen Bemerkens von leichten Befindlichkeitsstörungen entwickelt. In der römischen Lehre wurde Maßhalten in allen Lebensbereichen als gesundheits-fördernd propagiert. Galen (129 – 199 n. Chr.) verfasste das sechsbändige Werk der ‘Hygieine’ (sic!) zur gesunden Lebensführung. Seiner Meinung nach würden sich gesundheitsförderliches Verhalten und niedriger Sozialstatus ausschließen, da jegliche Erwerbsarbeit einem solchen Verhalten entgegen wirke. Man solle sich von jedem Zwang der Erwerbsarbeit freimachen und sich mit dem Körper beschäftigen (vgl. Bastine 1992, S. 131). Maßnahmen der Gesundheitserhaltung waren demnach aus diesen Gründen nur einer privilegierten Oberschicht vorbehalten. Im Mittelalter war das Thema der Gesundheitsförderung wieder in den Hintergrund getreten (ebd.). Der Körper wurde zum Träger von Krankheiten reduziert, die es zu bekämpfen galt. Ab dem 15. Jh. waren Ermahnungen zur Förderung eines gesunden Lebens bekannt, wie z. B. Empfehlungen zum Abführen oder zum Aderlass. Die Vorstellung einer Trennung zwischen Körper und Geist hatte sich u.a. durch Descartes in dieser Zeit verbreitet. Als eine andere Strömung hatte sich die scholastische Medizin im Mittelalter verbreitet, und anstatt einer Gesundheitslehre eine Krankheitslehre entwickelt. Demnach gab es zum einen die natürlichen, genetisch disponierten Ausgangsbedingungen (‘Res naturalis’) und zum anderen die willkürlich vom Menschen beeinflussbaren Faktoren (‘Res non naturalis’) wie Luft, Speise und Trank, Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen, Absonderungen und Ausscheidungen sowie die Leidenschaften. Ein unausgewogenes Verhältnis zwischen ‘Res naturalis’ und ‘Res non naturalis’ war Gegenstand der Krankheitslehre. Im späten Mittelalter, als die Lebenserwartung durch Seuchen sank, wurden die Bestrebungen zur Gesunderhaltung vor allem auf die Verlängerung des Lebens ausgerichtet (vgl. Bastine 1992, S. 132 ff). Ab dem 18. Jh. wurden im Zuge der Aufklärung und Industrialisierung durch die Ver-breitung von Gesundheitslehre auch breite Bevölkerungsschichten angesprochen, da eine Gesunderhaltung der Arbeitskräfte vom Staat als wichtig anerkannt wurde. Im 20. Jh. wurden viele akute Krankheiten, wie Infektionskrankheiten schließlich heilbar, jedoch breiteten sich die sogenannten Zivilisationskrankheiten, wie z. B. Herz- und Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und chronische Erkrankungen aus.
Kirsten Hermes studierte Sozialpädagogik und Gesundheitswissenschaften in Hamburg. Nach erfolgreichem Abschluss in 2004 und mehrjähriger EU- Forschungsarbeit zu sozialethischen Empfehlungen bei der Quarantänisierung im Pandemiefall, veröffentlichte sie verschiedene Artikel aus dem Bereich der Gesundheitswissenschaften. Seit 2012 ist sie als Beraterin und freie Autorin im umweltmedizinischen Bereich zu gesundheitlichen Langzeiteffekten durch anthropogenen tieffrequenten Schall in Berlin tätig.
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