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- Was ebnet den Weg zum Bildungserfolg von MigrantInnen? Eine qualitative Analyse von Bildungsbiographien von argentinischen Lehrkräften mit deutschem Migrationshintergrund
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Debatte um den zu geringen Bildungserfolg von Menschen mit Migrationshintergrund treibt nicht nur den deutschen bildungspolitischen Diskurs um. Wie kann die Gleichung ‚Fachkräftemangel + Migration = Problem‘ gelöst aufgehen? Diese qualitative Studie wagt den Blick über den Tellerrand hinaus und fragt an unerwarteter Stelle nach: Wie haben es eigentlich deutsche MigrantInnen geschafft, sich in einem Einwanderungsland zu etablieren? Als exemplarisch wird Argentinien in den Fokus gerückt, das viele Einwanderungswellen aus ganz verschiedenen Ländern erlebt hat und erlebt. Anhand von biographischen Interviews analysiert die Autorin mit Bezug auf die gesellschaftspolitischen Hintergründe, wie sich die Wege der Befragten zum Bildungserfolg gestaltet haben. Es sind Lehrkräfte, die alle ganz eigene Geschichten und einen speziellen Bezug zum Herkunftsland haben, und doch haben sie einiges gemeinsam. Der Untersuchung gelingt es, überindividuelle Faktoren für Bildungserfolg aus dem Material zu destillieren, die auch von großem Interesse für den Gesamtdiskurs sind. Es werden die Punkte hervorgehoben, an denen die Bildungs- und Migrationspolitik heute ansetzen muss, wenn sie diejenigen ins Boot holen will, die unsere Gesellschaft dringend braucht.
Textprobe: Kapitel 1.4.1, Faktoren für Bildungserfolg in Bildungsbiographien von Migrantinnen in Deutschland: Da im Rahmen dieser Arbeit Bildungsbiographien von bildungserfolgreichen Migrantinnen und Migranten untersucht werden, um die Faktoren für Bildungserfolg aus subjektiver Sicht zu erfassen, werde ich zunächst deutsche Forschungsergebnisse aus qualitativen biographischen Erhebungen aus diesem Bereich darstellen. Es fällt auf, dass sich die hier vorgestellten Untersuchungen ausschließlich mit Frauen befassen, was daran liegen kann, dass die Jungen mit Migrationshintergrund an Gymnasien noch unterrepräsentierter sind als die Mädchen und es sich bei bildungserfolgreichen Migranten somit um eine kleinere Gruppe handelt, die für biographische Interviews schwerer zugänglicher ist. Ein anderer Faktor für die Konzentration auf weibliche Bildungsbiographien könnte sein, dass Frauen mit Migrationshintergrund es oft aus ihrer Kindheit durch die hohe Verantwortungsübernahme in der Familie (vgl. Ofner 2003, S. 271) gewohnt sind, als Kommunikatoren mit der Außenwelt zu fungieren und so eine größere Tendenz zur Auskunftsbereitschaft aufweisen. Das Merkmal des Bildungserfolgs wurde je nach Untersuchung verschieden definiert und bezieht sich in der deutschen Forschung meist auf Akademikerinnen (vgl. Lutz 1991 Hummrich 2002, Ofner 2003, Farrokhzad 2007). Es gibt aber auch andere Perspektiven. So haben Behrensen und Westphal beispielsweise Migrantinnen befragt, die mehr erreicht haben, als die Mehrheit der Migrantinnen mit vergleichbaren sozialstrukturellen Ausgangsvoraussetzungen (vgl. Behrensen, Westphal 2009, S.7). Das Grundinteresse an der Untersuchung von Bildungsbiographien von Migrantinnen besteht darin, die für den Bildungserfolg relevanten Ressourcen und Strategien herauszufinden, wenn auch je nach Fragestellung unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Es geht dabei um individuelle, familiäre und sozialstrukturelle Voraussetzungen und Bedingungen. Das Spektrum reicht von global angelegten Untersuchungen, die insgesamt die Faktoren für Bildungserfolg erfassen wollen (vgl. Farrokhzad 2007, Behrensen,Westphal 2009, Ofner 2003) bis hin zu Erhebungen mit spezifischen Foki, die sich entweder mehr auf die individuelle oder strukturelle Ebene beziehen. So geht Hummrich beispielsweise der Frage der Transformationsprozesse der Identität aufgrund der Migrationserfahrung nach (vgl. Hummrich 2002), während sich Erel damit beschäftigt, inwiefern mitgebrachtes soziales bzw. kulturelles Kapital von der Aufnahmegesellschaft anerkannt wird (vgl. Erel 2003). Insgesamt lassen sich die Forschungsergebnisse auf drei Ebenen, nämlich der der familiären, außerfamiliären und individuellen, zusammenfassen: Der sozialen Herkunft, und damit der Familie, als ersten Sozialisationsinstanz kommt entscheidende Bedeutung zu. Zum einen aufgrund der Kapitalausstattung der Familie und der durch sie vermittelten Bildungsaspiration als Strategie, die nächste Generation sozial in der Aufnahmegesellschaft zu platzieren (vgl. Behrensen, Westphal 2009, Gültekin 2003). Zum anderen sind emotionale Unterstützung und ein positives familiäres Klima entscheidende Faktoren (vgl. Behrensen, Westphal 2009, Farrokhazad 2007, Ofner 2003). Des Weiteren dienen außerfamiliäre soziale Systeme der eigenen ethnischen Gemeinschaft als emotionaler Rückzugsort, Quelle für Selbstvertrauen und Netzwerkplattform, die unter anderem zur Gewinnung von Information genutzt werden kann (vgl. Farrokhazad 2007, Behrensen, Westphal 2009). Doch auch Netzwerke der Aufnahmegesellschaft werden produktiv zum Erwerb von kulturellem und sozialem Kapital genutzt (vgl. ebd.). Die ethnischen Gemeinschaften haben für die berufliche Etablierung der Migrantinnen noch eine weitergehende Bedeutung, da viele von ihnen ethnische Nischen nutzen, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren bzw. ihre Mehrsprachigkeit als Ressource einsetzen (vgl. Lutz 1991). Als weiteren wesentlichen Einflussfaktor hat man externe Kräfte auf institutioneller und personeller Ebene identifiziert. Demnach stellt institutionelle Diskriminierung durch die homogene und monolinguale Ausrichtung des Bildungswesens mit seinen subtilen Diskriminierungsmechanismen aufgrund von ethnischer Herkunft, Sprache oder Geschlecht, ein wesentliches Hindernis auf den Bildungslaufbahnen von befragten Migrantinnen dar (vgl. Farrokhazad 2007, S. 341). Auf der anderen Seite spielen aber auch einzelne positive Erfahrungen, vor allem mit Lehrern eine entscheidende Rolle, da sie bei der Orientierung im Bildungssystem als Mentoren und Unterstützer wirkten (vgl. Behrensen,Westphal 2009, Farrokhazad 2007, Hummrich 2002). Vorbilder sind insgesamt als Orientierungsmaßstab von großer Bedeutung für bildungserfolgreiche Migrantinnen (vgl. ebd.). Was die individuelle Ebene anbelangt, so kommt es zum einen auf die Dispositionen, motivationalen Strukturen bzw. Einstellungen sowie die persönlichen Strategien des Einzelnen an, also darauf, wie mit den Ressourcen und Opportunitäten bzw. Hindernissen umgegangen wird. Als förderliche Eigenschaften konnte man psychische Stabilität, Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein identifizieren (vgl. Farrokhazad 2007, S. 341). Außerdem hat Gültekin die sogenannte Doppelperspektivität als nützliche Fähigkeit identifiziert, die es den Migrantinnen ermöglicht, sich zwischen zwei kulturellen Orientierungssystemen zu bewegen und aufgrund dessen neue Konzepte im Umgang mit der Realität zu entwerfen (vgl. Gültekin 2003, S. 215). Auf der Einstellungsebene wurde bei bildungserfolgreichen Migrantinnen eine hohe Motivation, Eigeninitiative und Bildungsaspiration sowie eine positive Erwartungshaltung gegenüber Bildungsmaßnahmen festgestellt (vgl. Gültekin 2003). Was die Strategien anbelangt, so werden persönliche Coping-Strategien angeführt, die durch frühe Verantwortungsübernahme in der Familie erworben wurden (vgl. Ofner 2003, S. 271), sowie Nutzung aller sich bietenden Ressourcen und Opportunitäten, die sowohl die Herkunfts- als auch die Aufnahmegesellschaft zur Verfügung stellen (vgl. Farrokhazad 2007, S, 341). Es können beispielsweise Netzwerke der eigenen ethnischen Gemeinschaft zum Informationsgewinn über bestehende Qualifizierungsangebote von Institutionen der Aufnahmegesellschaft genutzt werden.
Astrid Pohl, Diplom-Pädagogin und Theaterpädagogin BuT, wurde 1982 im fränkischen Werneck geboren. Sie studierte an der Universität Augsburg mit dem Schwerpunkt Außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung und war stark an interkultureller Pädagogik interessiert. Sie war aktiv im deutsch-französischen Jugendaustausch, leitete Workcamps in Europa und Asien. Für ein Unterrichtspraktikum ging sie nach Argentinien, wo sie von den Bildungsbiographien der Deutsch-Argentinier so fasziniert war, dass sie beschloss, dieses Thema tiefer zu erforschen. Sie lebt und arbeitet heute im Rhein-Neckar-Gebiet.
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