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- Vom Morphin zur Substitution: Die historische und gesellschaftliche Kontroverse zur Substitution Opiatabhängiger
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Inhalt dieses Fachbuchs lässt sich in zwei Teile unterteilen. Der erste Teil behandelt die Geschichte der Opiate mit Hinblick auf die jeweiligen gesellschaftlichen Kontroversen um den Konsum. Im zweiten Teil hat sich der Autor für die aktuelle Methadon-Substitution interessiert. Ohne eine Substitution verteufeln zu wollen, formuliert und begründet er folgende Thesen: These 1: Die Nebenwirkungen und die (für einen Opiatabhängigen unbefriedigende) Wirkungsweise von Methadon fördern den polyvalenten Drogenkonsum, bzw. die Politoxikomanie. These 2: Die Nebenwirkungen und die Wirkungsweise von Methadon sind die hauptsächliche Ursache für die hohe Prävalenz psychischer Störungen während der Substitution. Dargestellt wird die Situation von Methadon-Substituierten, wie sie sich auf einem Abstellgleis befinden, ohne die Möglichkeit und Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. In chronologischer Reihenfolge werden in dieser Studie die historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge beschrieben, in denen Opiate konsumiert wurden. Dabei soll der Einfluss politischer, kultureller und gesellschaftlicher Interessen auf den Umgang mit Opiaten und den Konsumenten untersucht werden.
Textprobe: Kapitel 2.2.6, Die Entwicklung der Heroinszene der 80er Jahre bis heute: Anfang der 80er Jahre wurde HIV weltweit zu einem großen Gesundheitsproblem. Durch Beschaffungsprostitution und durch Spritzenaustausch. breitete sich der HIV- Virus schnell in der ‘Szene’ aus. Auch für die übrige Bevölkerung wurden die Heroinabhängigen zu einer Hauptrisikogruppe für die Übertragungswege von HIV, was die gesellschaftliche Ächtung verstärkte. Die vorhandene Perspektivlosigkeit der Abhängigen spitzte sich durch die Ausbreitung von HIV in der Szene weiter zu und wer nicht infiziert war, mußte sich durch das erhöhe Infektionsrisiko bedroht fühlen. Das Stigma des ‘Fixers’ wurde mit dem Stigma der ‘AIDS- Infizierung’ weiter gesteigert. Nur wenige HIV-infizierte Heroinabhängige haben bis jetzt die Motivation und die Kraft gefunden, aus ihrer Sucht ‘auszusteigen’ und dem Rest ihres Lebens einen neuen Sinn zu geben. Resignation, Fatalismus und selbstdestruktive Tendenzen verstärkten sich. Dieses Verhalten war auch in der Szene selbst zu finden und zeigte sich u.a. durch erhöhten und risikoreichen Drogenmischkonsum (Politoxikomanie). In den 80er Jahren verteuerte sich Heroin auf dem Schwarzmarkt. Allgemein sank die Qualität sowie die Verfügbarkeit durch den Handel. Die Abhängigen gerieten nun unter eine größere Beschaffungs- und Versorgungsnot. Die Ursache lag teilweise an einer polizeilichen Infiltrierung und Verunsicherung der Szene. Die Konsumenten versuchten unauffälliger zu erscheinen und der Heroinhandel mußte stärker getarnt werden. Durch die damit notwendig gewordene Privatisierung verschwanden in manchen Städten die ‘offenen’ Heroinszenen. Für viele i.v. (Straßen-) Heroinkonsumenten/ -abhängige haben sich seit Anfang der 80er Jahre die Lebensbedingungen drastisch verschlechtert. Abhängige Heroinkonsumenten stehen unter Beschaffungsdruck. Das für den Kauf von Heroin oder anderen Drogen benötigte Geld muß durch die Beteiligung am Kleinhandel, Prostitution, Einbruch und Ladendiebstähle, Verpfändung des eigenen Besitzes und Kreditaufnahme bei Geldinstituten beschafft werden. Neben dem Beschaffungsdruck führen die ständig drohende Strafverfolgung und die Prostitution zu hohen psychischen und physischen Belastungen. Der ständige Verfolgungsdruck der Abhängigen führt zu Vernachlässigung von Selbstfürsorge und Hygiene Essen, Waschen, Bekleidung und Körperpflege). Viele Heroinabhängige sind obdachlos. Einerseits entsteht die Obdachlosigkeit durch die Wohnungsnot in den Städten, aber auch Mietschulden, die nicht beglichen werden können und Verhaltensweisen, die von anderen Mietern als störend erlebt werden, führen zu Kündigungen der Mietverhältnisse. Daran wird auch deutlich, dass ein Teil der Heroinabhängigen sozial nicht integriert ist. Oft besteht kein Kontakt mehr zu Familie, Freunden und Bekannten. Die Beziehungen innerhalb der Drogenszene sind geprägt durch die Zwänge und Bedingungen der Drogenbeschaffung. Durch diese Situation kommt es zu sozialer Isolation und Vereinsamung. Die problematischen Lebensbedingungen werden deutlich am zumeist schlechten Gesundheitszustand vieler heroinabhängiger Frauen und Männer. Das Schwarzmarktheroin ist, wie erwähnt, im Reinheitsgehalt unkalkulierbar und oft mit unbekannten, teils gesundheitsschädigenden Substanzen gestreckt. Verschärft wird die Problematik durch den polyvalenten Drogenkonsum. Die Ergebnisse der 1991 veröffentlichten ‘AMSEL’- Studie belegen für den Zeitraum von 1985-1990, dass Heroin für Opiatabhängige die bevorzugte Droge (Präferenzdroge) war. D.h. sobald Heroin sowie die finanziellen Mittel in ausreichendem Maße vorhanden sind, wird Heroin bevorzugt (wieder) konsumiert. Schon vor der Etablierung der Methadon-Substitutionsprogramme (ab 1992) hat sich durch die Überschwemmung der Drogenszenen mit Kokain, sowie offiziell von Ärzten verschriebenen Beruhigungsmitteln wie Medinox®, Rohypnol®, Speda®, Valium®, Tranxilium®, u.v.m. oft in Verbindung mit Alkoholkonsum auch bei Opiatabhängigen ein polivalentes Suchtverhalten ausgebildet. Zu einem Mischkonsum von Schlaf- und Beruhigungsmitten kam es, da das für Heroin benötigte Geld oft nicht aufgebracht werden konnte. Die Opiatabhängigkeit wurde durch weitere stoffgebundene Abhängigkeiten überlagert. Die medizinische Diagnose lautete in den 80er Jahren vermehrt: ‘Politoxikomanie- Präferenzdroge Heroin’. Der Trend in die Richtung, dass Drogen miteinander kombiniert werden, hat bis heute angehalten: So erklären viele Opiatabhängige und Substituierte mittlerweile z.B. Kokain zu ihrer Präferenzdroge das Heroin haben sie dann oft zum ‘runterkommen’(d.h. beruhigen) oder als ‘Cocktail’ (Heroin & Kokain zusammen aufkochen und injizieren) genutzt. ‘Bedrohlich ist auch der seit Jahren andauernde Trend zum polytoxikomanen (Mehrgiftkonsum) Verhalten der jungen Drogenkonsumenten. So werden Alkohol, verschiedene Medikamente (= ‘Apotheker- Drogen’) und verschiedene illegale Drogen ohne Festlegung auf eine Hauptdroge konsumiert. Das war nicht immer so’.
Gerhard Haller, geb. 1957 in Göttingen, dort in einer Ärztefamilie aufgewachsen, absolvierte in Berlin ein Fachhochschulstudium zum Dipl. Sozialarbeiter/ -pädagogen. In seiner Jugend interessierte er sich für die damalige 68er-Protestbewegung, alternative Lebensweisen und die gesellschaftlichen Aussteiger. Unter anderem aufgrund langjähriger eigener Erfahrungen als Suchtabhängiger, entschied er sich 1997 für das Studium der Sozialpädagogik, insbesondere für den Schwerpunkt Gesundheit.
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