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- Tierschutzhunde als Therapiebegleithunde – eine Perspektive?
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Hunde erschließen immer neue Einsatzmöglichkeiten in unserem Lebensumfeld. Besonders Therapiebegleithunde gewinnen zunehmend an Popularität. Labrador, Golden Retriever oder Australian Shepherd sind nur einige Rassen, die für tiergestützte Interventionen oft als geeignete Kandidaten betrachtet werden. Doch wie verhält es sich mit Mischlingen, Hunden mit Handicap oder solchen Hunden, die bereits eine bewegte Vergangenheit vorweisen? Wie geeignet sind diese Tiere, die nicht der Norm entsprechen? Dieses Buch setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit die Rasse und Biografie eines Hundes Einfluss auf seine Eignung als Therapiebegleithund hat. Dabei werden die verschiedenen Entwicklungsstadien sowie die Sozialisierung der Vierbeiner in den Blick genommen und anhand von Experteninterviews mit dem Alltag in verschiedenen tiergestützten Bereichen abgeglichen.
Textprobe: Kapitel 4.2. Grundvoraussetzungen des Hundes: Auch hier gibt es in Deutschland keinerlei allgemeingültigen Richt- und Leitlinien, die einschätzen lassen, ob der Hund sich zum Einsatz in der TGI eignet. Der Hund muss theoretisch weder geprüft werden, noch muss er für die Intervention relevante Verhaltensweisen aufweisen. Jeder Mensch muss nach derzeitiger Rechtslage für sich selbst entscheiden, ob sein Hund für die tiergestützte Arbeit geeignet ist, kann dabei jedoch eine fachkundige Person zu Rate ziehen. Diese ungeklärte Gesetzesgrundlage sorgt dafür, dass durch die Unwissenheit der An-bieter nicht immer nach tierethischen Aspekten gehandelt wird, sondern vielmehr aus dem dringenden Wunsch heraus, tiergestützt arbeiten zu wollen, ohne Rück-sicht auf das Wohl des Vierbeiners zu nehmen. Es ist jedoch wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es den einen Therapiebegleit-hund nicht gibt und dementsprechend auch keine Rasse vorhanden ist, welche sich uneingeschränkt für diese Arbeit einsetzen lässt. Es hängt vor allem auch vom Kontext ab, indem mit dem Tier gearbeitet wird (vgl. Wohlfarth & Mutschler, 2016, S.114). Im Folgenden beschäftigt sich die Autorin jedoch mit Expertenmeinungen und Empfehlungen, die sich mit den Basisvoraussetzungen des Hundes auseinan-dersetzen, um den Idealfall zu beschreiben. Betrachtet man verschiedenste Fachliteratur zu diesem Thema, lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden, die das Wesen eines Therapiebegleithundes ähnlich be-schreiben. Als wichtigste Grundvoraussetzung wird dabei ein einwandfreier Gesundheitszustand genannt. Dies bedeutet, dass das Tier zweifellos frei von akuten und ansteckenden Krankheiten sein muss. Besonders sogenannte zoonotische Infektionskrankheiten, die auf den Menschen übertragen werden können, müssen ausgeschlossen werden. Dies soll jedoch keine Hunde mit Handicap ausschließen, die z.B. durch einen Unfall eine Extremität verloren haben. Solange sie die anderen Anforderungen für eine TGI erfüllen, können sie durchaus ebenso gute Co-Therapeuten sein. Was das Alter angeht, in dem der Vierbeiner mit seiner Therapiebegleithundeausbildung beginnt, sind sich Experten nicht immer einig. Einige Anbieter haben für sich ein Mindestalter von etwa zwei Jahren festgelegt, damit der Hund zunächst körperlich und geistig ausgereift ist, bevor er mit der tiergestützten Arbeit anfängt. Andere wiederrum fangen bereits mit sechs Monaten an, das Tier auf seine Einsätze vorzubereiten, damit er sich früh daran gewöhnt. Beide Seiten mögen ihre Vor- und Nachteile haben. Wichtig ist jedoch, dass das Tier zwar früh mit entsprechenden Umwelteinflüssen vertraut gemacht wird, aber dabei auf keinen Fall überfordert werden sollte, indem er bereits im Welpen- und Junghundealter kontinuierlich tiergestützt arbeiten muss. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die Sozialisierung zum Menschen. Ein aktiv ausgeprägtes Aggressionsverhalten dem Klienten gegenüber ist sicherlich wenig förderlich für eine Therapieeinheit. Der Vierbeiner sollte sich in stressigen Situationen lieber für den Weg des Rückzuges entscheiden und die Überforderung signalisieren, anstatt den Angriff nach vorne zu wählen und die vermeintliche Gefahr verbeißen zu wollen. Ebenso verhält es sich mit einem offenkundigen Angstverhalten. Stellt der Besitzer fest, dass die Situationen für kontinuierlichen Stress bei seinem Vierbeiner sorgen, weil die Umwelteindrücke ihn ängstigen, ist es fraglich, ob der Einsatz in der TGI für ihn tierethisch vertretbar ist. Vielmehr werden dem Therapiebegleithund Wesenszüge, wie ein ausgeglichenes Gemüt, Offenheit im Umgang mit verschiedensten Menschen, Interesse an seiner Umwelt, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit und eine ganz allgemeine Freude an dieser Arbeit zugeschrieben. Der Hund sollte den Kontakt zu Menschen genießen und ihn nicht über sich ergehen lassen müssen. Hier heißt es als Halter seinen Vierbeiner genau zu kennen, um anhand seiner Körpersprache ablesen zu können, ob ihm die Interaktion gefällt oder nicht. Wie bereits im Kapitel Sozialisation beschrieben, kann der Schein eines entspannten Hundes auch trügen, wenn er die Berührungen lediglich aushält und dabei vor lauter Überforde-rung förmlich einfriert . Da er im Laufe der verschiedensten Interventionen mit unterschiedlichen Umwelt-einflüssen konfrontiert wird, ist außerdem eine Souveränität im Umgang mit opti-schen, akustischen und je nach Situation haptischen Reizen vorteilhaft. Je mehr er davon in seinem sicheren Umfeld innerhalb des ersten Lebensjahres kennengelernt hat, desto weniger ängstlich und unsicher wird er darauf reagieren. Mutschler und Wohlfarth beschreiben dies in ihren Veröffentlichungen als Nervenstärke bzw. setzen eine mittlere bis hohe Reizschwelle beim Tier voraus (vgl. Wohlfarth & Mutschler, 2016, S.114). Grundsätzlich ist jedoch auch eine gute Bindung zwischen Hund und Halter unabdingbar, da der Vierbeiner sich im Falle von neuen und ungewohnten Umständen auf die Entscheidungen seines Herrchens verlassen können muss. Hieran wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Erziehung in den ersten Lebenswochen und –monaten ist. Wie bereits erwähnt, fängt der Junghund in der Pubertät an, die Führungsposition seines Halters in Frage zu stellen, um ihn auf seine Entscheidungs- und Problemlö-sefähigkeit zu testen. Wird ihm in dieser Phase nicht deutlich gemacht, dass er nicht für die Kontrolle bestimmter Situationen verantwortlich ist, wird es sehr schwierig sein, einen souveränen und entspannten Therapiebegleithund großzuziehen, der nicht bei jeder Herausforderung seinen eigenen Lö-sungsvorschlag durchzusetzen versucht. Dieser Aspekt führt weiterhin zu der Tatsache, dass auch Aktions- und Ruhephasen erkennbar sein müssen und der Vierbeiner diese unterscheiden kann. Das bedeutet, dass er nach einer aktiven Therapieeinheit die Möglichkeit bekommen muss, sich zu erholen und dies auch für sich annehmen kann. Steht er danach weiterhin für lange Zeit unter Strom und ist gestresst, müssen mit ihm die Entspannungsphasen eingeübt werden, da es erfahrungsgemäß ebenso wichtig für ihn ist, sich nach einem erfolgreichen Einsatz erholen zu können, um neue Kräfte zu tanken Grundsätzlich muss man als Tierhalter jedoch verstehen, dass nicht alle Hunde für den tiergestützten Einsatz geeignet sind. Auch wenn man sich diesen Traum als Therapiehunde-Team arbeiten zu wollen erfüllen möchte, so ist es wichtig, das Wohl des Tieres immer an erster Stelle zu sehen. Aus tierschutzrelevanten Gründen sollte es vor allem darum gehen, dem Hund ein art- und wesensgerechtes Leben zu ermöglichen, seine Bedürfnisse zu erkennen und zu berücksichtigen. Dies heißt, auch zu akzeptieren, dass ein Hund nicht als Therapiebegleithund geeignet ist, sondern andere Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweist (Mutschler & Wohlfarth, 2014, S. 22). Sensible Klienten merken schnell, ob der Vierbeiner nur durch Zwang an der Therapie teilnimmt oder Freude an der Intervention empfindet. Wird dieser emotionale Druck kontinuierlich ausgeübt, kann dies zu einem schlechten Gesundheitszustand inklusive chronischen Erkrankungen führen oder sich durch Verhaltensauffälligkeiten beim Tier bemerkbar machen (vgl. Mutschler & Wohlfarth, 2014, S.22). Es wird immer wieder betont, dass es für den Vierbeiner nicht darum geht, Tricks und Showeinlagen vorführen zu können, sondern stattdessen eher authentisch zu sein und seinem Charakter entsprechend auf Situationen zu reagieren. Laut Psychotherapeut Gerd Ganser zeichnet sich die Qualität des Therapiebegleithundes vor allem auch in der Bereitschaft und Fähigkeit aus, seine Bedürfnisse und seine Befindlichkeit entsprechend auszudrücken. Mit ausgedrücktem Befinden kann der Therapeut arbeiten und es berücksichtigen, unterdrücktes und wegkonditioniertes Verhalten ist demgegenüber schwerer einzuschätzen und birgt die Gefahr, unerwartet durchzubrechen (Ganser, 2017, S. 170).
Kira Hildmann wurde 1991 in Moers geboren und arbeitet als Ergotherapeutin und Fachkraft für tiergestützte Interventionen in der Nähe von Aachen. Ihre Kindheit verbrachte sie in dörflicher Umgebung und wuchs mit vielen verschiedenen Tieren auf. Seit 2012 unterstützt sie ein Tierheim in Rumänien, indem sie regelmäßig als ehrenamtliche Helferin vor Ort tätig ist. Die Vermittlung der Hunde in ein neues, sicheres Umfeld ist ihr dabei eine Herzensangelegenheit. Ihre positiven Erfahrungen mit ihren Schützlingen motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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