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  • "taut die eisigen mauern auf" - Inklusives Wohnen für Menschen mit schweren geistigen Behinderungen in der Gemeinde auf Grundlage von Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Wohnsituation von Menschen mit Behinderung hat sich in den letzten Jahrzehnten einem grundlegenden Wandel unterzogen. Die deutsche Sozialpolitik und die Organisationen der Behindertenhilfe arbeiten zunehmend daran, das umzusetzen, was im deutschen Sozialgesetzbuch IX formuliert ist: Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die UN-Behindertenrechtskonvention, welche von der BRD im März 2009 ratifiziert wurde, fordert in Artikel 19 neben einer uneingeschränkten gesellschaftlichen Inklusion, dass Menschen mit Behinderung frei wählen können, wo und mit wem sie leben wollen und dass sie nicht gezwungen werden können, in besonderen Wohnformen zu leben. Zwischen den Forderungen der UN-Konvention und der gesellschaftlichen Realität besteht jedoch noch immer eine große Diskrepanz. Die Lebenswirklichkeit behinderter Menschen ist weiterhin durch stationäre Wohnanlagen in Randgebieten oder sehr große Wohneinrichtungen geprägt. Dabei ist die Gruppe der Menschen mit schweren geistigen und mehrfachen Behinderungen von dieser gesellschaftlichen Exklusion in besonderer Weise betroffen. Es soll in diesem Buch der Frage nachgegangen werden, welche strukturellen Voraussetzungen gegeben sein müssen und welche Handlungsperspektiven sich anbieten, um ein konventionsgerechtes Wohnen in der Gemeinde auch für Menschen mit schweren Behinderungen gewährleisten zu können und welche Handlungsperspektiven sich anbieten, um den Forderungen von Artikel 19 nachzukommen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel I.3, Historische Hintergründe und wissenschaftliche Erkenntnisse: Wohnbedürfnisse von erwachsenen Menschen mit Behinderungen wurden viele Jahrzehnte kaum wahrgenommen, geschweige denn respektiert. Die derzeitige Wohnsituation von Menschen mit Behinderungen (s. Kap. I.6), kann nur in ihrem historischen Kontext verstanden werden, denn der ‚lange Arm der Geschichte’ reicht bis in die heutige Zeit hinein. Deshalb sollen im Folgenden die historische Entwicklung der institutionellen Betreuung von Menschen mit Behinderungen sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Erving Goffman zur Unterbringung in Anstalten dargestellt werden. Des Weiteren soll auf das in diesem Zusammenhang stehende Problem der strukturellen Gewalt in der institutionellen Betreuung eingegangen werden. I.3.1, Entwicklungen der institutionellen Betreuung von Menschen mit Behinderungen: Die Wurzeln der institutionellen Betreuung von Menschen mit (geistiger) Behinderung liegen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bis dahin war es die Regel, dass Menschen mit geistiger Behinderung in ihren Familien betreut wurden bzw. in Hospitälern, Klöstern, Gefängnissen, Armen- und Arbeitshäusern oder auch Zucht-, Irren- und Tollhäusern untergebracht waren oder sich als Bettler oder Landstreicher durchschlagen mussten. Im Rahmen der Industrialisierung sowie der mit ihr verbundenen Landflucht und dem Zerfall der (bäuerlichen) Großfamilien kam es zu den ersten Gründungen großer Anstalten, welche sich größtenteils der christlichen Nächstenliebe verpflichtet sahen (vgl. Störmer 2007: 144, McManama 2010: 62). Während diese zunächst als Sammelbecken für alle, die nicht mehr von ihren Familien versorgt werden konnten, dienten, wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts spezielle Institutionen für Schwachsinnige mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung gegründet (vgl. Seifert 1997: 22 f., Hahn et al. 2004: 16 f.). Die Exklusion geistig behinderter Menschen aus der Gemeinschaft wurde auf unterschiedliche Weise begründet. Zum einen sollte die Bevölkerung vor möglichen Gefahren geschützt werden, die von den behinderten Menschen auszugehen drohte, zum anderen wurde das berechtigte Forschungsinteresse der Mediziner als Rechtfertigung angeführt und darüber hinaus war man der Meinung, dass die pädagogische Förderung behinderter Menschen, in speziellen Einrichtungen am besten zu gewährleisten sei (vgl. Seifert 1997: 11). Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert setzten sich verstärkt neue Sichtweisen auf alle vermeintlich von der Norm abweichenden Menschen durch, welche zunehmend von sozialdarwinistischen, eugenischen und rassistischen Vorstellungen geprägt waren. Diese führten 1933 zum ‚Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses’ und fanden ihren grausamen Höhepunkt in der ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens’ sowie dem Missbrauch von Menschen mit Behinderungen als medizinische ‚Versuchskaninchen’ im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms (vgl. Störmer 2007: 145). Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Tradition der Betreuung in großen Anstalten, psychiatrischen Kliniken und Pflegeeinrichtungen zunächst fort. Diese gerieten allerdings wegen ihrer Isolation von der Gesellschaft und der größtenteils menschenunwürdigen Lebensbedingungen zunehmend in die Kritik (vgl. Seifert 1997: 11). Es erwuchsen Reformansprüche an die Unterbringung behinderter Menschen, welche sich u.a. aus den Erkenntnissen Erving Goffmans über das Leben in sogenannten Totalen Institutionen verbreiteten (vgl. McManama 2009: 42). I.3.2, Erving Goffman: Die Totale Institution: Eine allgemeine Definition des Begriffs Institution findet sich bei Schroeter: Demnach wird unter einer Institution eine menschliche Organisation verstanden, die einen bestimmten Zweck verfolgt, sich auf Regeln und Normen stützt sowie über einen gewissen Personalbestand und eine entsprechende materielle Ausstattung verfügt (vgl. Schroeter 2009a: 11). Jantzen definiert Institutionen unter Bezugnahme auf Bourdieu als ‘[…] spezifische Formen menschlicher Austauschverhältnisse mit internen Hierarchien sowie mit inneren und äußeren Grenzen. Sie bestimmen unmittelbar die Lebenslage der in ihn lebenden Menschen, also den Spielraum, den die äußeren Lebensumstände den Menschen geben’ (Jantzen 2003: 296). Der von Erving Goffman geprägte Begriff der Totalen Institution ‘[...] läßt sich als Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Individuen definieren, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen’ (Goffman 1973: 11). Während es in einer modernen Gesellschaft üblich ist, dass Menschen jeweils an verschiedenen Orten spielen, arbeiten und schlafen, finden in Totalen Institutionen diese drei Lebensbereiche alle am selben Ort unter derselben Autorität statt. Alle Mitglieder teilen hier ihren exakt geplanten Alltag mit einer großen Gruppe von ‚Schicksalsgenossen’, mit denen sie die gleiche Tätigkeit kollektiv zu verrichten haben. Diese dient der Erfüllung eines rationalen Plans, der dazu da ist, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen (vgl. ebd.: 17).

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