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- Systemische Heimerziehung: Grundhaltungen und veränderte Kontexte in der Heimerziehung
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die stationäre Erziehungshilfe befindet sich in Deutschland in einem besonderen Spannungsfeld zwischen der Wahrung der elterlichen Erziehungskompetenz auf der einen und dem Schutz des Kindeswohls auf der anderen Seite. Um dem hohen gesetzlichen Anspruch im Bereich erzieherischer Hilfen gerecht zu werden, bedarf es gerade bei Fachkräften im stationären Bereich einer klaren Grundhaltung, auf der das pädagogische Handeln aufbaut. Der systemische Ansatz liefert nicht nur diese Grundhaltung, sondern hält auch eine Vielzahl von Methoden bereit, welche sich bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Jugendhilfe als nützlich erweisen können. Dieses Buch gibt einen Überblick über die historische Entwicklung der Heimerziehung und des systemischen Beratungsansatzes. Es soll die Möglichkeit eröffnen, die stationäre Erziehungshilfe nicht mehr als letztes Mittel zu begreifen und lange Hilfekarrieren zu verkürzen. Hierzu wird der historische Kontext der Heimerziehung aufgearbeitet und unter Berücksichtigung der Entwicklungen im KJHG und der systemischen Perspektive, in einen neuen Gesamtzusammenhang gebracht.
Textprobe: Kapitel 2.3.4, Partizipation und Hilfeplanung: Die Beteiligung von Betroffenen bzw. Hilfeempfängern ist, wie zuvor ausgeführt, ein zentraler Bestandteil des Kinder- und Jugendhilferechts. Diese Partizipation zu gewährleisten soll Aufgabe des sog. Hilfeplanverfahrens sein. Gemäß §36 SGB VIII, werden die Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern vor der Gewährung erzieherischer Hilfen ausführlichen beraten. Die Entscheidung bezüglich der zu gewährenden Hilfen wird unter Einbezug mehrerer Fachkräfte (zuständiger Mitarbeiter des Jugendamtes und andere involvierte Dienste, Lehrer oder die Erzieherin im Kindergarten) getroffen wobei das Wunsch- und Wahlrecht (§5 SGB VIII) der Betroffenen zu berücksichtigen ist. Die Hilfe wird erst nach Rücksprache mit den Eltern und dem Kind oder Jugendlichen gewährt und kann auch an dieser Stelle noch modifiziert werden. In diesem Gespräch wird der Hilfeplan erstellt welcher von allen Beteiligten akzeptiert und für eine Verbesserung der Erziehungsbedingungen als zuträglich befunden wird. Dieses Verfahren ist für Hilfen die auf einen längeren Zeitraum angelegt sind von besonderer Bedeutung. So müssen gerade bei Hilfen, welche außerhalb der Familie durchgeführt werden, regelmäßige Hilfeplangespräche stattfinden und die gesamte Familie muss unterstützend und beratend durch den gesamten Hilfeprozess begleitet werden. Die Hilfeplangespräche dienen der regelmäßigen Überprüfung von Veränderungen der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie sowie der Möglichkeit des Kindes oder Jugendlichen in diese zurückzukehren (§37 SGB VIII). Diese Partizipation der Sorgeberechtigten und auch der Kinder und Jugendlichen stellt im historischen Kontext eine große Veränderung dar. Waren sie früher als Problemfamilien, Bittsteller oder Versager stigmatisiert oder durch die psychosozialen Diagnosen außenstehender Experten bestimmt sollen sie nun an der Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten aktiv teilnehmen. Durch eine aktive Beteiligung am Entscheidungsprozess sind die Hilfeempfänger nicht mehr Objekte einer Maßnahme des Jugendamtes sondern können die von ihnen maßgeblich mitbestimmte Entscheidung nun auch selbst vertreten. Allerdings findet diese Vorgehensweise in der Praxis der Heimerziehung seltener eine Umsetzung als man es aus den gesetzlichen Forderungen heraus vermuten würde. Gerade in Bezug auf die stationäre Erziehungshilfe gibt es nur wenige empirische Studien die sich mit den Beteiligungsmöglichkeiten speziell der Kinder und Jugendlichen befassen. Günder verweist auf die Ergebnisse von Blandow et al. (1999) und stellt fest, dass die Quoten für Betroffenenbeteiligung im Prozess der Hilfeplanung äußerst gering sind. ‘Das ‘günstigste’ Untersuchungsergebnis geht von einer Beteiligung der jungen Menschen in knapp 30% der Fälle aus‘ (Günder 2007, 51). So zeigt sich die tatsächliche Partizipation stark von ihrer Umsetzung durch die Professionellen beeinflusst. Hierzu ist es jedoch unbedingt erforderlich sowohl finanzielle und zeitliche als auch personale Ressourcen zur Verfügung zu stellen damit aus Beteiligung nicht Alibibeteiligung oder gar Nichtbeteiligung entsteht (Wolff/Hartig 2007, 68). Unabhängig von den zeitlichen oder finanziellen Möglichkeiten ist es vor allen Dingen die Grundhaltung der Fachkräfte welche erst die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Partizipation schaffen. Hier spielt beispielsweise das Verständnis von Erziehung eine entscheidende Rolle. Demnach darf eine allzu fürsorgerische Grundhaltung die Betroffenen nicht weiter zum Objekt erzieherischen Handelns machen, sondern muss sie im Hilfeplanverfahren wie im pädagogischen Alltag als Subjekte mit dem Recht auf Berücksichtigung der eigenen Lebensplanung betrachten. Um diese Forderung in Zukunft besser umzusetzen, wäre z. B. eine Festschreibung von Partizipation in den Leitbildern der Jugendämter und Träger denkbar oder auch die Einführung von Beteiligung als Qualitätsmerkmal. Dies würde nicht nur die Hilfeempfänger selbst stärken sondern auch einen Blick auf die Qualitätsstandard aus Sicht der Betroffenen ermöglichen. Ebenfalls könnte Beteiligung durch die Einsetzung heiminterner Gremien (Heimrat) formal abgesichert werden. In Bezug auf die individuelle Hilfeplanung wurde ein Modellprojekt des BMFSFJ mit dem Titel ‘Hilfeplanung als Kontraktmanagement’ durchgeführt (Wolff/Hartig 2007, 67ff.). Diese neuen Wege dürfen jedoch nicht wegen eventueller Unbekümmertheit oder Bequemlichkeit der pädagogischen Mitarbeiter gemieden werden, da es zunächst leichter erscheint Entscheidungen im Team oder alleine zu treffen ohne sich auf langwierige Partizipationsverfahren mit den Kindern und Jugendlichen einzulassen (Günder 2007, 52). Damit wird die Debatte um die Betroffenenbeteiligung in der stationären Erziehungshilfe eine Auseinandersetzung mit den Grundhaltungen und Werten der Fachkräfte und folglich auch ein Thema für deren Ausbildung sowie die Personalentwicklung innerhalb der Einrichtungen.
Thomas Lackas wurde 1984 in Moers geboren. Sein Studium der Sozialen Arbeit an der Ev. Fachhochschule Bochum schloss er 2009 mit dem akademischen Grad des Diploms erfolgreich ab. Bereits während seines Studiums sammelte der Autor einschlägige Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen der Jugendhilfe. Aus der Faszination für die Ansätze aus der systemischen Familientherapie und Beratung entwickelte sich die Idee, systemische Konzepte auch für andere Bereiche der Sozialen Arbeit nutzbar zu machen.
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