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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Altersheime mit 30 bis 50 Prozent Bewohnern, die an hirnorganischen Leistungsstörungen leiden, sind heute keine Seltenheit mehr. Auch alternde, psychisch Kranke werden aus Kostengründen in Pflegeheimen untergebracht. Die Pflegekräfte, die für diese speziellen Anforderungen nicht qualifiziert wurden, fühlen sich durch den Umgang mit aggressiven, verwirrten und depressiven Bewohnern stark belastet. Dennoch werden die Pflegedienstleistungen von immer weniger und schlechter ausgebildetem Personal erbracht. Die Lebensbedingungen, vor allem von Menschen mit Demenz, entsprechen dadurch oft einem ‘Verwahrungsumfeld’. Es fehlt an angemessener psychosozialer Betreuung und deren Finanzierung. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, welche spezifischen Kompetenzen und Inhalte die Soziale Arbeit, angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen, in der stationären Altenhilfe beitragen kann, um die Lebensqualität und die Autonomie hochbetagter Menschen zu erhalten bzw. zu verbessern. In Kooperation mit einem Pflegeheim wurde ein Konzept für das Aufgabenfeld Sozialer Arbeit mit Hochbetagten in der Stationären Altenhilfe entwickelt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3, Die Anforderungen an die Pflege: Der Gesetzgeber fordert im SGB XI Pflege auf der Basis medizinisch-pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse, die die die Pflegebedürftigen aktivieren, vorhandene Fähigkeiten erhalten und ggf. verlorene zurückgewinnen soll. Die aktivierende Pflege fördert die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Pflegebedürftigen. Von den Pflegenden wird erwartet, dass sie die Ressourcen des Pflegebedürftigen ständig berücksichtigen, so dass dieser unter Beaufsichtigung bzw. Anleitung selbst handeln kann. Bei der Leistungserbringung ist die Kommunikation zu verbessern, ebenso ist darauf hinzuwirken, dass auch geistig und seelisch Behinderte, psychisch Kranke und geistig verwirrte Menschen sich in ihrer Umgebung und zeitlich zurechtfinden. Im Altenpflegegesetz wird die insbesondere die medizinisch-pflegerischen Pflege besonders hervorgehoben, die Pflegekräfte legen der Pflege jedoch einen ganzheitlichen Gesundheitsbegriff zugrunde und verstehen Pflege als eine Aufgabe mit einen grundsätzlich hohen Anspruch, die ihren ‘Auftrag’ vom Bedürfnis der jeweils Betroffenen abhängig macht. Durch die Zunahme pflegebedürftiger und akut kranker Bewohner im Heim und des damit verbundenen Arbeitsaufwandes wird ein systematisches, geplantes Arbeiten in der Pflege unumgänglich. Bei der Aufnahme ins Heim erfasst die Informationssammlung systematisch die Pflegebedürfnisse, die Probleme, die Ressourcen und Wünsche des Klienten für die Pflegeplanung. Die Pflegeplanung wird ständig ergänzt und gibt somit den Verlauf des Gesundheitszustandes des Bewohners übersichtlich wieder. Pflege, die innerhalb des Pflegeprozesses geplant, durchgeführt und evaluiert wird, bezieht körperliche wie geistig-seelische und soziale Aspekte ein und unterstützt die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Betroffenen. Die Pflegeplanung bietet die Gewähr für einheitliches und kontinuierliches Vorgehen, auch bei häufigem Personalwechsel und dem Einsatz von Hilfskräften in der Pflege, setzt Prioritäten in der Pflegedurchführung und vereinfacht Übergaben, Fallbesprechungen und Pflegevisiten, weil sie nachvollziehbarer und verständlicher werden. Das Führen der Pflegedokumentation gehört zu den Sorgfaltspflichten in der Pflege, alle Mitarbeiter dokumentieren ihre eigenen Aufgabenbereiche im Rahmen des Pflegeprozesses. Pflegearbeit muss konzept- und theoriegeleitet sein. Dadurch kann sie dem Pflegeteam Leitbilder vorgeben und der einzelnen Pflegekraft Handlungsunterstützung anbieten. Die Personalfluktuation wird verringert und eine schnelle Einarbeitung neuer Pflegekräfte gewährleistet, außerdem wird die Fachlichkeit und die Kommunikation im Team verbessert. Pflegemodelle dienen der Sichtbarmachung von Vorgängen in der Praxis, alltägliche Handlungen werden in einen theoretischen Begründungszusammenhang gebracht. Mit Hilfe solcher Modelle können meist unreflektierte normale Phänomene begreifbar gemacht werden. Bisherige Pflegemodelle wurden ‘bedürfnisorientiert’ für die Krankenpflege entwickelt (Roper u.a. 1987 Orem 1985 Forum Sozialstation/KDA 1992 Krohwinkel 1993). Diese Pflegemodelle wurden für Menschen entwickelt, die vorübergehend ihre Eigenverantwortung und ihren gewohnten Lebensstil an der Pforte abgeben. In den Modellen, die sich an den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) orientieren, bleiben Bedürfnisse wie eigenverantwortliches Wohnen, gewohnte Lebensorientierungen und Eigenaktivitäten ausgeschlossen. Fordert die ‘normale’ Pflege schon viel Verständnis, Einfühlungsvermögen und Rücksicht von den Pflegekräften, so werden bei der Pflege von Menschen mit Demenz vielfältige Kompetenzen erwartet, auf die sie in der Ausbildung i.d.R. nicht vorbereitet werden. Diese Anforderungen können die Geduld der Pflegenden übermäßig strapazieren und häufig sogar überfordern. Wer mit Menschen mit Demenz arbeitet oder lebt, muss, um bewusst agieren zu können, Zugänge zum Verhalten und damit zur Person bekommen, denn nur das Verstehen erzeugt Solidarität und Mitgefühl. In der Pflege von Menschen mit Demenz zählt nicht nur das, was getan wird, sondern wie es getan wird. Die Wertschätzung, Einfühlsamkeit, Echtheit und Aufrichtigkeit der Pflegenden sind das wichtigste Medikament für Menschen mit Demenz und reduzieren deutlich die Verabreichung von Psychopharmaka und den Einsatz von freiheitsreduzierenden Maßnahmen. Kontinuierliche Fortbildung, fachliche Begleitung und psychotherapeutische Unterstützung der Betreuenden könnten die Pflegenden entlasten. Auch fallbezogene Supervisionsarbeit kann eine wirksame Hilfe sein. Grundlegend für das Verständnis von Menschen mit Demenz aber auch für das Eigenverstehen der Pflegenden im Reden und Tun ist das Regressionsmodell der Demenz. So wie das Kind die Mutter benötigt, um Person zu werden, so benötigen Menschen mit Demenz immer mehr primäre Bindungen, um Person bleiben zu können. In dem Umfang, in dem Fähigkeiten verloren gehen, bedarf der Mensch der Unterstützung und Ergänzung, damit er sich noch als Person erfahren kann. ‘Das Ich lebt vermehrt wieder schicksalhaft aus der Spiegelung eines adäquaten Du.’ In der Demenz kehrt der Mensch zu der Abhängigkeit zurück, aus der er ursprünglich kam. Der Unterschied ist, dass der Mensch mit Demenz zwar vergleichbare primäre Bedürfnisse nach Bindung, Halt, Geborgenheit und Liebe wie ein Kind entwickelt, sich dabei aber nicht kindhaft erlebt. Auf kindhafte Bedürfnisse gilt es eine erwachsenengerechte Antwort zu finden. Das herausfordernde Verhalten des an Demenz erkrankten Menschen (als einzige Möglichkeit sich selbst zu spüren) sollte vom Pflegepersonal als Kommunikationsversuch verstanden werden, Wichtig ist eine Suchhaltung, die immer wieder bereit ist herauszufinden, was hier und jetzt für diesen Menschen sinnvoll ist. ‘Die Psyche der Pflegekraft besitzt idealerweise relativ geringe Abwehr- und Widerstandsformen gegen ‘bizarres Verhalten’, weiß auch dieses als Ressource zu nutzen und wertzuschätzen, kann Situationen vorurteilsarm und institutionsdistanziert nach- und einfühlen und behutsam einschreiten, ist in der Interaktion entspannt, spontan, liebevoll, flexibel und ihrer selbst gewiss. In der Sprache der Kontext- und Prozessethik: Sie besitzt einen niedrigen Wert an Domination/Herrschaft und einen hohen Wert an Expressivität.’ 3.4, Die Pflege zwischen Anspruch und Möglichkeiten: Die Einführung der Pflegeversicherung hat den Zwang zur Wirtschaftlichkeit der Alten- und Pflegeheime verschärft. Die Lebenslagen alter Menschen und die inhaltliche Weiterentwicklung einer angemessenen Versorgung und Betreuung werden durch die Zerstückelung pflegerischer Tätigkeiten erneut auf das medizinisch geprägte Paradigma reduziert. Wie schon in Kapitel 2.1 erwähnt, richtet sich die Höhe der Pflegestufe nach der geschätzten Summe der Pflegeminuten, die benötigt werden. Die Mindestzeiten und die Höchstzeiten der Stufen I und II liegen dabei weit auseinander. So ist es durchaus gewollt, dass ein Bewohner in der Stufe I sowohl 47 Minuten als auch 70 oder 90 Minuten in Anspruch nehmen kann. An seinem Status bzw. dem zu zahlenden Tagessatz für die geleistete Pflege ändert sich dadurch nichts. Großräumiger noch ist die Pflegestufe II. So kann ein Bewohner 126, aber auch 210 Minuten beanspruchen. Durch den Katalog der ca. 21 abrechnungsrelevanten Leistungskomplexe wird den Pflegekräften ein eingeschränktes Programm möglicher Tätigkeiten vorgelegt. ‘Darin ist eine strukturelle Missachtung professioneller Pflege zu sehen. Das Spektrum ist sehr viel breiter, als es das dargestellte Leistungsgeschehen widerspiegelt. Durch die engen Zeitkorridore können professionelle Pflegekräfte die erlernten Fähigkeiten der ganzheitlichen Pflege aus Zeitmangel nicht mehr einsetzen.’ Das Stichwort von der ‘Satt- und Sauber-, Trocken-Pflege’ beschreibt es zutreffend. Die Ziele Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und soziale Integration werden missachtet. Pflegebedürftigkeit wird reduziert auf die Primärbedürfnisse Ernährung und Körperpflege. In den Expertisen zum Vierten Altenbericht werden u.a. die Ursachen von beobachteten Pflegemängeln darin gesehen, dass das Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen bis zu 40% ihrer Zeit nicht für Pflegemaßnahmen aufwenden. Folgende Aufgaben, die vom Pflegepersonal bewohnerbezogen und regelmäßig, zum größten Teil täglich gefordert werden, spielen bei der Ermittlung des Zeitaufwandes für die Pflegestufen keine Rolle: die Pflegeplanung und Pflegevisite, das Führen der Pflegedokumentationen, Teamgespräche und Übergaben, die Medikamentenverwaltung einschließlich Verteilung, Begleitungen, Bewohner- und Angehörigengespräche, der gesamte psychosoziale Bereich. Auch die Durchführung qualifizierter Behandlungspflege und alle mit den Ärzten zusammenhängenden Aufgaben werden bei der Ermittlung des Pflegebedarfs nicht berücksichtigt, sie wird den allgemeinen Pflegeleistungen zugeordnet. Die täglichen Arbeitsvorgänge werden zerstückelt in Tätigkeiten, die gesetzlich vom Fachpersonal durchgeführt werden müssen und ‘mindere Tätigkeiten’, die aus finanziellen Gründen vom Hilfspersonal ausgeführt werden. Diese Zergliederung der pflegerischen Leistungen macht eine Bezugspflege unmöglich. Gerade für Menschen mit Demenz ist es von elementarer Bedeutung, dass sie feste und vertraute Bezugspersonen haben, Ohne feste Bezugspersonen ist es nicht möglich, einen stabilen Kontakt herzustellen und Biographie und Vorlieben sowie Abneigungen kennen zu lernen. Nur eine vertraute Bezugsperson ist mit diesem Wissen in der Lage, sich auf einen Menschen mit Demenz, seine Stimmungsschwankungen, seine Unruhe und auch auf seine Angst verstehend einzulassen. Wird die Begleitung aber - wie in vielen Einrichtungen der Altenhilfe noch - mit ständig wechselnden Mitarbeitern aus Pflege und Hauswirtschaft organisiert, bereitet das desorientierten alten Menschen, die sich nur schwer auf veränderte Situationen einstellen können, viel Stress und Angst. Pflege in Einrichtungen kann nur leisten, was im Rahmen vergütungsbedingter vorhandener Pflegezeit machbar ist. Zwischen dieser bewilligten Zeit und der notwendigen Pflegezeit besteht eine große Diskrepanz. Bei der Definition von Pflegequalität und der Bestimmung, der zu ihrer Feststellung notwendigen Parameter, wird vom MDK eine Pflegequalität gefordert, die nicht bezahlt wird und nicht bezahlt werden kann. Die Verantwortlichen werden in dem Dilemma zwischen Qualitätsanspruch und Finanzierbarkeit allein gelassen. Den Erfordernissen hoher Effizienz wird vielfach durch eine Arbeitsverdichtung auf Seiten der Mitarbeiter bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an die pflegerische Qualität der Arbeit nachgekommen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Das Berufsbild der Altenpflege zeichnet sich durch hohe gesundheitliche Belastungen, eine vergleichsweise geringe Arbeitszufriedenheit sowie eine hohe Fluktuationsneigung aus. Hoher Zeitdruck und häufige Arbeitsunterbrechungen beeinträchtigen die Gesundheit der Beschäftigten. Stressreaktionen und psychosomatische Erkrankungen sind die Folge. Innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden begrenzten zeitlichen Ressourcen, können Pflegende ihren hohen ethischen und fachlichen Ansprüchen oft nicht angemessen gerecht werden. 62 Prozent der befragten Altenpfleger/innen geben an, zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten zu haben. Aus der Beziehung zu alten und kranken Menschen können emotionale Belastungssituationen entstehen, doch auch Konflikte mit zum Teil aggressiven, dementen oder psychisch veränderten Bewohnern erfordern häufig eine besonders hohe Toleranz und Geduld. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass der Konflikt zwischen den hohen Ansprüchen an die Betreuung der Bewohner bei gleichzeitiger Belastung durch nörgelnde und aggressive Bewohner, den Altenpflegern offenbar besonders stark das Gefühl vermittelt, dass ihr Einsatz ‘nicht ausreicht’.

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