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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In dem vorliegenden Buch werden Handlungsstrategien gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bei Jugendlichen historisch und vergleichend untersucht und sich damit auseinandergesetzt, welche Schlussfolgerungen sich aus dieser Perspektive für eine heutige Handlungsstrategie ziehen lassen. Die Motivation für die vorliegende Studie resultiert aus der ehemaligen Tätigkeit des Autors als Dozent in der politischen Jugendbildung in Berlin und Brandenburg. In Gesamt- und Berufsschulen Ostberlins und Brandenburgs beobachtete er häufig die Dominanz einer rechtsextremen Jugendkultur und von fremdenfeindlichen Einstellungen in den Klassen. Die von ihm darauf angesprochenen Lehrkräfte ignorierten häufig diese Situation, begegneten ihr zumeist hilflos und einige wenige der Lehrkräfte teilten sogar die Einstellungen der rechten Jugendlichen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.7.2, Die Mängel in der praktischen Umsetzung: Die Kritik an der praktischen Umsetzung der akzeptierenden Jugendarbeit mit Jugendlichen in rechten Jugendcliquen in einzelnen Projekten, aber auch an der gesamten Umsetzung des AgAg-Programms, vollzieht sich auf mehreren Ebenen. Die erste ist die auf das Konzept abzielende Kritik, daß mit der Übertragung des Begriffs akzeptierend für die Jugendarbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen keineswegs das Konzept von Krafeld u.a. in seiner Reinform, sondern nur ein diffuser Begriff der Akzeptanz auf diese Arbeit übertragen worden ist: Selbst die von Krafeld aufgestellten Grenzen der akzeptierenden Sozialarbeit wurden teilweise missachtet, das ging bis hin zur Bestellung von Bussen für Nazi-Demonstrationen, der Produktion von CDs von rechtsextremistischen Bands oder der Erstellung von rechtsextremen Homepages, um damit die Kreativität der jungen Leute zu fördern . Krafeld fordert in seinem Konzept die Konfrontation der rechtsorientierten Jugendlichen mit humanistischen und demokratischen Einstellungen und Werten durch den Sozialarbeiter, der diese durch seine Person in der Beziehungsarbeit repräsentiert. Dies ist aber selbst für langjährig geschulte wertefeste Sozialarbeiter schwierig und auch nur durch begleitende Maßnahmen wie regelmäßige Supervision und Fortbildung (eventuell) durchzuhalten. Mit der Umsetzung des AgAg 1992 stand die Sozialarbeit in den neuen Ländern aber vor einem Neuaufbau, da sie auf keine entsprechenden Strukturen zurückgreifen konnte. Rund 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden über das AgAg-Programm beschäftigt. Über 70% dieser Angestellten kamen aus fachfremden Berufen und 9% waren ausgebildete Lehrer. Diese wurden in Schnellkursen auf ihre Arbeit vorbereitet, (...) was äußerst fragwürdig erscheint und die Gefahr erhöht, daß das theoretische Konzept der ‚akzeptierenden Jugendarbeit’ in der Praxis zur gefährlichen Beliebigkeit wird . An das Personal werden nach dem Konzept von Krafeld u.a. in der Wertefestigkeit und der Werteorientierung hohe Ansprüche gestellt. Durch die theoretische Grundlage der akzeptierenden Jugendarbeit mit Jugendlichen in rechten Jugendcliquen selbst ist aber die Praxis entpolitisiert. Dies hat für die Einstellung von Personal entsprechende Folgen: Von politischer Distanz zum Klientel, Kenntnis des bundesdeutschen Grundgesetzes, oder gar Wertesicherheit bezüglich demokratischer Grundstandards (z.B. Minderheitenschutz) konnte bei den Erwachsenen, die Anfang der 90er Jahre in den neuen Bundesländern mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen zu arbeiten begannen, keine Rede sein . Beispiele für entsprechende Fehlentwicklungen sind seit 1992 vielfach öffentlich dokumentiert und brachten das AgAg-Programm so weit in Bedrängnis, daß die Weiterführung 1994 gefährdet war. Nur drei extreme Beispiele sollen hier erwähnt werden, um die pädagogische Katastrophe deutlich zu machen. So wurden 1992 im Jugendclub Sandow in Cottbus Neonazis von Sozialarbeitern betreut, die selbst aus der rechten Skinhead-Szene kamen. Im gleichen Jahr wurde in Hoyerswerda öffentlich, daß im Jugendclub WK 10 die rechtsextreme Deutsche Alternative ihren Treffpunkt hatte und der Sozialarbeiter hinter der Theke selbst gegen Ausländer randaliert hat und zu seiner Vergangenheit steht . Seit 1995 konnte die vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextremistische Band Proissenheads in einem städtischen Jugendclub in Potsdam unter den Augen und Ohren der dort angestellten Sozialarbeiter proben. Erst nachdem diese Tatsache 1998 öffentlich wurde, verlor die Band ihren Proberaum. Der Leiter des Jugendclubs, der akzeptierende Jugendarbeit praktiziert, hielt die öffentliche Kritik daran und das Auftrittsverbot für die Band für ungerechtfertigt und fragte: Wer hat den Proissenheads eine Chance gegeben und hat sie selbst etwas sagen lassen? 4.7.3, Die Folgen für das lokale soziokulturelle Klima: Ein weiterer zentraler Kritikpunkt an der akzeptierenden Jugendarbeit mit Jugendlichen in rechten Jugendcliquen sind die Folgen für das soziokulturelle Klima in den Kommunen. In der akzeptierenden Jugendarbeit ist es ein wesentlicher integraler Bestandteil, den rechten Jugendlichen einen öffentlichen Raum zu bieten, in denen sie rechte Ästhetik, rechte Musik und rechtsextreme Argumente und Anschauungsmuster ungehindert kultivieren dürfen. Die Kritik daran ist nun, daß ein solcher Ansatz (...) aber offensichtlich die strukturellen Entwicklungen des deutschen Rechtsextremismus in den neunziger Jahren ignoriert . Diese strukturelle Entwicklung skizziert Bernd Wagner so, daß die heutigen Wurzeln der NPD und ihrer Jugendorganisation in den neuen Bundesländern vor allem in einer rechtsextrem orientierten Jugendkultur lägen, die in der Lage sei, erhebliche soziokulturelle Kapazitäten aufzubringen und sozialräumliche Dominanzen herzustellen. Der wichtigste Kernpunkt dieser kulturellen Subversionsidee ist es, die Mentalität von Menschen zu ändern, alltagskulturelle Momente sollen hier im Mittelpunkt stehen. Für Jugendclubs bedeutet diese rechtsextreme Strategie, daß ständig rechte Musik gespielt wird, eine entsprechende Mode unter den Jugendlichen entsteht, Eß- und Sprachgewohnheiten kultiviert werden und sogar die Partnerwahl nach völkisch-arischen Gesichtspunkten erfolgt. Für die NPD und die rechtsextremen Kameradschaften sind für diese Strategie die Jugendclubs besonders geeignet, um die rechte kulturelle Dominanz zu festigen, da sie mitunter Hilfe aus den Reihen der Sozialarbeiter erfahren, die individual-therapeutisch arbeiten. Die falsch verstandene akzeptierende Jugendarbeit mit Jugendlichen in rechten Jugendcliquen leistet so den rechtsextremen Dominanz- und Ausbreitungsbemühungen Vorschub. Um dies für ausgewählte Regionen in Berlin und Brandenburg deutlich zu machen, hier einige Beispiele: 1. Eberswalde/ Finow: In dem Maß, wie nach 1993 antifaschistische Jugendliche ihren Einfluß von Finow aus auf die Jugend von Eberswalde ausdehnen konnten, zogen sich die Rechtsextremen zurück, und nur noch wenige Jugendliche bekannten sich äußerlich als Rechte . Es gab kaum noch nennenswerte Angriffe auf Ausländer oder Linke. Trotzdem wurde den verbliebenen Rechtsextremen im Rahmen des AgAg-Programms 1993 in Eberswalde ein Objekt zur Verfügung gestellt, in dem akzeptierende Jugendarbeit mit ihnen geleistet wurde und im Verlauf des Projektes ein Mitarbeiter wegen seiner Nähe zur rechtsextremen Organisation Nationalisti-sche Front (NF) entlassen wurde. Die Rechtsextremen in Eberswalde konnten ihre Szene über den Jugendclub stabilisieren und vorläufig nach der Auflösung der örtlichen Antifa-Jugend eine dominante rechtsextremistische Jugendkultur an den Schulen durchsetzen. 2. Königs – Wusterhausen: Der Verdrängungsprozess und die Förderung von sozialräumlicher Dominanz von Rechtsextremen durch die Orientierung am akzeptierenden Ansatz wurde auch für Königs-Wusterhausen von der Wochenzeitung Jungle World dokumentiert: Ein Großteil unserer Besucher ist rechtsorientiert, ein Teil sei gewaltbereit , gesteht Mathias Pietsch etwas ratlos seine Arbeitsvoraussetzungen ein. Er ist Streetworker in dem umstrittenen Jugendclub Oase im brandenburgischen Königs-Wusterhausen, der als Stützpunkt der rechten Szene in die Kritik geraten ist. Um akzeptierende Jugendarbeit handele es sich bei seiner Tätigkeit aber nicht: ‚Wenn rechtsextreme Zeitschriften, Aufkleber und CDs verteilt werden, schreiten wir ein.’ Ein Hausverbot werde allerdings selten ausgesprochen: ‚Da muß schon Drastischeres passieren’, so Pietsch. Daß es im Jugendclub selbst meist friedlich zugeht, könnte auch daran liegen, daß linke Jugendliche der ‚Oase’ aus Angst vor Übergriffen fernbleiben. ‚Der Verdrängungsmechanismus greift’, wie auch Pietsch feststellt . 3. Potsdam: Hier ist zu verzeichnen, daß vor allem in den Potsdamer Außenbezirken rechtsextreme Jugendliche das öffentliche Bild prägen, sei es nun auf Sportplätzen, an Imbißbuden oder in Jugendclubs. Ein Beispiel für den vermeintlichen Erfolg einer akzeptierenden Jugendarbeit ist der Jugendclub Lindenpark . Dieser Club hatte sich 1993 nach einem Naziüberfall für akzeptierende Jugendarbeit entschieden. Wie ein Mitglied des Potsdamer Antifa-Bündnisses erklärte, sei die Folge gewesen (...), daß sich alternative Jugendliche aus dem Club zurückziehen mussten . 4. Berlin – Prenzlauer Berg: Eine ähnliche Entwicklung konnte um den Jugendclub Baracke im Prenzlauer Berg beobachtet werden. Das Projekt war 1997 ins Leben gerufen worden, um gewalttätige Jugendliche von der Straße zu holen. Die Jugendlichen im Club seien keine rechtsextremistisch orientierten, sondern wertkonservativ eingestellte Jugendliche, so die Sozialarbeiter aus dem Club. Trotzdem wurde dieser Jugendclub zum Streitobjekt, da sich mehrere linke Jugendliche beklagten, daß ihnen ein Aufenthalt im Umfeld des Jugendclubs nicht mehr möglich sei. Sie fühlten sich durch die Besucher der Baracke bedroht.

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