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- Pseudowissenschaft Terlusollogie®. Ein Beitrag zum Demarkationsproblem für Studierende der Sozialen Arbeit
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 200
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Soziale Arbeit als Sozial- und Handlungswissenschaft hatte über Jahrzehnte mit dem Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit, zu geringer Empirie und Anfälligkeit für fragwürdige Praxismethoden zu kämpfen. Obwohl es auch heute noch vereinzelte Kritik an bestimmten Aspekten gibt, hat sich die Soziale Arbeit doch mittlerweile ihren Stand als anerkannte Wissenschaft erkämpft. Umso wichtiger erscheint es, gerade in der Ausbildung, dem wissenschaftlichen Studium, im Rahmen der Propädeutik nicht allein Zitationsweisen, sondern tatsächlich wissenschaftliches Denken zu lehren, um den erreichten Stand zu sichern. Dazu gehört auch das Nachdenken über das Demarkationsproblem, also die Frage, was Wissenschaft von anderen Feldern der Erkenntnis- und Wahrheitssuche unterscheidet. Der vorliegende Text soll dazu einen Beitrag leisten, indem anhand einer Pseudowissenschaft im tatsächlichen Sinne aufgezeigt wird, welche Kriterien dazu geeignet sein könnten und welche weiteren Aspekte bedenkenswert erscheinen. Der Text richtet sich dabei sowohl an Lehrende im Bereich der Propädeutik und Wissenschaftstheorieinteressierte als auch an Studierende der Sozialen Arbeit und angrenzender Fächer.
Textprobe: Kapitel 5.2.1 - Kritik zu (2) Atemtypen und Prägung im Moment der Geburt : Es ist offensichtlich, daß hier sowohl definitorisch wie auch faktisch eine der Hauptannahmen der Terlusollogie, nämlich die Prägung des Atemzentrums an einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Atemtyp hin, von den Tatsachen und der Komplexität der Wirklichkeit überholt wird. Dies beginnt bereits mit dem Begriff der Geburt. Da die Terlusollogie den Anspruch erhebt, eine Erfahrungswissenschaft zu sein, muß sie sich auch an den herkömmlichen wissenschaftlichen Standards messen lassen, die auch für den Bereich der exakten Definition gelten. Wenn also mit Begriffen wie dem Geburtszeitpunkt argumentiert wird, so stehen die Terlusollogen in der Pflicht, zu definieren, was damit genau gemeint ist. Denn 'Geburt' stellt (zumindest beim Menschen und bei höheren Säugetieren) nicht einen genau ermittelbaren Zeitpunkt dar, sondern einen phasierten Prozeß. Strittig ist dabei schon, wann die Geburt einsetzt. In der medizinischen Fachliteratur werden dafür mehrere Möglichkeiten angegeben, so entweder der Zeitpunkt des Einsetzens der Eröffnungswehen, oder bei regelmäßigen, alle zehn Minuten auftretenden Wehen, welche über eine halbe Stunde anhalten und die Portio ganz oder teilweise aufgebraucht ist, oder beim Beginn einer regelmäßigen, schmerzhaften sowie anhaltenden Wehentätigkeit, auch könnte der Blasensprung (mit oder ohne Wehen) als Geburtsbeginn definiert werden, wobei es eine Latenzzeit zwischen Blasensprung und Eröffnungswehen von mehreren Tagen oder Wochen geben kann, sofern ein früher, vorzeitiger Blasensprung (vor der 37. SSW) erfolgt . Hinzu treten juristische Definitionen, die jedoch je nach Rechtslage eines Staates unterschiedlich sein können und hier weniger von Belang sind, was auch für den Zeitpunkt des Geburtsabschlusses gilt. Nach Schwegler & Lucius (2011: 398 f) besteht die Geburt aus der Eröffnungs- und Austreibungsphase (die Eröffnungsphase beginnt mit regelmäßigen Wehen im Abstand von 15 bis 20 Minuten, die Austreibungsphase mit der vollständigen Öffnung des Muttermundes), wobei zur Austreibungsphase auch die Nachwehen gehören, bei der die Plazenta und die Eihäute ausgetrieben werden, was 30 bis 60 Minuten dauern kann. Die Dauer der Eröffnungsperiode kann dabei schwanken (bei Erstgebärenden bis zu zwölf Stunden, ansonsten ca. fünf bis sieben Stunden), die Austreibungsphase (ohne Nachgeburt) ca. 15 bis 60 Minuten (ebd.: 399). Der Geburtsprozeß kann also tatsächlich viele Stunden dauern, wobei auch Tageszeiten wechseln können oder die Datumsgrenze überschritten werden kann. Jedoch ist auch offensichtlich, daß sich dieser Prozeß definitorisch an der Mutter orientiert. Das allerdings stellt die Terlusollogie vor ein definitorisches Problem, da, wie zu sehen, der Geburtsprozeß eben wegen der Austreibung auch die Nachgeburt erfaßt, also einen Zeitpunkt, zu dem das Kind bereits vollständig aus dem Mutterleib ausgetreten und die Abnabelung im Normalfall bereits erfolgt ist. Für das Kind endet die Geburt (Abnabelung) also zu einem anderen Zeitpunkt als für die Mutter. Deshalb muß die Aussage der Terlusollogen schon rein sachlich falsch sein, wenn sie behaupten, eine Atemtypsprägung fände im Moment der Geburt statt, da es ein solches Moment überhaupt nicht gibt, sofern man nicht den gesamten, mutterorientierten Geburtsprozeß als Moment verstehen will. Dagegen ließe sich jedoch einwenden, daß es unsinnig sei, dies an der Mutter festzumachen und nicht am Kind – doch für dieses endet die Geburt eben schon früher, so daß auch hier kein Geburtsmoment auszumachen ist, da ja die Prägung des Atemzentrums erst beim ersten Atemzug geschehen soll, ein Zeitpunkt, der im Normalfall nach der Abnabelung und damit nach dem kindbezogenen Geburtsprozeß liegt. Somit erweist sich das Moment der Geburt eher als Rückgriff auf eine Mystifikation denn als erfahrungswissenschaftlich brauchbarer Zeitpunkt. Deutlich gesagt, würde also die von den Terlusollogen behauptete Atemtypsprägung, wie man es auch wendet, erst nachgeburtlich eintreten, was eine der Grundaussagen der Terlusollogie ad absurdum führt. Aus den im vorhergehenden Abschnitt besprochenen medizinischen Aspekten während der Schwangerschaft ergibt sich allerdings ein weiteres Problem für die Terlusollogie, und zwar hinsichtlich des ersten Atemzugs , wobei deutlich darauf hingewiesen werden muß, daß sich hier in den terlusollogischen Quellen keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, daß damit ausschließlich aerobe Atemzüge gemeint sind. Wie dargelegt werden konnte, führt der Fötus bereits im Mutterleib umfangreiche Atembewegungen aus, die sicherlich kaum als bewußtes Atmen eingeordnet werden können. Der erste Atemzug findet also nachweislich bereits lange vor dem Einsetzen des Geburtsprozesses statt, wobei sich dieser Zeitpunkt nachträglich ohne vollumfängliche medizinische Überwachung wohl kaum rekonstruieren lassen dürfte. Auch erweist sich mit den FAB die Behauptung der Terlusollogen, daß mit dem ersten nachgeburtlichen Atemzug das Atemzentrum aktiviert wird, als apodiktische Aussage verstanden als unzutreffend – denn tatsächlich ist es bereits vorher aktiv (wenn auch mit anderer 'Empfindlichkeit'), da sonst die FAB nicht möglich wären. Von einer Aktivierung läßt sich also keineswegs sprechen. Würden die Terlusollogen jedoch dennoch auf den ersten Luftatemzug abstellen, wäre die prägende Qualität dann aber wohl eher bei der eingeatmeten Luft zu suchen und weniger bei der Sonne oder dem Mond – sofern die Terlusollogen in diesem Fall ihre phantastischen Spekulationen nicht um den Aspekt einer durch den Einfluß des Mondes bzw. der Sonne veränderten Luft erweitern würden, was wiederum zahlreiche neue Fragen und Probleme nach sich ziehen dürfte. Ein weiterer Punkt betrifft die angeblich lebenslang anhaltende und unveränderliche Prägung auf einen Atemtyp . Denn wie ebenfalls ausgeführt wurde, unterscheidet sich das Atemverhalten in den ersten 24 Stunden nach der Geburt von späteren Zeitpunkten. Ein Neugeborenes hat sicherlich keine Möglichkeit, einen falschen Atemtyp entgegen der Prägung z.B. durch Nachahmung usw. zu erlernen, eine Möglichkeit, die von Terlusollogen für spätere Lebensalter behauptet wird (ein weiterer Immunisierungsversuch). Nach der terlusollogischen Lehre müßte es also auch in diesen ersten 24 Stunden seinem Atemtyp gemäß atmen und dies auch später beibehalten. Wie zu sehen, ließe sich eine solche Behauptung jedoch nicht halten. Da die Atemtypsprägung jedoch nicht nur physiologische Auswirkungen haben, sondern auch auf bestimmte psycho-soziale Präferenzen und soziales Verhalten prägend wirken soll, stellt sich die Frage, wie dies durch eine (wie auch immer hervorgerufene) Prägung des Atemzentrums geschehen soll, obgleich hier doch der Verdacht der genetischen Disposition (nicht: Determinismus!) und entsprechender Sozialisation viel näher liegt. Damit läßt sich auch ein Argument anwenden, das nach Prokop & Wimmer (2006: 8 ff) auch hinsichtlich der Astrologie wirksam ist, nämlich die einfache Feststellung, daß es ab und inklusive des Zeitpunkts der Zeugung sehr viele andere Einflußzeitpunkte geben kann. Warum soll eine Prägung gerade des Atemzentrums und in Verbindung mit dem ersten Atemzug stattfinden, wobei die Art der Prägung bzw. ihre Entstehung von den Terlusollogen in keiner Weise näher erläutert wird? Es läßt sich des Eindrucks nicht erwehren, daß, da es ja um Atemtypen geht, hier das Atemzentrum einfach begrifflich besser paßt als Ausführungen zu Eizellen, Spermien oder Zygoten oder gar genetischer Aspekte. Doch sagt die Ähnlichkeit von Begrifflichkeiten nichts über Wirkbeziehungen der mit diesen Begriffen bezeichneten Phänomene untereinander aus, was ansonsten in gewissem Sinne der magischen Signaturenlehre entsprechen würde, oder auch in einem weiten Sinne dem Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie. Doch muß dies hier nicht vertieft werden. Doch gesetzt den Fall, es würde eine Einwirkmöglichkeit durch den Winkelgrad der Sonne am Himmel und der Beleuchtung des Mondes durch die Sonne auf das menschliche Atemzentrum geben, so würde, nach der Logik der Terlusollogie, es nicht ausreichen, entweder nur den Sauerstoffgehalt oder nur den Kohlendioxidgehalt des Blutes zu verändern – tatsächlich müßte Wirkung auf beide Werte erzielt werden, und zwar entgegengesetzt, sofern davon ausgegangen wird, daß pCO2 oder pO2 etwas mit der Entstehung des Atemtyps zu tun hätten – was auch bedeuten würde, daß es nicht eine unbekannte Kraft geben müßte, sondern zwei, da nicht denkbar ist, wie nur eine Kraft gleichzeitig auf Sauerstoff und Kohlendioxid in genau entgegengesetzter Weise wirken sollte, zudem sich ja auch Kohlendioxid im Zellinneren befindet, was auch für die Zellen des Atemzentrums gilt (wobei sich der Abbau eines der beiden Stoffe noch vorstellen läßt – wie jedoch eine Vermehrung, also eine Entstehung aus dem Nichts möglich sein soll, bleibt unvorstellbar). Zudem würde dann allerdings auch eine mögliche Auswirkung direkt auf den pH-Wert des Liquors im Raume stehen, denn wenn sich eine unbekannte Kraft auf Sauerstoff und Kohlendioxid auswirken kann, warum dann nicht auch auf den pH-Wert? Als weitere Möglichkeit käme in Betracht, daß diese Kraft direkt auf die beiden differenten Zellgewebe des Atemzentrums einwirkt oder auch nur auf eines. Dies würde aber den Verdacht nahelegen, daß es sich um eine Art Strahlung handelt, ähnlich den Röntgenstrahlen, da hierzu ja sowohl Haut, Knochen und Gewebe durchdrungen werden müßte. Problematisch an dieser Vorstellung ist, daß, will man nicht annehmen, daß nur das Atemzentrum quasi zielgerichtet 'bestrahlt' wird (was dann einen zielgerichtet Handelnden erfordern würde) diese Strahlung den gesamten Körper des Neugeborenen durchdringen müßte. Wieso dann aber nur eine Wirkung auf das Atemzentrum eintreten soll und nicht auch auf andere Zellverbände, insbesondere des Gehirns, bleibt rätselhaft, auch, warum eine solche Strahlung unschädlich sein sollte. Denkbar wäre dabei z.B. auch ein Zell- bzw. Gewebetropismus. So zeigen z.B. bestimmte Erreger und Toxine eine Affinität zu bestimmten Geweben , gewebespezifische Veränderungen durch (real existierende) äußere Einflüsse existieren also fraglos. Nimmt man allerdings eine unbekannte Kraft als Erklärung an, so ist man auch frei darin, einen Gewebetropismus durch 'Mondstrahlung', Sonnenmagnetismus oder eine Kombination aus beidem anzunehmen. Problematisch daran ist wiederum, daß Gewebetropismus im Normalfall negative Wirkungen hat (Zerstörung des Gewebes) – wobei sich derlei Einwände auch noch weiterspinnen ließen, so z.B. bis hin zur Behauptung, daß es gerade die durch Terlusollogen propagierten Einflüsse seien, die spätere Krankheiten, Verhaltensauffälligkeiten usw. überhaupt erst auslösen würden und Gebärende deshalb besonders vor derlei 'unbekannten Kräften' geschützt werden müssten. Solche möglichen negativen Wirkungen, die, wird das terlusollogische Weltbild akzeptiert, ebenfalls denkbar sind, blenden Terlusollogen jedoch einfach aus, was als äußerst einseitige Darstellungsweise bezeichnet werden kann. Alle geschilderten, die Atmung betreffenden Aspekte müssen auch den Autoren Hagena & Hagena bekannt sein, da beide Mediziner sind, Charlotte Hagena gar Kinderärztin. In den Büchern zur Terlusollogie der beiden Autoren erfährt der Leser jedoch nichts von diesen Aspekten, abgesehen von dem Hinweis, das Atemzentrum würde bei der Geburt in irgendeiner Weise von Sonne oder Mond beeinflußt und erstmalig 'aktiviert', was, wie zu sehen war, überdies in dieser Vereinfachung falsch ist. Insgesamt läßt sich festhalten, daß sich die 'Erkenntnisse' der Terlusollogie hinsichtlich irgendeiner Prägung zu einem Atemtyp im Zusammenhang mit der Geburt nicht in Einklang bringen lassen mit gut erforschten und empirisch belegbaren medizinischen Erkenntnissen und physiologischen Tatsachen. Die Aussagen bzw. Behauptungen der Terlusollogie sind diesbezüglich in sich unlogisch, beinhalten Widersprüche und sind definitorisch als unzulänglich anzusehen. Mit dem Adjektiv 'wissenschaftlich' lassen sich diese Behauptungen und Aussagen zumindest nach dem derzeitigen Wissenschaftsverständnis nicht in Zusammenhang bringen.
Uwe Janatzek, MA (Sozialmanagement), Dipl.-Sozialarbeiter, Dipl.-Sozialpädagoge, ist zurzeit als Doktorand an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld, als Dozent für Propädeutik und Sozialinformatik an der Evangelischen Hochschule RWL (Bochum) sowie in beratender Funktion im Rahmen der dortigen Studierwerkstatt tätig.
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