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  • Prävention von sexueller Gewalt an der Schule für geistig Behinderte: Eignung verschiedener Materialien für den Unterricht

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 7
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Menschen mit einer geistigen Behinderung sind durch verschiedene Faktoren besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Neben einer emanzipatorischen, präventiven Erziehungshaltung der Bezugspersonen ist auch die regelmäßige konkrete Thematisierung der Präventionsgrundsätze essentiell. Allerdings gibt es bisher nur vereinzelt Materialien, die konkret für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung entwickelt wurden. Daher wurde im vorliegenden Buch versucht, Kriterien zur Beurteilung der Eignung von Materialien herauszuarbeiten, welche zum einen die besonderen Bedürfnisse und Voraussetzungen von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung aber auch die verschiedenen Aspekte für die Thematisierung von Prävention berücksichtigen sollen. Anhand dieser Kriterien wurden einige Materialien beispielhaft ausgewertet, um aufzuzeigen, für welche Zielgruppe und welche Aspekte von Prävention diese Materialien eingesetzt werden können. Diese Kriterien können auch zur Beurteilung der Eignung anderer Materialien wie in Bezug auf die eigenen Schülerinnen und Schüler, eine Hilfe darstellen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.2, TÄTERSTRATEGIEN: Finkelhor (1984) stellte in einem Stufenmodell vier Vorbedingungen auf, welche der Täter ‚durchläuft‘, bis er die sexuelle Gewalttat umsetzt: ‘1. Ein potentieller Täter muß eine Motivation dazu haben, ein Kind sexuell zu mißbrauchen. 2. Der potentielle Täter muß innere Hemmungen gegen das Befolgen dieser Motivation überwinden. 3. Der potentielle Täter muß äußere Hindernisse überwinden, um sexuellen Mißbrauch zu verüben. 4. Der potentielle Täter oder ein anderer Faktor muß die mögliche Gegenwehr des Kindes gegen den sexuellen Mißbrauch schwächen oder überwinden’ (Finkelhor 1984, 54 zitiert in Becker 2001, 12). Man kann hier erkennen, dass entgegen der gesellschaftlich verbreiteten Meinung – auch durch die Selbstdarstellung der Täter – sich die Täter nicht spontan und völlig ungewollt zur Tat ‚hinreißen lassen‘. In der Täterforschung wird die planvolle Absicht des Täters als Grooming-Prozess beschrieben und gilt in der Fachliteratur als ein wesentliches Merkmal von sexueller Gewalt. Während des Grooming-Prozesses sucht sich der Täter gezielt ein Opfer mit möglichst wenig Widerstandskraft aus, spricht dessen Grundbedürfnisse an, wodurch er dessen Vertrauen gewinnt. Anschließend vernebelt er die Wahrnehmung der Umgebung des Kindes, indem er/sie dieser das Bild eines netten, kinderlieben Nachbarn vorspielt. Eventuell diffamiert er das Kind sogar vor anderen und nutzt immer öfter Situationen aus, um es für die sexualisierten Berührungen zu desensibilisieren. Er impliziert dem Kind, dass es ihn verführt habe, gibt ihm dadurch das Gefühl der Schuld und Scham und macht es dem Kind dadurch nahezu unmöglich, die Geheimhaltung aufzubrechen (Vgl. Roth 1997, 48f Enders 2011, 63ff). Wie eben angedeutet nimmt der Täter seinem Opfer das Versprechen der Geheimhaltung ab. Dadurch entsteht zum einen ein ‘Gefühl von Komplizenschaft und Mitverantwortung’ (Braecker, Wirtz-Weinrich 1994, 29) und zum anderen – eventuell durch Drohungen sogar bestärkt – die Angst vor Strafe, die Familie zu verraten (bei innerfamiliärer sexueller Gewalt) und vor den Folgen der Aufdeckung, z.B. dass sie in ein Heim müssen. Häufig reden Täter ihrem Opfer ein, dass ihnen sowieso keiner glauben würde, was sich auch oft bewahrheitet (Vgl. ebd.). 2.4, PRÄVENTION: 2.4.1, SIGNALE FÜR SEXUELLE GEWALT: Die möglichen Folgen von sexuellen Gewalterfahrungen sind sehr unterschiedlich und schwer erkennbar. Alle Folgeerscheinungen von sexuellen Gewalterfahrungen könnten ebenso auch andere Ursachen haben. Daher muss man mit Verdachtsäußerungen sehr vorsichtig sein. Dies wird allerdings im nächsten Kapitel genauer erläutert. Hier sollen einige mögliche Folgeerscheinungen aufgelistet werden, die unter anderem ein Signal für sexuellen Missbrauch sein könnten: Körperliche Auffälligkeiten: Unklare innere und äußere Verletzungen, Entzündungen oder Fremdkörper im Genital- und/oder Analbereich Bisswunden oder andere Verletzungen in erogenen Zonen Blutergüsse Geschlechtskrankheiten Schwangerschaft bei älteren Kindern und Jugendlichen. Psychosomatische Auffälligkeiten: Ess- und Verdauungsstörungen Schlafstörungen Bauch- und Unterleibsschmerzen Sprachstörungen Hauterkrankungen Infektionen im Mundbereich Kopfschmerzen beziehungsweise Migräne Bettnässen Atemprobleme vermehrte Epilepsie-, Lähmungs- oder Ohnmachtsanfälle plötzliches (Wieder-)Einnässen und/oder Einkoten psychogene Schmerzen motorische Unruhe. Psychische und psychosoziale Auffälligkeiten: Zwanghaftes Verhalten Isolation Dissoziation Depression Distanzlosigkeit Überangepasstheit Kontakt- und Beziehungsschwierigkeiten Misstrauen negatives Körpergefühl Entwicklungsrückstände Konzentrationsstörungen Leistungsabfall oder extreme Leistungsmotivation Aggressivität gegen Gegenstände, andere Menschen oder sich selbst multiple Persönlichkeiten Drogen- und/oder Alkoholabhängigkeit oder andere Suchtstörungen Suizidversuche Angststörungen neu auftretendes, massives sexualisierendes Verhalten Albträume ‚Weglaufen‘ von Zuhause (Vgl. Gerdtz 2003, 20 Noack, Schmid 1994, 100-110 Lempp 2011, 36f, Becker 2001,25-33). Es ist besonders zu beachten, dass eine geistige Behinderung eine Folgeerscheinung von sexueller Gewalt sein kann. Es gibt sogar Theorien (Knapp 1993 in Gerdtz 2003, 41), welche die These aufstellen, dass autistische Verhaltensweisen durch sexuelle Missbrauchserfahrungen begründet sein könnten. Man muss also im Bereich der Behindertenarbeit sehr sensibel für dieses Thema und diverse mögliche Signale für sexuelle Gewalterfahrungen sein und dementsprechend informiert beziehungsweise fortgebildet sein, um auch die richtigen Interventionsschritte einleiten zu können (Vgl. Gerdtz 2003, 40f). Das eindeutigste Signal wären Tatzeugen oder der persönliche Bericht von den/m Betroffenen. Wie in Punkt 2.2.2 bereits genannt wurde, haben manche Kinder aufgrund fehlender oder eingeschränkter Verbalsprache nicht die Möglichkeit von ihren sexuellen Gewalterfahrungen zu berichten. Außerdem werden die Kinder vom Täter meist zur Geheimhaltung gezwungen, wodurch diese meist niemandem davon erzählen (Vgl. Gerdtz 2003, 21). Hier muss man sich also auf indirekte Signale stützen. Hierunter fallen beispielsweise Zeichnungen und Rollenspiele. Genauso können aber auch die körperlichen Folgen (siehe oben) als Hinweise erkannt werden. Wenn einem Lehrer im Schwimm- oder Sportunterricht beim Umziehen auffällt, dass ein Kind viele Blutergüsse oder Kratzspuren an Innenschenkeln oder erogenen Zonen aufweist, sollte er aufmerksam werden und die Verletzungen als mögliche Hinweise verstehen. Sie dürfen allerdings nicht als eindeutige Signale verstanden werden, da es hierfür auch andere Ursachen geben kann. Im Schambereich sind Verletzungen allerdings relativ eindeutige Hinweise auf sexuelle Gewalt (Vgl. Gerdtz 2003, 21). Verhaltensauffälligkeiten wie Fremd- oder Autoaggression, Überangepasstheit, zwanghaftes Verhalten, sexualisiertes Verhalten, Phobien, Distanzlosigkeit oder grundsätzliches Misstrauen (siehe Punkt 2.6) können Signale für sexuelle Gewalt sein. Die Ursache der Auffälligkeiten wird aber gerade bei Kindern mit einer geistigen Behinderung und Jugendlichen oft der Behinderung zugeschrieben. Hier wäre es also wichtig der Möglichkeit des sexuellen Missbrauchs Beachtung zu schenken. Diese Verhaltensauffälligkeiten sind nämlich immer Überlebensstrategien und sollten daher nicht einfach als ‚behinderungsspezifisch‘ akzeptiert oder nur undifferenziert bekämpft werden (Vgl. Gerdtz 2003, 21f und 39f).

Über den Autor

Kathrin Nägele, Jahrgang 1989, absolvierte nach ihrem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Schule für geistig Behinderte. Durch diese Erfahrung wurde sie in ihrem Berufswunsch bestätigt und begann das Studium der Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Währen des Studiums wurde sie in einem Seminar darauf aufmerksam, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung durch vermehrte Risikofaktoren besonders gefährdet sind, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Dies führte dazu, dass sie sich immer mehr mit dem Thema sexuelle Gewalt und Prävention in Hinblick auf Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung auseinandersetzte. Hierbei zeigte sich, dass es für die Thematisierung von sexueller Gewalt und Prävention nur vereinzelte Materialien gibt, die für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung entwickelt wurden. Das veranlasste sie dazu, sich im vorliegenden Buch mit der Eignung verschiedener Materialien für den Unterricht an der Schule für geistig Behinderte auseinanderzusetzen.

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