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- Pornographie und Sexualverhalten: Der Porno als Orientierung und Leistungsdruck im Erleben junger Männer
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 82
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Wege zur Pornographie können vielfältig sein. Ein leichterer Zugang als ein Klick im Internet scheint jedoch kaum vorstellbar. Auch Kinder und Jugendliche legen diesen überschaubaren Weg zur Pornographie immer öfter zurück - insbesondere männliche Jugendliche. Dies zeigen Erfahrungen aus der sexualpädagogischen Praxis und aktuelle Untersuchungen. Die Folge dessen scheint für viele Erwachsene offensichtlich: Die sexuelle Verwahrlosung der Jugend und künftiger Erwachsener. Das Forschungsanliegen dieses Buches ist, herauszufinden, ob der Pornographiekonsum heranwachsender männlicher Jugendlicher tatsächlich einen Einfluss auf die eigene Sexualität hat. Und wenn ja: Mündet er wirklich in der sexuellen Verwahrlosung? Dafür fasst es aktuelle Studien zum Konsumverhalten zusammen und fragt anschließend junge erwachsene Männer, die mit Pornographie groß geworden sind, wie sie selbst das Gesehene aus heutiger Sicht bewerten und ob es kurz- oder langfristig einen Einfluss auf die eigene partnerschaftsbezogene Sexualität hatte. Die jungen Männer berichten im Gegensatz zu vielen Erwachsenen aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz als junge Pornographiekonsumenten im 21. Jahrhundert. Konkret werden in diesem Buch anhand der Aussagen fünf junger erwachsener Männer folgende Fragen beantwortet: Wie wird von einstigen Pornographiekonsumenten das Gesehene - das visuell Erlebte - subjektiv eingeschätzt bzw. bewertet, hatte oder hat der Konsum von Pornographie während der frühen und/oder mittleren Adoleszenz aus retroperspektivischer Sicht junger erwachsener Männer in der späten Adoleszenz Auswirkungen auf ihre ersten partnerschaftlichen (mit einer anderen Person) Sexualerfahrungen und hat der Pornographiekonsum aus Sicht der jungen Männer die weitere (also über das erste Mal hinausgehende) partnerschaftsbezogene Sexualität beeinflusst?
Textprobe: Kapitel 3.4, Konsumverhalten von männlichen Jugendlichen: Das Wort ‘Konsum’ definiert sich im Allgemeinen als ‘Verbrauch von Sachgütern und Dienstleistungen zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung’ (MEYER’S LEXIKON, 2006: 4064 f.). Diese Definition von ‘Konsum’ geht davon aus, dass eine Person zur Bedürfnisbefriedigung aktiv und vor allem willentlich etwas ‘verbraucht’. Das Konsumverhalten männlicher Jugendlicher bezogen auf Pornographie soll hier weitergedacht werden. Es schließt sowohl die gewollten als auch die ungewollten (evt. zufälligen) Konfrontationen mit pornographischen Inhalten ein. Eine statistische Aufarbeitung der ‘Internet-Filter-Review’ (2006) gibt an, dass Kinder durchschnittlich im zwölften Lebensjahr ihren ersten Kontakt mit pornographischen Inhalten im Internet haben. Zwar bezieht sich diese Angabe auf Kinder und Jugendliche in den USA, es scheint jedoch berechtigt zu vermuten, dass sie sich nicht bedeutend von Ergebnissen bezogen auf in Deutschland lebende Jugendliche unterscheiden würde. In der sexualpädagogischen Arbeit mit Jungen erfahren Sexualpädagogen häufig aus erster Hand von Jungendlichen, dass viele bereits im Kindesalter erste Kontakte mit Pornographie erleben. Häufig werden sie dazu von Dritten ‘angesteckt’ oder verleitet (z.B. ältere Geschwister). Die JIM-Studie (MEDIENPÄDAGOGISCHER FORSCHUNGSVERBUND SÜDWEST, 2005) befasste sich im Jahre 2005 mit Pornografie-Erfahrungen der zwölf bis neunzehn jährigen im Internet. Sie fand heraus, dass fast ein Drittel der Befragten mit pornographischen, rechtsradikalen oder stark gewalthaltigen Seiten konfrontiert wurde – Jungen und junge Männer fast doppelt so häufig wie Mädchen und junge Frauen. Die Studie kann dagegen nicht aufschlüsseln, ob es sich um eine zufällige oder geplante Konfrontation handelte. Allerdings gaben 57 Prozent der Befragten an, schon mal Spam-Mails erhalten zu haben. Da sich Inhalt und Form solcher E-Mails ständig ändern, liegen keine genauen Daten vor, die Auskunft über den quantitativen Anteil von pornographischem Inhalt geben. Dass es einen beachtlichen Anteil gibt, ist allerdings unbestritten. Dr. Anita Heiliger vom ‘Deutschen Jugendinstitut, München’ berichtet in einem Artikel von einer australischen Studie von Flood/Hamiton aus dem Jahre 2003, in der 200 16- bis 18-jährige Jugendliche befragt wurden. Die Studie ergab, dass sich 84 Prozent der Jungen Pornographie anschauen und dass dies im Kreise der Gleichaltrigen als völlig normal gelte. ‘Die Normalisierung dieses Verhaltens mag Pornographiekonsum ein hohes Maß an sozialer Toleranz und Akzeptanz innerhalb der Jugendkulturen verleihen’. Etwas aktueller ist die Studie ‘The baltic sea regional Study on Adolescents' sexuality’. 93,1 Prozent der befragten 18-jährigen jungen Männer aus Skandinavien und dem baltischen Raum gaben an, pornographische Zeitschriften gelesen, pornographische Filme gesehen oder im Internet auf pornographische Inhalte zugegriffen zu haben. 63,8 Prozent der jungen Männer wiederholt dies täglich, wöchentlich oder monatlich mehrmals. Die ‘pro familia’-Studie geht auf die zuvor genannte australische Studie und weitere Studien aus den USA und Taiwan ein. Zusammenfassend erschließen sie, ‘(…) dass Kinder und Jugendliche nach eigenen Aussagen zu einem geringeren Teil absichtlich, häufiger jedoch ungewollt mit pornographischen Angeboten im Internet in Kontakt kommen’. Auch außerhalb der Reichweite des Computers und Internets kursiert Pornographie und findet in vielen der 94 Prozent der Jugendlichen mit eigenem Mobiltelefon einen freiwilligen oder unfreiwilligen Empfänger. In der JIM-Studie 2007 wurden Jugendliche zwischen zwölf und neunzehn Jahren zur Weitergabe und zum gewollten und ungewollten Empfang von pornographischen oder gewalthaltigen Foto- und Video-Dateien via Mobiltelefon befragt. ‘Diese Vorgänge sind 87 Prozent der Handybesitzer bekannt, etwa ein Drittel hat bereits mitbekommen, dass solche Inhalte im Freundeskreis kursieren und fast jeder zehnte Handybesitzer hat selbst schon einmal solche Bilder und Filme zugeschickt bekommen. Jungen sind von diesem Phänomen deutlich häufiger betroffen als Mädchen’. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit der zunehmenden Ausbreitung des Internets die Wahrscheinlichkeit, als Junge bis zu seinem 18. Geburtstag nicht mit pornographischen Inhalten konfrontiert zu werden (gewollt oder ungewollt), stetig sinkt. In der Endbetrachtung verlieren auch die Differenzierung zwischen ‘gewollter’ oder ‘ungewollter’ Konfrontation und die Zugangswege an Signifikanz. Fakt ist: Die meisten Jungendlichen sind bereits in Kontakt mit Pornographie gekommen und viele konsumieren sie regelmäßig.
Andreas Gloël wurde 1981 in Hamburg geboren. Nach seinem Abitur und einiger Zeit in den USA begann er im Herbst 2004 sein Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg, und schloss dies im Winter 2009 mit dem akademischen Grad Diplom Sozialpädagoge (FH) ab. Bereits während des Studiums begann er im Rahmen eines studienbegleitenden Praktikums seine Tätigkeit in der sexualpädagogischen Fachabteilung der pro familia Hamburg. Im Rahmen dieses Praktikums ermöglichte ihm pro familia, eine einjährige berufsbegleitende sexualpädagogische Qualifizierung zu erlangen. Neben seiner sexualpädagogischen Tätigkeit ist er mittlerweile freier Mitarbeiter verschiedener sozialer Einrichtungen in Hamburg und Umland. Seine primäre Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Lebenssituation vor besondere Herausforderungen gestellt sind. Sexualpädagogisch arbeitet Andreas Gloël mit Jungengruppen zu den Themen Liebe, Freundschaft, Sexualität, Pubertät. Unabhängig vom Alter und der Herkunft der Jungen ist deren Pornogaphiekonsum allezeit präsent und zunehmend Gegenstand des sexualpädagogischen Dialogs. Die Frage nach dem Umgang der Sexualpädagogik mit diesem Phänomen und seine persönliche Unzufriedenheit mit der allgemein recht einseitigen Bewertung dessen, motivierten ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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