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- PISA als Steuerungswissen: Über den Nutzen der Vergleichsstudie für die Bildungspolitik
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Nach Veröffentlichung der ersten PISA-Studie im Dezember 2001 stand Deutschland unter Schock. Das Schulwesen des Lands der Dichter und Denker” brachte Schüler hervor, die im Vergleich mit anderen OECD-Staaten in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nicht einmal durchschnittliche Kompetenzen aufweisen konnten. Entsprechend groß war der PISA-Schock und Deutschland befand sich erneut in einer Bildungskatastrophe . Das schlechte Abschneiden Deutschlands wurde ganz selbstverständlich mit einem Versagen der Bildungspolitik verknüpft - und zwar nicht nur von der Presse, sondern auch von den Politikern selbst. Zumindest kann die Tatsache, dass die Kultusministerkonferenz nur 2 Tage nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse einen Maßnahmenkatalog vorlegte, gewissermaßen als Schuldeingeständnis für Versäumnisse aus der Vergangenheit und gleichzeitig zur Demonstration von Handlungsbereitschaft und -vermögen, verstanden werden. Wenn man die Bildungspolitik für Erfolge oder Scheitern des Schulwesens verantwortlich macht, wie das im Zuge von PISA häufig geschehen ist, sollte eine Analyse der Politik vorangegangen sein, was aber zum Zeitpunkt der öffentlichen Debatte noch keiner getan hatte. Zentrale Fragen wären somit: Wie erkennt, reagiert und verarbeitet Politik Probleme? Wo und wieso könnten Schwierigkeiten innerhalb der Verarbeitung auftreten? Oder konkret auf die Bildungspolitik bezogen: PISA deckte zentrale Probleme des deutschen Schulwesens auf, das als Steuerungswissen dienen sollte. Diese Ergebnisse können nach David Easton (1965) als input” in das politische System verstanden werden. Wie ging die Politik nun mit diesen Inputs” um? Was wurde auch von ihr als Problem definiert und somit auf die Agenda gesetzt und mit welchen Maßnahmen sollten welche Ziele erreicht werden? Von welchen anderen Akteuren wurden sie dabei beeinflusst? Das alles sind zentrale Fragen, die einer politikwissenschaftlichen Klärung bedürfen. Dieses Buch stellt einen Versuch dar, genau das zu tun.
Textprobe: Kapitel 3.1, Staatliche bildungspolitische Akteure: Grundlage für die staatliche Bildungspolitik stellt das Grundgesetz mit der in ihm verankerten Aufgabenverteilung dar. Durch das System des kooperativen Kulturföderalismus liegen die meisten bildungspolitischen Gestaltungs- und Umsetzungsaufgaben bei den Bundesländern und Gemeinden, die auch einen Großteil der finanziellen Lasten zu tragen haben. Trotzdem kann von einer Kompetenzlosigkeit des Bundes keine Rede sein. Hans Werner Fuchs und Lutz Reuter sehen in ihm ein ‘17. Machtzentrum’.11 Neben nicht den Sektor Schule betreffenden Aufgaben, wie die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der außerschulischen Berufsbildung und der Forschungsförderung oder der Erstellung von Rahmenvorschriften für das Hochschulwesen sowie Ausbildungsförderung und Hochschulbau12, die den Schwerpunkt staatlicher Bildungsaufgaben darstellten, steht gemäß Artikel 71, 1 des Grundgesetzes ‘[…] das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates’ (Bundeszentrale für politische Bildung 2004: 6), was aber zum größten Teil die Länder übernehmen. Diese Aufsicht umfasst auch die in freien Trägerschaften befindlichen (Privat-) Schulen. Die meisten seiner Kompetenzen erhielt der Bund erst 1969 und zu dem Zweck die Länder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen (vgl. Führ 1998: 70). In den Aufgabenbereich der Bundesländer gehören vor allem das Schul- und Hochschulwesen (inklusive Gesetzgebung) und die Erwachsenenbildung. Träger der Schulen sind die Gemeinden. Auffällig ist hierbei, dass diese bildungspolitischen Ebenen keineswegs voneinander getrennt sind, vielmehr kommt es in vielen planerischen, finanziellen und administrativen Fragen zu engen Verschränkungen und somit zu einer Politikverflechtung. Vorteile solcher miteinander verflochtenen Mehrebenenmodelle liegen in der Möglichkeit, die Kosten von Maßnahmen zu verteilen und die Bearbeitung von Problemen auf mehreren Ebenen kann dabei helfen, den gesellschaftlichen Druck zu reduzieren. Als ganz klarer Nachteil muss jedoch aufgeführt werden, ‘[…] dass der Zwang, politische Lösungen auszuhandeln, in solchen Verbundsystemen leicht dazu verleitet, Konflikte zu vermeiden und Innovationen aufzuschieben bzw. sogar zu verhindern. Unter Umständen wird das System zunehmend unbeweglicher und reformfeindlicher und verliert damit langfristig an Legitimation.’ (Münch/Meerwaldt 1998). Die Geschichte der Bildungspolitik in den letzten Jahren vor Veröffentlichung der PISAStudie bestätigt diese Aussage. Die Problematik der Politikverflechtung soll auch an folgendem Beispiel der allgemein bildenden Schule verdeutlicht werden. Innere Schulangelegenheiten (wie z.B. Schulgesetzgebung) ist Sache der Länder, während für äußere (wie Schulbau, und -ausstattung) die Gemeinden zuständig sind. Diese betreiben oder finanzieren die Schulen jedoch nicht alleine. Vielmehr erhalten sie dafür Finanzmittel von den Ländern, die das Geld aber wiederum nicht aus Landessteuern, sondern zum Beispiel aus Steuereinnahmen von Bund und Ländern oder Finanzausgleichsmitteln beziehen. In Bezug auf die Gehälter der Lehrkräfte hat das Land nicht die Möglichkeit, diese selbst festzulegen13, da das in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fällt und der Bund mit der Bundesbesoldungsordnung von seinem Recht Gebrauch gemacht hat. (Vgl. Fuchs/Reuter 2000: 36f). Besonders relevant für dieses Buch sind auch die jeweiligen, für den Bereich Schule zuständigen, Ministerien14 und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sind sie es, die durch den Beschluss der KMK eine Teilnahme an der PISA-Studie beschlossen haben, zum anderen richten sich die Ergebnisse des Leistungsvergleichs an erster Stelle an sie. Vor dem Hintergrund des schlechten Abschneidens Deutschlands, gerieten sie zudem unter einen hohen öffentlichen Legitimationsdruck. Die Schulministerien sind also zugleich Verursacher, Nutzer und Betroffene der PISA-Studie. (Vgl. Tillmann e.a. 2008: 18) Wie sie damit umgegangen sind, wird in Kapitel 5.1.2 zu erläutern sein.
Melina Pütz wurde 1980 in Mainz geboren. Ihr Lehramtsstudium mit den Fächern Deutsch und Sozialkunde an der Universität Landau schloss sie 2009 erfolgreich ab. Nach diversen weiteren Tätigkeiten im Bildungsbereich ist sie seit Anfang 2012 Lehrerin an einer Haupt- und Realschule in Hessen.
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