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  • Motivierende Kommunikation in heterogenen Gruppen. Eine empirische Studie zur Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler*innen im inklusiven Sportunterricht

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2022
AuflagenNr.: 1
Seiten: 248
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Eine hohe Motivation gilt als wichtige Voraussetzung, um das menschliche Potenzial ausschöpfen zu können. Daher ist es wenig verwunderlich, dass beispielsweise Lehrende bemüht sind, ihre Lerngruppe zu motivieren. Ist eine solche Gruppe allerdings durch eine hohe Heterogenität charakterisiert, die sich zum Beispiel in verschiedenen Interessen und unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen der Mitglieder zeigt, erscheint es äußerst herausfordernd, positiv auf die Motivation all dieser Mitglieder einzuwirken. Das vorliegende Buch setzt sich daher mit der Frage auseinander, wie es in einem heterogenen Setting wie dem inklusiven Sportunterricht, gelingen kann, möglichst die gesamte Gruppe zu motivieren. In diesem Zusammenhang werden Kommunikationsprozesse im Hinblick auf ihre motivierende Wirkung analysiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2.1 Aufgaben und Ziele: Die Aufgaben und Ziele des inklusiven Sportunterrichts sind zentrale kontextuelle Merkmale, die die Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler*innen beeinflussen. Dabei wird dem Sportunterricht Potenzial zugeschrieben, wenn es darum geht, Inklusion erfolgreich umzusetzen (vgl. Rouse, 2012, S. 12 Fediuk, 2008, S. 33 Leineweber, Meier & Ruin, 2015a, S 12 Süßenbach & Sträter, 2015, S. 130). Was aber ist das Besondere am inklusiven Sportunterricht? Potenziale und Herausforderungen des inklusiven Sportunterrichts Ein unverkennbarer Unterschied zu anderen Schulfächern ist die Körperlichkeit und die Bewegung, die innerhalb des Sportunterrichts gefordert und gefördert wird. Schüler*innen werden vor Herausforderungen gestellt, die sie in der Regel mittels körperlicher Bewegungen bewältigen sollen. Im Gegensatz zum Klassenraum steht der Körper im Sportunterricht im Mittelpunkt des Geschehens und vor allem der Betrachtung. Die Situationen sind vielfältig: Demonstrationen von Bewegungsabläufen, Wettkämpfe, Bewertungen und Benotungen, aber auch das noch unbeholfene Erproben neuer oder unbekannter Bewegungen (Klinge, 2009, S. 296). Dies bedeutet auch, dass im Sportunterricht im Vergleich zu anderen Fächern neue Kompetenzen im Fokus stehen. So bietet das Fach das Potenzial, insbesondere körperlich-motorische Kompetenzen unter Beweis stellen zu können, wozu Schüler*innen in anderen Fächern kaum die Möglichkeit bekommen. So fallen Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen oder Sprache im Sportunterricht u. U. kaum auf, während Schüler mit dem Förderbedarf körperliche, emotional-soziale oder geistige Entwicklung ggf. sehr spezifische Unterrichtssettings benötigen (Giese & Weigelt, 2017, S. 23). Dies kann beispielsweise dazu führen, dass ein*e Schüler*in mit dem zugewiesenen Förderschwerpunkt Lernen in einigen ‚kognitiven‘ Fächern aufgrund seiner*ihrer Lernschwierigkeiten selten zu Erfolgserlebnissen kommt, wohingegen der*die gleiche Schüler*in im Sportunterricht, bei dem*der der Förderschwerpunkt Lernen in einigen Phasen möglicherweise eine geringere Relevanz hat, wesentlich mehr Erfolgserlebnisse sammeln kann. Gleichzeitig kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass das Bewegungsverhalten innerhalb des Sportunterrichts und die dort fokussierte Körperlichkeit dazu beitragen, dass der Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (je nach Ausprägung) das unterrichtliche Geschehen im Fach Sport tendenziell stärker beeinflusst als beispielsweise im Fach Deutsch (vgl. Schoo, 2017, S. 215). Mit Blick auf die Potenziale des inklusiven Sportunterrichts wird daher insbesondere dem sozialen Lernen eine zentrale Bedeutung beigemessen. Die Akzeptanz der Einzigartigkeit und Vielfalt, der Stärken und Schwächen, zum Beispiel im motorischen Bereich, soll im Sportunterricht genauso gefördert werden wie die Entdeckung von Gemeinsamkeiten der Schüler*innen (vgl. u. a. Klein, Kurth, Leineweber, Meier & Ruin, 2016, S. 45 Tiemann, 2015b, S. 54f.). Der angemessene soziale Umgang mit diesen Aspekten soll durch die aktive Auseinandersetzung mit der Vielfalt im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport gefördert werden (vgl. Racaniello, 2017, S. 102ff. Becker, 2016, S. 95 Heubach, 2013, S. 36). Darüber hinaus haben Schüler*innen mit und ohne Behinderung auch im Bereich der sportlichen Auseinandersetzung das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Gruppenzugehörigkeit (vgl. Wacker, 2014, S. 51). Der Sportunterricht ermöglicht Begegnungen im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport, sodass Schüler*innen auch unter den dort vorherrschenden Bedingungen miteinander in Kontakt kommen und Beziehungen aufbauen können. Neben dem Potenzial einer solchen aktiven Auseinandersetzung mit der Vielfalt zeigt sich darin allerdings auch die Herausforderung, diese zu gestalten. So bleibt unklar, wie offen und transparent mit der Klasse über ihre Vielfalt kommuniziert werden kann – ohne, dass sich zum Beispiel ein*e Schüler*in, der*die sich in dieser Situation aufgrund seiner*ihrer körperlich-motorischen Einschränkung im Fokus sieht, schämt oder bloßgestellt fühlt. Aspekte wie diese prägen die Kommunikationsbedingung und beeinflussen dementsprechend die Kommunikation innerhalb des inklusiven Sportunterrichts. Weiteres Potenzial des inklusiven Sportunterrichts zeigt sich auch in den sport- und bewegungsbezogenen Bedürfnissen der Schüler*innen. So beschreibt Racaniello (2017) in Bezug auf das Bedürfnis der Schüler*innen, die eigenen körperlichen Grenzen kennenzulernen, sie auszutesten, auszubauen und Körper- und Bewegungserfahrungen zu machen (S. 102 in Anlehnung an Heubach, 2013 Wacker, 2014). Mit Blick auf die soziale Anerkennung geht es in diesem Kontext auch um das Präsentieren der eigenen Leistung. Der Sportunterricht ist das Fach, welches den Schüler*innen die Möglichkeit bietet, diese Erfahrungen zu machen. Da die Schüler*innen unterschiedliche Bedarfe an Förderungen und Forderungen haben, ergibt sich für Sportlehrkräfte die Herausforderung, Bewegungsangebote zu schaffen, die den individuellen sozialen, kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeiten gerecht werden. Dies soll beispielsweise durch das Anpassen und Verändern von Anforderungen gelingen. All diese Aspekte beeinflussen die Lehrkraft-Schüler*innen-Kommunikation, wenn die Lehrkraft den Schüler*innen ihre Entscheidungen explizit oder implizit vermittelt. Über diese Aspekte hinaus unterliegt der Kontext des inklusiven Sportunterrichts auch schulpolitischen Vorgaben, die sich – wie im Folgenden geschildert wird – auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag des Sportunterrichts beziehen. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Sportunterrichts: Aus fachdidaktischer Perspektive zeigt sich der Erziehungs- und Bildungsauftrag des (inklusiven) Sportunterrichts darin, die Sport- und Bewegungskultur so zu erschließen…, dass dabei die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen umfassend gefördert wird (Balz & Neumann, 2015, S. 3). Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Auftrags wird auf schulpolitischer Ebene insbesondere über den Kernlehrplan sowie die Rahmenvorgaben festgeschrieben, die als Grundlage für die sportunterrichtliche Praxis dienen. Die fachdidaktische Position lässt sich insbesondere in dem formulierten Doppelauftrag erkennen. Dieser beschreibt zwei gleichgewichtete Orientierungen: Die Erziehung zum und die Erziehung durch Sport. Damit gemeint ist einerseits die Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur und andererseits die Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport (MSW NRW, 2014, S. 6 vgl. auch Balz & Neumann, 2015, S. 3). Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule mündet in der systematischen Entwicklung und Förderung einer umfassenden Handlungskompetenz, die im Feld von Bewegung, Spiel und Sport spezifisch ausgelegt wird (MSW NRW, 2014, S. 6). Damit wird eine fachdidaktische Philosophie realisierst, die unter anderem bereits von Ehni (1977) und Kurz (1977) diskutiert wurde: Die Förderung der Handlungsfähigkeit, die dazu führen soll, dass Heranwachsende sinnhaft an der Sport- und Bewegungskultur teilhaben können (vgl. Balz & Neumann, 2015, S. 3). Die Heterogenität des inklusiven Sportunterrichts spielt in diesem Zusammenhang im Rahmen einer individuellen Förderung eine bedeutende Rolle: Dabei ist zu berücksichtigen, dass die individuellen Voraussetzungen unterschiedlich und die individuellen Potenziale variabel sind, was folgerichtig auch für die Resultate der jeweiligen schulsportlichen Lern- und Bildungsangebote gilt. Dies gilt insbesondere beim gemeinsamen inklusiven Lernen von Behinderten und Nichtbehinderten. Anzustreben ist die Ausgestaltung einer an den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten bemessenen Handlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler. Diese versetzt sie in die Lage, im Sinne einer gesellschaftlichen Teilhabe aus den lebensweltlich relevanten Angeboten der Sport- und Bewegungskultur auszuwählen, sie zu reflektieren, sie entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu gestalten bzw. zu verändern und sich an ihnen aktiv zu beteiligen (MSW NRW, 2014, S.7f.). Gleichzeitig werden im Kernlehrplan aber auch Kompetenzerwartungen festgesetzt (vgl. MSW NRW, 2019, S. 20ff.). Mit Blick auf die gemeinsame Beschulung von Schüler*innen mit und ohne zugewiesenem Förderschwerpunkt sind diese Kompetenzerwartungen diskussionswürdig. Jahrgangsspezifisch sind dort zu erwerbende Kompetenzen formuliert, welche als Grenze einer inklusiven Sportpädagogik gedeutet werden können. Denn im Rahmen der individuellen und heterogenen Lern- und Leistungsvoraussetzungen sind diese nicht für alle Schüler*innen erreichbar (vgl. Seitz, 2012, 166ff. Eversheim, 2015, S. 207ff.). Reich (2016) erkennt in diesem Zusammenhang: Die Curricula und die Leistungsbeurteilungen in deutschen Schulen sehen den Sportunterricht nicht als ein Erlebnis- und Erfahrungsfeld für Bewegung und Körperlichkeit im weitesten Sinne, sondern immer auch im Zwang, etwas leistungsbezogen beurteilen zu müssen (S. 19). Eine andere Position nehmen Giese und Weigelt (2015) ein, indem sie kritisch anmerken, dass eine konzeptionelle Fokussierung [auf allgemein psychomotorische Inhalte] mit einem weitgehenden Wegfall des Fertigkeits- und Leistungsanspruchs einhergeht und beispielsweise mit einem gymnasialen Oberstufenunterricht im Fach Sport weitgehend inkompatibel ist (Giese & Weigelt, 2015, S. 15) Die Ausführungen machen zwei Zielperspektiven deutlich: Einerseits die klare Fokussierung auf die individuellen Voraussetzungen aller Schüler*innen, andererseits aber auch festgeschriebene Kompetenzerwartungen, die allerdings nur einen Teil der Schüler*innen anspricht (vgl. auch Pfitzner & Neuber, 2012a, S. 89). In der Umsetzung des Sportunterrichts stehen Lehrkräfte somit vor der Herausforderung, eine chancengleiche und gleichberechtigte Teilhabe für alle Schüler*innen zu gewährleisten (vgl. z. B. Leineweber, Meier & Ruin, 2015b, S. 6). Dabei gilt es, einerseits unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse anzuerkennen und die vielfältigen individuellen Potenziale zu entwickeln und andererseits Kompetenzerwartungen, im Sinne von standardisierten Lernzielen, gerecht zu werden. So wird die Ambivalenz deutlich zwischen Individualität einerseits und standardisiertem Leistungsanspruch andererseits. Wie Sportlehrkräfte mit dieser Ambivalenz in der Praxis umgehen, liegt in ihrem Verantwortungsbereich. Diesbezüglich müssen sie methodisch-didaktische Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen beeinflussen die unterrichtliche Praxis und müssen schließlich explizit oder implizit mit den Schüler*innen kommuniziert werden. Dementsprechend sind sie im Hinblick auf die Forschungsfrage von besonderem Interesse. Neben den geschilderten Aufgaben und Zielen des inklusiven Sportunterrichts sorgen auch weitere Rahmenbedingungen des Fachs für einige Besonderheiten in Bezug auf die Kommunikation. Einige dieser Besonderheiten werden im folgenden Kapitel diskutiert.

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