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- Mobbing an weiterführenden Schulen: Ursachen, Prozesse und wie die Schulen reagieren können
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Thema Mobbing in Schulen hat noch nie soviel Aufmerksamkeit erlangt wie in der aktuellen Diskussion um die Auswirkungen, die der Schulalltag auf die Kinder und Jugendlichen hat. In den Medien liest, hört und sieht man verstärkt Berichte über Mobbingopfer mit zum Teil starken Folgen auf Grund des langen Psychoterrors. Wer täglich ausgeschlossen, niedergemacht oder sogar körperlich angegriffen wird und dabei keinerlei Unterstützung von Mitschülern oder Lehrern erfährt, verliert nicht nur die Lust zur Schule zu gehen, sondern auch das Vertrauen in die Institution und vor allem in sich selbst. In einer Zeit, in der Bildung und berufliche Qualifikation den Lebensstandard bestimmen, sollten die pädagogischen Einrichtungen dafür Sorge tragen ihren Besuchern ein relativ sorgenfreies und ungestörtes Lernklima zu bieten. Mobbing ist bei weitem kein Tabuthema mehr. Dennoch wird es in der Lehrerausbildung nicht ausreichend behandelt oder gehört nicht zum Pflichtprogramm. Immer mehr Schulen versuchen mittels AGs, Streitschlichter- und Mediationsprogrammen der Problematik entgegenzuwirken. Aber wie wirkungsvoll sind diese Maßnahmen und wenden sich die Schüler an diese Angebote?
Textprobe: Kapielte 6, Opferprofil: Ein typisches Opfer gibt es laut der Literatur nicht. Jeder kann zum Opfer werden, dessen sozialer Status in der Klasse eher niedrig ist. Es lassen sich im Großen und Ganzen zwei Arten von Opfern klassifizieren, wobei die Individualität der Kinder hier nicht in Frage gestellt werden soll. Der passive Opfertyp zeichnet sich durch Zurückhaltung aus. Er hat im Vergleich weniger Freunde in der Klasse und ist entweder sehr gut oder schlecht in seinen Schulleistungen. Nach Olweus lässt sich bei dieser Kategorie von Opfer auch oft ein überbehütetes Familienhaus feststellen. Die Kinder sind im Durchschnitt körperlich schwächer als ihre Klassenkameraden und verfügen über wenig Selbstbewusstsein. Auch körperliche Überlegenheit kann ein Opfer charakterisieren, wobei in diesem Fall die Mobber über mehr Stärke als Gruppe verfügen müssen. Jannan charakterisiert das passive Opfer als stillen, schwachen, ängstlichen Typ, der bei Angriffen anfängt zu weinen, von der Mutter überbehütet ist und über wenig Selbstbewusstsein verfügt. Meiner Meinung nach ist es sehr schwer zu differenzieren, was nun ein Opfer determiniert oder was die Folgen eines schon andauernden Mobbingprozesses sind. Das Opfer kann genauso gut einen Großteil seines Selbstbewusstseins durch den Mobbingprozess an sich eingebüßt haben oder es hat sich erst wegen der ständigen Schikanen im Unterricht verschlechtert. Wichtig zu betonen ist, dass das Opfer an seiner Rolle nie die Schuld trägt, da nicht seine Eigenschaften für seine Rolle verantwortlich sind, sondern die anderen Schüler, die ihn auf Grund dieser fertigmachen. Noch schwerer hat es das provozierende Opfer, da es durch seine oft hyperaktiv wirkende Art nicht selten auch den Lehrern ein Dorn im Auge ist und es den Mobbern dadurch leichter fällt die Normen und Werte im Klassenverband zu Ungunsten des provozierenden Opfers umzukehren. Diese Schüler sind laut Jannan meist ängstlich und aggressiv, leicht reizbar, aufdringlich und spielen sich oft in den Vordergrund. Während meiner Umfrage, siehe Kapitel 10, war ich in einer sechsten Hauptschulklasse. Schon nach fünf Minuten bemerkte ich starke Mobbingtendenzen. Ein Schüler saß an einem Einzeltisch vor dem Lehrerpult. Er fragte laufend Dinge, die ich schon erklärt hatte, machte Späße, auf die er sich von seiner Klasse ein Lachen erhoffte. Doch immer wenn er sich freudig umsah, schauten ihn die anderen nur abfällig an. Besonders eine Tischgruppe von vier Jungs machte sich ständig über ihn lustig und sagte vor mir sogar frei heraus, dass er ja ihr Mobbingopfer wäre und er halt wegen seiner Art so nerve. Sie versuchten mich dazu zu bringen den Jungen auch zu sanktionieren mit Sprüchen wie: Das können Sie dem doch nicht durchgehen lassen und Der verhält sich immer so unverschämt . Die meisten anderen in der Klasse wirkten unbeteiligt oder taten jedenfalls so. Als ich mich zu einer Gruppe Mädchen setzte und sie nach den Mobbingvorgängen in der Klasse fragte, konnten sie mir die täglichen Abläufe und wer daran beteiligt ist genau erklären. Sie fanden es auch ungerecht, wie der einzelne Junge von den anderen behandelt wurde, sagten auch ab und zu etwas, aber es würde sich nicht viel ändern, da die Mobber es gut verstehen würden ihr Verhalten vor den Lehrern zu verbergen. Auch könnten sie die Art des Gemobbten nicht leiden, was sie davon abhielte sich mehr für ihn einzusetzen. Dieser Junge gab seinen Fragebogen als erstes ab. Er hatte seinen Namen groß vorne drauf geschrieben, obwohl ich um Anonymität gebeten hatte und er fragte, ob ich seinen Bogen auch gleich lesen würde. Aus Neugier tat ich das und stellte mit Erschrecken fest, dass seine Antworten ein gezielter Hilferuf waren. Er gab an in der Schule und in seiner Klasse Angst zu haben, zu Hause geschlagen zu werden, nicht genug Aufmerksamkeit zu bekommen und Selbstmordgedanken zu haben. Ich habe mich hiernach gleich mit der Vertrauenslehrerin der Schule in Verbindung gesetzt um abzuklären, ob man den Aussagen des Jungen glauben kann oder er dadurch auf sich aufmerksam machen will. Mir wurde erklärt, dass die schwierigen Familienverhältnisse dieses Jungen bekannt wären. Anschließend setzte ich mich mit ihr und der Konrektorin zusammen und überlegte, wie man vorzugehen hätte. Die Konrektorin nahm den Fall sehr ernst und kümmert sich nun darum, dass der Schüler von der zuständigen Sozialpädagogin der Schule betreut wird. Ich denke, dass sich das Opferverhalten im Laufe eines Mobbingprozesses ändern kann. Das betroffene Kind hat verschiedene Optionen auf die Angriffe zu reagieren und auszuprobieren, welche am effektivsten sind. So fängt das provozierende Opfer vielleicht nach einiger Zeit an sich zurückzuziehen und immer stiller zu werden, da es gemerkt hat, dass sein auffallendes Verhalten die Schikanen nur verschlimmert. Oder das passive Opfer fängt an aus seiner Lethargie und Isolation auszubrechen und versucht durch manchmal sogar aufdringlichen Kontakt Freunde und Mitstreiter zu werben.
Katja Wasilewski, geb. 1983. 2003 Abitur, Starkenburggymnasium Heppenheim. 2010 Magistra Artium Pädagogik, Psychologie, Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt.
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