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Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Psychomotorik, mit ihrem festen Glauben an Ganzheitlichkeit in der Arbeit mit dem Menschen, ist seit langer Zeit eine ‚Semiwissenschaft’, da die Fundierung derselben oft leider noch ausschließlich von individuellen Meinungen und Überzeugungen stammt. Daher wird in dem vorliegenden Werk eine interdisziplinäre Interventionsstudie genauer beleuchtet, die durch eine Verknüpfung von pädagogischen, psychologischen und informationswissenschaftlichen Grundlagen dem Dilemma Abhilfe und einen Teil einer wissenschaftlichen Basis für den Einsatz der Psychomotorik in der Pädagogik zu schaffen versucht. Dafür wird im pädagogischen Rahmen der Psychomotorik, aufbauend auf Grundsätzen aus der Informatik, mit psychologischen Forschungsmethoden die Effizienz einer ganzheitlichen computergestützten Lernmethode in der Praxis überprüft. Konkret wird dafür eine Studie zur Unterstützung kognitiver, speziell mathematischer Fertigkeiten, via ‚Embodied Interaction‘ mit dem Medium der digitalen Tanzmatte vorgestellt. Es wird dabei von der Grundannahme ausgegangen, dass die Tanzmatte, in der Form eingesetzt, dass Körperbewegungen auf ihr auf das zu erlernende mathematische Konzept gemapt werden, für die Entwicklung einer mentalen räumlichen Repräsentation von Mengen und Zahlen eine unterstützende Wirkung hat.
Textprobe: Kapitel 2.1.2, Ausgewählte Ansätze der Psychomotorik: In der Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts vollzog sich, in einer kritischen Revision des auf Kiphards Ansatz aufbauenden Kompetenztheoretischen Ansatzes, eine Neuorientierung der Psychomotorik in Deutschland. Der stark defizitorientierte Kompetenztheoretische Ansatz passte nicht mehr in das sich zu der Zeit neu entwickelnde konstruktivistische Verständnis der ‚Psychomotorik vom Kinde aus‘, in welchem Kinder ihre eigenen Entwicklungsschritte selbst gehen und nicht mehr nur diagnostizierte Auffälligkeiten von extern bearbeitet werden. Seit 1990 ist darauffolgend eine starke Ausdifferenzierung und konzeptuelle Verbreiterung der psychomotorischen Landschaft in Deutschland, vor allem in Richtung geisteswissenschaftlich-hermeneutisch orientierter Konzepte zu beobachten. Diese Neuorientierung geht einher mit einer Ausweitung der Zielgruppen und einer immer stärker werdenden wissenschaftlichen Fundierung. Von den neu entstandenen Psychomotorik-Schulen werden im Folgenden einige der wichtigsten und bedeutendsten Ansätze der Gegenwart vorgestellt. Die hier aufgezählten Ansätze und Konzepte repräsentieren weder die vollständige psychomotorische Landschaft in Deutschland, noch sind sie disjunkt, ganz im Gegenteil, sie überschneiden sich in vielen inhaltlichen und methodischen Aspekten und/oder ergänzen sich. Kompetenztheoretischer Ansatz: In dem auch als Kompetenzorientierten Ansatz bekannten Konzept, welches federführend von Friedhelm Schilling ausgearbeitet wurde, ist die zentrale Annahme, dass Wahrnehmungs- und Bewegungsdefizite durch psychisches Fehlverhalten kompensativ ausgeglichen werden. Dementsprechend sollen durch Erfahrungen mit dem eigenen Körper, mit der materialen und sozialen Umwelt ‚im Nachvollzug’ Handlungs-kompetenzen (Hammer 2004 b, S. 43) zur Erweiterung der Handlungsfähigkeit erworben werden und damit die Möglichkeit der Aufgabe des psychischen Kompensationsverhaltens geschaffen werden. Dem Grundgedanken dieses Modells folgend zielen also die psychomotorischen Interventionen auf Verhaltensänderungen und damit auf Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen - der Weg dorthin geht jedoch über die Bewegung (Hammer 2004 b, S. 45). In der psychomotorischen Intervention im Sinne des Kompetenztheoretischen Ansatzes ist der Ausbau der folgenden drei Kernkompetenzen von besonderer Bedeutung: Ich-Kompetenz - mit dem eigenen Körper erleben, erfahren und umgehen können. Sachkompetenz - an Umweltgegebenheiten anpassen und die Umwelt an sich anpassen sowie der Umgang mit der Umwelt. Sozialkompetenz - an andere anpassen, andere verändern, sich anpassen und damit kommunizieren (vgl. Schilling 1981). Diese drei Kompetenzen sollen in jeglicher Interventionshandlung nicht nur enthalten, sondern auch untrennbar miteinander verbunden sein. Sie stehen als Einheit stellvertretend für die angestrebte Ganzheitlichkeit der Entwicklung im Konzept der Psychomotorik. Neben dem Abbau der primären Symptomatik soll auch eine Verbesserung der psychomotorischen Leistungsstruktur zur Erweiterung von Handlungsspielräumen und der Stabilisierung und Harmonisierung des Verhaltens im Generellen erreicht werden. Somit kann das Kind lernen, sich mit seiner Störung zu arrangieren und Kompensationsmechanismen abzubauen (vgl. Hammer 2004 b) sowie mit zukünftigen störenden Einflüssen selbst fertig zu werden. Wichtig dabei ist, dass das Kind während der Intervention immer als aktiver Partner gesehen wird und somit analog seinem inhärent vorhandenen Entwicklungsplan an seiner eigenen Entwicklung aktiv mitwirken kann. Problematisch bei diesem Ansatz ist das Vorgehen, erst von der Symptomatik auszugehen und dann die Entstehung und aktuellen Auswirkungen zu suchen, Bewegung wird dabei immer nur als ‚Funktionsgeschehen‘ gesehen. Der sinnhaften Komponente der Bewegung an sich, vor allem der Bewegung im Spiel, wird kaum Rechnung getragen. Verstehender Ansatz: Der Verstehende Ansatz wurde Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts von Jürgen Seewald formuliert. Der Fokus der Methode ist auf ein psychoanalytisches und sinnhaftes Verständnis des Menschen gerichtet, welches ein subjektives Erleben und die Lebensgeschichte des Individuums gegenüber einem biologischen ‚Herauserklären‘ von Problemen betont. Es ist dabei das Ziel, das vollständige Ursachen- und Beziehungsgeflecht mit in den Verstehensprozess und die Sinnerschließung einer bestehenden Problematik einzubeziehen. Hammer schreibt dazu: Es geht hier nicht darum, Probleme und Störungen der Kinder zu erklären, sondern den Sinn ihrer Äußerungen zu verstehen (Hammer 2004 c, S. 164). Um dieses Verstehen zu erreichen, soll das Kind in einem dialogisch aufgebauten freien Spiel den Verlauf desselben selbst dirigieren, so dass der erwachsene Therapeut nur Anweisungen ausführen muss. Parallel kann und soll er dem Kind bei der Verarbeitung der Erlebnisse helfen, indem er eine symbolische Darstellung anregt oder zum Gespräch auffordert (vgl. Seewald 1993). Meist sollen im Prozess des Spiels Probleme und deren Ursprung ermittelt werden, damit diese dann langfristig durch Bewegungs- und Beziehungsangebote verarbeitet und bewältigt werden können. Durch das freie Spiel wird den Kindern, dem Verstehenden Ansatz zufolge, die Möglichkeit eröffnet, sich auszudrücken, auszuprobieren und‚ sich selbst zu heilen‘ (vgl. Könnecke 2005). ‚Es zeigt sich immer wieder, dass sie [die Kinder] hier zurückgreifen auf Bewegungs- und Spielformen, die eigentlich ihre entwicklungsfördernde Kraft schon in viel früheren Entwicklungsstufen hätten entfalten müssen. Dadurch wird deutlich, dass sie im freien Spiel versuchen, die ungelösten Krisen ihrer Vergangenheit zu bewältigen, um sich damit neue Entwicklungschancen für die Zukunft zu eröffnen (Hammer 2004 c, S. 173)’. Diese Vorgehensweise determiniert diesen Ansatz allerdings auf eine Dyade zwischen Kind und Therapeut, in der hohe Erwartungen an den Therapeuten gestellt werden, vor allem im Bezug auf die Kontrolle des Auslebens der eigenen Persönlichkeit und die Interpretation der kindlichen Handlungen. Kindzentrierte Psychomotorische Entwicklungsförderung: Der Kindzentrierte Ansatz wurde federführend von Renate Zimmer und Meinhart Volkamer entwickelt und hat in seinen Ursprüngen Parallelen zur non-direktiven Spieltherapie nach Virginia Axline und der Persönlichkeitstheorie nach Carl Rogers. Die zentrale Idee des Kindzentrierten Ansatzes ist eine psychomotorische Intervention, die eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung durch das Ausdrucksmedium Bewegung unterstützt. Dabei liegt eine besondere Betonung auf vier Aspekten: Eigentätigkeit, selbstständiges und selbstgesteuertes Handeln, Erfahrungen in der Gruppe und Handlungs- und Kommunikationskompetenz. Diese sollen zusammen zu einem kombinierten Aufbau der Ich-, Sozial- und Sachkompetenz beitragen. Von der Annahme her, dass Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern oft Folgen eines negativ ausgerichteten Selbstkonzeptes sind, wird in der psychomotorischen Intervention des Kindzentrierten Ansatzes auf den Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes hingearbeitet. ‚Körper- und Bewegungserfahrungen stellen für das Kind nicht nur wesentliche Mittel der Aneignung der Wirklichkeit dar, auf ihnen baut auch die Identitätsentwicklung auf. Das Ziel einer psychomotorischen Förderung liegt daher einerseits in der Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten eines Kindes und in der Verbesserung seiner motorischen Fähigkeiten, eine weitere wesentliche Aufgabe besteht jedoch auch in der Stärkung seines Selbstbewusstseins (Zimmer 2001, S. 24)’. Bewegung wird hierbei also als Zugang zu Verhaltensauffälligkeiten und auch als Mittel zum Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes gesehen. Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen Körper- und Bewegungserfahrungen die Identitätsentwicklung von Kindern unterstützen und zum Aufbau von Selbstvertrauen und zur Bildung eines positiven Selbstkonzeptes beitragen können (Zimmer 2004, S. 55), wird besonders dem Spiel eine herausragende Bedeutung zugemessen. Das Spiel wird als universelles Ausdrucksmedium zum Verarbeiten von Umwelteinflüssen und als Lernmedium auf allen Ebenen mit großer psychohygienischer Wirkung beschrieben. Weiter gibt es im Spiel immer auch eine symbolische Komponente, wodurch es die Möglichkeit des Entwurfs eines neuen Selbstkonzeptes, welches das alte negative Selbstkonzept ersetzen könnte, beinhaltet. Aus diesem Grund wird das Spiel als zentrale Methode im Kindzentrierten Ansatz angesehen. Neben dem Spiel als Methode hat vor allem die Forderung nach Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeitsüberzeugung der Kinder eine tiefere Bedeutung. ‚In der Psychomotorik wird das Kind als handelndes Subjekt verstanden, das Verantwortung übernehmen und auch für sich selbst entscheiden kann. Damit wird selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Handeln nicht nur Ziel, das irgendwann am Ende einer erfolgreichen Förderung steht, sondern es wird gleichermaßen bereits Methode der Fördermaßnahme (Zimmer 2004, S. 58)’. Der Ursprung dieser Forderung ergibt sich aus der Erfahrung, dass nur dann, wenn ein Kind sich selbst als Ursache für Erfolge und Misserfolge sieht, eine Intervention in der Entwicklung auch langfristig ein positives Selbstkonzept bewirkt und unterstützt. Nur wenn es von der Tätigkeit aus kommend Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen kann, besteht für das Kind die Möglichkeit, ein realistisch begründetes Selbstkonzept zu entwickeln (vgl. Zimmer 2006). Daraus ergeben sich bestimmte Prinzipien einer kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung: Freiwilligkeit der Entscheidung über die Teilnahme. Handlungsimpulse, die vom Kind kommen, aufgreifen. Vermeidung von Bewertung - Verstärkung der Eigentätigkeit. Anfängliche Vereinbarung von einsichtigen Grenzen (vgl. Zimmer 2004). In einer Bewegungssituation wird, dem Kindzentrierten Ansatz zufolge, dem Kind damit ermöglicht, immer mehr von der Fremdhilfe zur Selbsthilfe zu gelangen und aufgrund des entstehenden positiven Selbstkonzeptes mit realistischer Selbstwirksamkeitsüberzeugung zunehmend auch selbstständig Problemsituationen bewältigen zu können.
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