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Pädagogik & Soziales

Mohammed Laasri / Karim Animi / Idriss El Ouadghiri

Marokkostudienreise als interkulturelle Begegnung: Ein Beitrag zur transkulturellen Kommunikation und Konzept einer Studienreise

ISBN: 978-3-96146-776-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das vorliegende Buch richtet sich an Interessierte für Interkulturalität, interkulturelle Kommunikation und Studienreisen sowie an Studienreisebegleiter für die Destination Marokko. Im ersten Kapitel bietet Karim Animi den theoretischen Rahmen der interkulturellen Begegnung. Er untersucht die Bedingungen und Perspektiven für das Kultur- und Fremdverstehen. Idriss El Ouadghiri geht im zweiten Kapitel auf die kulturellen Spezifika des Landes ein, indem er die Aspekten Geschichte, Gesellschaft, Sprache und Religion zusammenfassend darlegt und die kulturelle Vielfalt des Landes aufzeigt. Mohammed Laasri behandelt daraufhin die Bedeutung der Studienreiseleitung als Kulturvermittlung und stellt die nötigen interkulturellen und rhetorischen Anforderungen an sie, wobei er auf Kenntnisse aus der Linguistik und der interkulturellen Kommunikation zurückgreift. Idriss El Ouadghiri stellt ausgehend von den Angeboten berühmter Studienreisen ein Konzept einer 13-tägigen Marokkostudienreise dar, geht auf ihre Voraussetzungen und nötigen Bedingungen ein und entwirft ein Studienreiseprogramm, das den Erwartungen deutscher Marokko-Studienreisenden nachzugehen versucht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Kulturelle Differenz in kosmopolitischer Perspektive: Im Folgenden soll es um zwei Sachen gehen, die die Frage der Wahrnehmung kultureller Differenzen in kosmopolitischer Perspektive beleuchten werden, nämlich um Kritik der abgrenzenden Identitätsfindung bei dem Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen und den verwurzelten Kosmopolitismus beim Philosophen Antony K. Appiah, die dem Kulturverstehen dienen und für einen hohen Grad an Toleranz sprechen. 2.1, Kritik der abgrenzenden Identitätsfindung: Amartya Sen ist einer der wichtigsten Intellektuellen unserer Gegenwart, nicht nur deshalb, weil er als weltbekannter Ökonom stark die Armut in der Welt bekämpft und für die politische Freiheit und soziale Chancen steht, sondern auch weil er nach Konzepten sucht, die zum Verstehen der menschlichen Kulturen beitragen können. In seinem Buch Identity and Violence. The Illusion of Destiny (dt. Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt), das sich in neun Kapitel gliedert, hat Sen mehrere Schlagworte für seine Beschäftigung mit der Identitätsproblematik im Rahmen kultureller Vielfalt ausgewählt. Die Einstellung von Sen zum Begriff der Identität ist jedoch nicht nur skeptisch. Er leugnet nicht die Idee der Identität an sich, sondern er unternimmt den Versuch, das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus der Spannung zwischen Vertrautheit und Aufgeschlossenheit zu betrachten: Die Identität kann ja eine Quelle von Reichtum und Freundlichkeit wie auch von Gewalt und Terror sein, und es wäre nicht sinnvoll, die Identität insgesamt als ein Übel zu betrachten (Sen 2007: 19). Niemand auf dieser Welt hat nur eine einzige Identität. Mit diesem Prinzip versucht Sen zu zeigen, dass Identität kein statisches Konzept ist, sondern eher ein dynamisches Konstrukt. Dass wir uns im normalen Leben als Mitglieder einer Vielzahl von Gruppen, denen wir angehören, verstehen, bedeutet, dass Staatsangehörigkeit, Wohnort, geographische Herkunft, Geschlecht, Klassenzugehörigkeit, politische Ansichten, Beruf, Arbeit, Essgewohnheiten, sportliche Interessen, Musikgeschmack, soziale Engagements usw. eine Konstellation bilden, die uns zu Mitgliedern dieser Vielzahl von Gruppen macht. Nach Sen ist Identität eine Sammlung von bestimmten Kollektiven, denen ein Mensch gleichzeitig angehört. Identität ist eigentlich eine Sammlung von mehreren Identitäten und keine dieser Identitäten darf als die einzige Identität oder Zugehörigkeitskategorie verstanden werden (Sen 2007: 20). Die Zugehörigkeit zu der Kultur der Gemeinschaft einerseits und die Freiheit der Entscheidung über die eigenen Lebensformen andererseits müssen sich gegenseitig anerkennen, wobei der Vollzug der Anerkennung die Identität zum Spannungsfeld des Eigenen und Fremden erhebt. Innerhalb der Identität einer Nation tauchen freilich kulturelle Unterschiede auf und geben somit die Möglichkeit, die eigenen Überzeugungen zu überprüfen und sich auf neue fremde Blickwinkel einzustellen. Sen legt großen Wert auf den Gebrauch der Vernunft bei der Entscheidung über eine Identitätsform. Er gibt der Vernunft den Vorrang vor dem Glauben, wenn es um religiöse Identität und kulturelle Vielfalt geht. Sen richtet sich gegen den Traditionalismus und seine religiös geprägte konservative Auffassung und hält sie dafür verantwortlich, dass die Religionszugehörigkeit als Hauptmerkmal verschiedener Kulturen heutzutage in Verruf geraten ist. Die Einteilung der Menschen nach ihren Religionszugehörigkeiten macht den gleichen Fehler, in den die Kategorisierung nach den Kulturkreisen gerät: In der sogenannten islamischen Welt leben zwar überwiegend Muslime, aber Unterschiede im literarischen und künstlerischen Geschmack, im Interesse an Wissenschaft und Mathematik und sogar in der Form der Religiosität sind ohne jeden Zweifel zu konstatieren. Der Westen in seinem Umgang mit Moslems aus verschiedenen Ländern, soll diese Differenzen unter den Moslems in Kenntnis nehmen (Sen 2007: 74). 2.2, Kulturelle Differenz und kosmopolitische Ethik: Es handelt sich in der folgenden Ausführung um eine Form ethischen Kosmopolitismus, die dazu beitragen soll, kulturelle Differenzen in gesprächsorientierter Perspektive zu diskutieren. Der Philosoph Anthony Appiah hat ein Buch veröffentlicht, das den Titel trägt Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums(Appiah 2007). Appiahs Publikation gliedert sich in zehn Kapitel. Fast in jedem Kapitel versucht Appiah, durch zahlreiche Beispiele die Überzeugung von der Existenz universaler Normen und der Partikularität der kulturellen Werte als vereinbar zu veranschaulichen. Kulturelle Vielfalt und Differenz sind unvermeidlich, und unsere Existenz als Menschen ist auch durch gemeinsame Normen geprägt. Im Kapitel Das Gespräch suchen lehnt Appiah die Verwendung des Begriffs Globalisierung, im Gegensatz zu Sen aber auch die des Multikulturalismus ab, weil der Gehalt beider Begriffe in den Köpfen der Bürger meistens umstritten sei. Für seine Analyse bevorzugt Appiah den Begriff des Kosmopolitismus, weil er bisher noch keine richtigen emotionsgeladenen Reaktionen auf sich gezogen habe. Appiah sieht also im Begriff des Kosmopolitismus eine konkretere Möglichkeit, um auf die geistige Situation der Zeit einzugehen. Die große Herausforderung der heutigen Zeit ist Appiah zufolge eine moralische, denn Menschen können durch ein globales Netzwerk sehr einfach miteinander in Berührung kommen, was sie unbedingt zu einem Informationsaustausch auffordert. Dass die moderne Kommunikationstechnologie, insbesondere das Internet, die ganze Menschheit zu einer Einheit der Kommunikation gebracht hat, veranlasst uns zu fragen, ob das Gegensatzpaar das Fremde und das Eigene seine Bedeutung damit verloren hat. Um uns auf die Antwort auf diese Frage vorzubereiten, zitiert Appiah zunächst einen kosmopolitischen Gedanken, der auf eine Äußerung von Apostels Paulus zurückgeht: Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau denn ihr alle seid <einer> in Christus Jesus (Appiah 2007: 12). Kosmopolitismus wird hier mit der Einheit der Menschheit gerechtfertigt. Der Gedanke, dass alle Menschen Einer in Jesus sind, zielt auf den moralischen Wert der Gleichheit aller Menschen ab. Die Fremdheit ist demzufolge überwunden. Ein anderer Gedanke über den Kosmopolitismus, den Appiah zu Anfang seiner Darstellung kosmopolitischer Ethik erwähnt, kommt dieses Mal von Martin Wieland, der den Kosmopoliten folgendermaßen versteht: Kosmopoliten betrachten alle Völker des Erdbodens als ebensoviele Zweige einer einzigen Familie, und das Universum als einen Staat, worin sie mit unzähligen anderen vernünftigen Wesen Bürger sind, um unter allgemeinen Naturgesetzen die Vollkommenheit des Ganzen zu befördern, indem jedes nach seiner besonderen Art und Weise für seinen eigenen Wohlstand geschäftig ist. (Wieland 1788: 13) Dieser aufklärerische Gedanke über den Kosmopolitismus strebt die Einheit der Menschen ohne Tendenz zur Egalisierung von Unterschieden an. Der Kosmopolit ist demgemäß derjenige, der nach dem vollkommenen Ganzen sucht, ohne die Unterschiedenheit der einzelnen Subjekte ausschalten zu wollen. Appiah kommt anhand historischer Beispiele zu der Erkenntnis, dass der Begriff des Kosmopolitismus sich als eine Herausforderung konstituiert, die zwei Grundideen darstellt: Erstens: Dass wir Pflichten gegenüber Menschen haben, die mit uns eine Verwandtschaft oder eine Staatsbürgerschaft nicht teilen zweitens: Jedes menschliche Leben muss ernst genommen werden, weil es die praktischen Tätigkeiten und Glaubensüberzeugungen des Einzelnen verkörpert (Appiah 2007: 13). Der Ausgangspunkt dieses Projekts ist die Tatsache, dass wir unterschiedliche Werte und somit unterschiedliche Lebensweisen haben und dass wir das Gespräch als Mittel der Annäherung unserer Differenzen annehmen sollten. In einem anderen Kapitel mit der Überschrift Moralische Meinungsverschiedenheit versucht Appiah anhand eines Beispiels aus der Akan-Gesellschaft in Ghana zu erklären, wie Tabus lokalen Charakters sein können und dass Fremde nicht wissen, was in anderen Bräuchen Tabu sein könnte und wie man damit umgehen sollte. Unsere Pflichten gegenüber den Tabus, die wir nicht kennen, sind, laut Appiah, moralisch zu begründen, denn auch wenn Tabus zu echten Meinungsverschiedenheiten über rechtes Handeln führen können, sehen doch die meisten Menschen durchaus, dass solche Werte von Ort zu Ort variieren […] vor allem halten die lokalen Werte uns nicht davon ab, Freundlichkeit, Großzügigkeit oder Mitgefühl als Tugenden und Grausamkeit, Geiz oder Rücksichtslosigkeit als Laster zu empfinden, wie es in den meisten menschlichen Gesellschaften geschieht. (Appiah 2007: 82) Darüber hinaus betont Appiah mit einem Gebot von Levitikus die Nächstenliebe als universellen Wert: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Nächstenliebe soll hier trotz aller kulturellen Unterschiede und Werte von allen Menschen anerkannt werden. Als universelle Deklaration einer globalen Ethik soll die sogenannte Goldene Regel gelten, nach der eine Maxime des Handelns lautet: Was du nicht willst, das man dir tut, das füge keinem andern zu! Behandle andere so, wie du selbst behandeln werden möchtest! Appiah behauptet, dass die Prinzipien und die Ziele der Goldenen Regel von Kosmopoliten ebenfalls geteilt, jedoch müsse man beim Handeln nicht nur die eigenen Überzeugungen berücksichtigen, sondern die des Anderen auch. Der Grundsatz, dass wir die Interessen anderer Menschen ernst nehmen und berücksichtigen sollten, hat nichts anderes als das Ziel: Wir sollen uns in die Lage anderer Menschen versetzen und eine Weile in ihren Schuhen umherlaufen (Appiah 2007: 89).

Über den Autor

Dr. Karim Animi wurde 1984 in Fes/Marokko geboren. Nach seinem Germanistikstudium an der Universität Fes und der Universität Bayreuth promovierte er an der Universität Bayreuth. Sein Fachgebiet sind Interkulturalität und interkulturelle Kommunikation. Idriss Ouadghiri, MA, 1973 in Fes geboren, hat Germanistik an der Universität Fes studiert und einen Masterabschluss in Tourismusmanagement an der Freien Universität Berlin erworben. Seit 1999 arbeitet er als Studienreisebegleiter. Dr. Mohammed Laasri, 1973 in Fes geboren, arbeitet seit nach seiner Promotion im Fach Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum als Lehrkraft für Germanistik an der Universität Fes. Die Beschäftigung von Animi mit interkulturellen Themen und die Interessen der Autoren Ouadghiri und Laasri an der interkulturellen Kommunikation und Studienreisen motivierten die Autoren, sich dieser Thematik in dem vorliegenden Buch zu widmen.

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