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Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 236
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Für lebenslanges Lernen und gute Gedächtnisleistungen ist vor allem der Einsatz von Lernstrategien von Bedeutung. Um ein Grundverständnis für das Thema Lernen herzustellen, werden in diesem Werk Modelle zur Funktion und Aufbau des Gedächtnisses detailliert vorgestellt. Wir finden zeitabhängige, inhaltsabhängige sowie prozessabhängige Modelle. Die Entwicklung der Gedächtnisleistung und der Wissensstand bei Kindern werden bis zum Grundschulalter aufgezeigt. Der Leser erhält einen Einblick in die Gedächtniskapazität und fundiertes Wissen über das Ultra-, das Kurz- und das Langzeitgedächtnis. Um Lernprozesse im Sinne des selbstorganisierten Lernens optimal zu gestalten, wird die Bedeutung und Funktionsweise des Metagedächtnis dargelegt. Durch die Erklärung von unterschiedlichen strategischen Verhaltensweisen beim Lernen erhält der Leser Inspirationen und Verständnis für die effiziente Gestaltung von Lernprozessen bei normal begabten und lernbehinderten Kindern. Die Analyse von Metagedächtnisvorgängen von Nelson und Narrens fasst die bisher isoliert betrachteten Gedächtnismodelle zur Entwicklung gekonnt zusammen und beschreibt die einzelnen Gedächtnisvorgänge für jedermann verständlich. Darüber hinaus wird die viel beachtete Diskussion der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe, bekannt unter dem Namen Developmental-Difference Kontroverse, bei normal begabten und lernbehinderten Kindern in ein neues Licht gerückt. Anhand von Untersuchungen erhalten wir einen Einblick in die kognitive Entwicklung der Kinder und in ihre Leistungsfähigkeiten. Untersuchungen zeigen auf, dass junge normal begabte Kinder und Lernbehinderte Kinder Schwächen bei der Anwendung von Strategien aufweisen. Dargelegt wird, wie Lernprozesse z. B. durch das Üben von Wiederholungsstrategien, verbessert werden können. Somit bietet das Buch umfassende Informationen für Experten mit wissenschaftlichem Anspruch, ebenso finden in der Praxis tätige Personen praktische Übungen zur Verbesserung des Lernens.
Textprobe: Kapitel 4.5, Strategienutzung mental Retardierter: Die Ursache der Leistungsdefizite von mental Retardierten beim Bewältigen von Aufgaben zum Gedächtnis liegen laut Borkowski und Büchel vor allem in der mangelnden bewussten und effektiven Strategienutzung. Junge nicht retardierte und retardierte Kinder sind kaum dazu in der Lage Strategien effektiv einzusetzen. Die strategischen Defizite beziehen sich beim Einprägen des Lernmaterials auf mangelnde Kenntnisse von Wiederholungsstrategien und auf Probleme beim kategorialen Organisieren. In der vorliegenden Studie stehen die Untersuchung des prozeduralen Metagedächtnisses und vor allem die Defizite bei mental Retardierten im Fokus der Untersuchung, aus diesem Grund möchten wir einen Einblick in den bisherigen Forschungsstand der Strategienutzung von mental Retardierten geben. Strategische Kompetenz steht im Zusammenhang mit und basiert auf dem strategischen Wissen sowie den Fähigkeiten, die einen Einsatz von Strategien überhaupt erst ermöglichen. Justice betont, dass mental Retardierte anscheinend über eine mangelnde Vorstellung von den eigenen Gedächtnisabläufen verfügen, die Vorteile von Strategien nicht erkennen können und aus diesen Gründen Gedächtnisstrategien nur unzureichend nutzen. In einer Studie, die den Faktor Intelligenz als Einflussfaktor variierte, zeigte sich ein konstanter unflexibler Einsatz von Strategien bei weniger begabten Kindern. Die höher begabten Kinder wiesen eine größere metakognitive Flexibilität beim Strategieeinsatz in Bezug auf die Gestalt der Aufgabe auf, bei leichten Aufgaben setzten sie keine Strategien ein, während bei Aufgaben mit klarer Strategieindikation oder bei schwerem Lernmaterial Strategien zum Einsatz kamen. Die Intelligenz spielt, nach Bjorklund und Schneider, eine differenzierende Rolle beim Strategieeinsatz und bei der Erinnerungsleistung. Die höhere Gedächtnis- und Organisationsleistung konnte in ihrer Studie nicht ausschließlich auf die vermehrte Strategieanwendung zurückgeführt werden, sondern der höhere IQ-Wert erzeugte auch bei unterschiedlich begabten Strategen eine höhere Gedächtnisleistung. Insgesamt zeigten neuere Arbeiten, dass verbalisierbares Gedächtniswissen für strategisches Verhalten und für die Gedächtnisleistung bei semantischen Kategorisierungsaufgaben bedeutsam ist. In einer Untersuchung zur Lernzeitallokation konnte Büttner nachweisen, dass mental retardierte Kinder im Vergleich zu chronologisch gleichaltrigen, unauffälligen Kindern bei der Schwierigkeitseinschätzung einer Aufgabe signifikant schlechter abschnitten und dies spiegelte sich auch in der Fähigkeit zur Lernzeitallokation wider. Die Studie von Bauer und Newman zur Lernzeitallokation zeigte bei acht- bis zwölfjährigen Kindern, dass die Entwicklung der Fähigkeit zur Lernzeitallokation bei lernbehinderten Kindern im Vergleich zu nicht-lernbehinderten Kindern entwicklungsverzögert abläuft. Brown und Campione fanden in einer Studie zur Lernzeitallokation, dass lernbehinderte Kinder der dritten und fünften Klassen nach Durchlaufen eines Strategietrainings, im zweiten Lerndurchgang weitestgehend nicht dazu in der Lage waren die Items auszuwählen, die sie im ersten Durchgang nicht gelernt hatten. Auch die Kinder, die in der Lage waren, sich auf die vorher nicht gelernten Items zu konzentrieren, erzielten keine Verbesserung der Gedächtnisleistung. Eine Annahme sieht die Ursache für diesen Sachverhalt darin, dass diese Art der Lernaufgaben komplexe Integrationsleistungen von Informationen erfordern, zu denen die lernbehinderten und die mental gleichaltrigen unauffälligen Kindergartenkinder noch nicht in der Lage zu sein scheinen. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass die Defizite aus einer ungenügenden Fähigkeit resultieren, passende und wichtige systematische Pausen zur Integration von Informationen einzulegen (‘intake Strategy’). Eine Durchsicht der Untersuchungsprotokolle von Butterfield et al. zeigte, dass die mental retardierten Kinder eine mangelhafte Koordination einzelner Informationen aufwiesen, somit konnte kein ‘harmonischer Fluss’ der Informationen entstehen. Ein spezielles strategisches Gedächtnistraining zur Koordination der Elemente von Informationsaufnahme und Informationsausgabe erbrachte aber eine nahezu perfekte Wiedergabe des Lernmaterials. Insgesamt scheint der mangelnde Strategiegebrauch weniger der Fehler der Probanden zu sein, als vielmehr ein Fehler beim Einsatz von geeigneten Instruktionen und Vorbereitungen. Nach Brown et al. und Butterfield et al. erfolgt ein kompetenter Einsatz der kognitiven Ressourcen, wenn bewusste und planvolle Überlegungen zur Problemlösung der Anforderungen im Vorfeld der Handlungen stattfinden. Und Retardierte stellen diese Überlegungen nicht an. Darüber hinaus vermuten sie strukturell gegebene Begrenzungen bei den unreifen Lernenden. Die Forscher von Eye und Hussy betonen die vorherige Bearbeitung des Lernmaterials zur Optimierung der Gedächtnisleistung in ihrem sogenannten Vorverarbeitungsmodell. Eine Annahme dieses Modells ist, dass ein Lernen nach Ordnungsstrukturen wie dem Lernen nach Oberbegriffen, sowohl die Abspeicherung als auch den Abruf von Informationen begünstigt. Sie nennen drei verschiedene Arten der Vorverarbeitung: 1) Das zu lernende Material wird mit dem Wissen aus dem Langzeitgedächtnis verglichen und der vorherrschenden Ordnung angepasst. 2) Eine operative Vorverarbeitung wie das ‘Clustering’, bei dem sinnvolle Einheiten gebildet werden. 3) Die ökonomische Anordnung von Wissen aufgrund von metakognitivem Wissen. In einer Studie von Brown und Lawton konnte bei Untersuchungen zum ‘Feeling of knowing’ bei Kindern mit leichter mentaler Retardierung im Alter von sechs-, acht- und zehn Jahren gezeigt werden, dass die älteren eine höhere Sensitivität hinsichtlich des ‘Feeling of knowing’-Urteils aufweisen konnten als die jüngeren. Durchaus können die Achtjährigen aber die Anzahl der Items bei einer einfachen Aufgabe abschätzen, während sie ihre Reproduktionsbereitschaft (‘recall readiness’) nicht vorhersagen konnten oder in der Lage waren, ihre Zeit effizient einzuteilen. Turner und Bray verwendeten auch eine Aufgabe zur Reproduktionsbereitschaft bei elf- und fünfzehnjährigen Kindern und Erwachsenen mit und ohne mentale Retardierung. Die mental retardierten Personen verwendeten ‘labeling strategies’ wesentlich öfter als die unauffälligen Personen, wobei die Verwendung bei allen Gruppen mit zunehmendem Alter abnahm. Die Probanden ohne mentale Retardierung verwendeten häufiger höhere Strategien. Bei einer Studie von Bray, Hersh und Turner wurde der Entwicklungsverlauf der Anwendung von Wiederholungsstrategien bei elf, fünfzehn und achtzehn Jahre alten mental Retardierten untersucht. Dabei konnte ein Anstieg von 19% auf 31% in diesem Alterszeitraum verzeichnet werden, bei dem die Probanden in der Lage waren Wiederholungsstrategien anzuwenden. Unauffällige Probanden zeigten eine höhere Rate in der Zunahme der strategischen Kompetenz hinsichtlich der Wiederholungsstrategie, im selben Altersbereich war ein Anstieg von 25% auf 75% zu verzeichnen. Ein Transfer von gelernten Strategien auf andere Situationen kommt bei Lernschwierigkeiten nur unter großer Anstrengung oder überhaupt nicht zur Anwendung. Die Behauptung, dass Lernschwierigkeiten aufgrund von inaktiven Lernvorgängen zustande kommen, lehnt Zielinski allerdings als Erklärung für diesen Sachverhalt ab. Bei Schülern mit Lernschwierigkeiten konnte nachgewiesen werden, dass diese Schüler bei der Problemlösung nicht inaktiv sind, sie wenden nur weniger effektive Strategien an. Lauth hat sich in diesem Zusammenhang mit Retardierten beschäftigt und seine Ergebnisse zeigen, dass sie vor und während der Lernhandlung bestimmte Überlegungen unterlassen. Die Folge ist, dass vor der Handlung keine vorteilhafte Organisation des strategischen Verhaltens geplant wird. Darüber hinaus werden bestimmte Rückmeldungen, die zur Überwachung und damit zur Optimierung der Handlung wichtig wären, nicht vollzogen, somit wird eine Anwendung von strategischem Wissen und eine Generalisierung erschwert. Lauth führt ebenfalls an, dass Retardierte gelernte Strategien vor allem in Situationen anwenden, die der ursprünglichen Lernsituation entsprechen, d. h. der Strategiegebrauch scheint situationsabhängig zu sein. Ergebnisse von Perleth stellen die mangelnde Fähigkeit zur Generalisierung bei leicht mental Retardierten in Frage, bei seiner Untersuchung konnten leicht mental retardierte Kinder gelerntes strategisches Verhalten auch in einer leicht abgewandelten Situation zeigen. Kritisch anzumerken bleibt bei diesem Befund, dass die Transferaufgabe, eine ‘sort-recall’-Aufgabe (Sortier-Reproduktions-Aufgaben), erhebliche gemeinsame Oberflächeneigenschaften aufwies. Untersuchungen mit ‘sort-recall’-Aufgaben verzeichnen generell einen sprunghaften Anstieg der Kategorisierungstendenz beim Sortieren und Reproduzieren zwischen der dritten und vierten Klasse. Der Entwicklungssprung in diesem Altersbereich kann auf das wachsende adäquate metamemoriale Wissen über die Nützlichkeit von Organisationsstrategien zurück geführt werden. In Trainingstudien von Butterfield, Wambold & Belmont, Perleth, Schuker & Hubel und Turnbull wurden mental Retardierte in Strategietrainings, die ein Üben von Wiederholungsstrategien oder Organisationsstrategien zum Ziel hatten, geschult. Dabei zeigte sich, dass sie durchaus von den Trainingseinheiten profitieren können und sie auch in der Lage waren ihre Gedächtnisleistungen zu steigern. Tuner, Hale und Borkowski führten eine Trainingsstudie durch, bei der zehnjährige Retardierte und nicht Retardierte über einen Zeitraum von drei Jahren die Entwicklung von Wiederholungsstrategien und kategorialen Organisationsverhalten untersucht wurde. Bei beiden Gruppen erhöhte sich die Gedächtnisleistung, die Häufigkeit der Lerndurchgänge und der Grad der kategorialen Organisation. Wahrscheinlich ist, dass mental Retardierte nicht unfähig sind Strategien anzuwenden, sondern das sie sich durch ein Produktionsdefizit auszeichnen, wie die jüngeren Grundschulkinder. Hinsichtlich kategorialer Ordnungsstrategien können die vorliegenden Befunde von Perleth so zusammengefasst werden, dass bereits Grundschüler der zweiten Klasse spontan kategoriale Ordnungsstrategien einsetzen. Der Einsatz einer Kurzintervention ermöglichte den Anteil der Strategen bei Zweitklässlern auf über 80% zu erhöhen. Für leicht mental retardierte Kinder konnten diese Befunde ebenfalls bestätigt werden. Die Position von Bjorklund, der strategisches kategoriales Verhalten erst bei Schülern am Beginn der Sekundarstufe für möglich hält, kann somit als widerlegt betrachtet werden. Schon Brown und Barclay waren der Auffassung und haben nachgewiesen, dass selbst leicht mental retardierte Kinder Selbstteststrategien durch ein Strategietraining erwerben und bei der Bearbeitung von Aufgaben zur Reproduktion anwenden konnten. In einer Metaanalyse von Kavale und Forness konnte mit einer Effektstärke von .70 nachgewiesen werden, dass Strategietraining bei mental Retardierten wirksam ist für eine Verbesserung des Lernvorgangs und der Gedächtnisleistung. Die Leistungen der mental Retardierten waren aber weitestgehend niedriger als die ihrer mental gleichaltrigen unauffälligen Vergleichsgruppen, wobei dieser Abstand auch nicht signifikant durch Strategietraining verringert werden konnte.
Heiko Kölle wurde 1973 in Frankfurt am Main geboren. Nach einer Karriere im Leistungssport begleitet von einer technischen Berufsausbildung, setzte er lebenslanges Lernen in die Tat um und absolvierte den 2. Bildungsweg. Heute arbeitet er als Diplom-Psychologe, Coach und Seminarleiter für verschiedene Organisationen und Privatkunden. Lernen, Behalten, die Anwendung und Umsetzung von Erlerntem begleiten seine Tätigkeiten bis heute. Aus diesem Grund beschäftigt er sich intensiv mit Lern- und Gedächtnisprozessen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
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