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- Lebensentwürfe junger ostdeutscher Frauen: Eine qualitative Betrachtung der Bedeutung der Erwerbstätigkeit
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Innerhalb dieser Explorationsstudie wird ein Teilaspekt des sozialen Wandels in Ostdeutschland betrachtet. Ausgehend von theoretischen Vorbetrachtungen zum Einfluss des Transformationsprozesses in Ostdeutschland speziell auf die Lebenssituation und -führung von Frauen wird in dieser Forschungsarbeit aufgezeigt, inwiefern in den Lebensentwürfen junger ostdeutscher Frauen, die nach 1989 als bundesdeutsche Staatsbürgerinnen geboren sind, Elemente eines sozialen Wandels zu verzeichnen sind. Als besonders relevantes Moment steht dabei die Bedeutung der Erwerbstätigkeit bei der Betrachtung im Vordergrund. Mit der Auswertung von acht qualitativen Interviews werden die Vorstellungen und Strategien für die Lebensbereiche Beruf und Familie der jungen Frauen dargestellt und daraus Rückschlüsse auf mögliche aus der DDR-Zeit sozialisierte und übertragene oder bereits durch den sozialen Wandel beeinflusste Konstruktionen gezogen. Dabei wird die geschlechtsspezifische Perspektive des weiblichen Lebensentwurfes fokussiert.
Textprobe: Kapitel 3.2, Sozialisation und Interaktion: Sozialisationstheorien haben sich lange an Emile Durkheims Zusammenhänge zwischen Individuum und gesellschaftlicher Ordnung im Sinne einer methodischen Sozialisation orientiert. Soziale Tatbestände werden von Durkheim als äußerlich, mit zwanghaftem Charakter, allgemein und unabhängig vom Individuum beschrieben. Sie existieren also außerhalb jeder Person und sind im kollektiven Bewusstsein verankert. Sie zeigen sich innerhalb der Vorstellungen vom richtigen Handeln und Denken, welche durch den Prozess der Sozialisierung jedem Einzelnen nahe gebracht werden. In der klassischen Sozialisationstheorie integriert Parsons die Gedanken Durkheims, aber auch Freuds und Meads, und stellt sie in den Rahmen seiner Theorie des sozialen Systems. Das Anliegen Talcott Parsons war es, eine universelle Theorie für die Beschreibung und Analyse sozialer Systeme zu entwickeln. Daneben war für seine Theorieentwicklung wichtig, das Problem der Ordnung in Gesellschaften zu erkennen. Hier geht Parsons davon aus, dass das menschliche Handeln durch drei Subsysteme geprägt ist, dem sozialen System, dem Persönlichkeitssystem und dem kulturellen System. Das soziale System ist durch soziale Interaktionen geprägt, welche wiederum durch wechselseitig aufeinander bezogene soziale Rollen geordnet werden. Das Persönlichkeitssystem entwickelt sich aus den unterschiedlichen Bedürfnisperspektiven und das kulturelle System basiert auf kulturellen Symbolen. In seiner Rollentheorie entwickelt Parsons letztendlich ein Erklärungselement für die Frage nach der Integration des Individuums in die bestehende soziale Ordnung. Erst seit den 1980er Jahren wurde der Prozess der Sozialisation zunehmend aus der Sicht des Individuums betrachtet. Vor allem aber wie die Individuen untereinander in Beziehung treten und dabei soziale Formen ausbilden, also auch Gesellschaft herstellen, waren neue Fragen der Sozialisationstheorie. Insbesondere die Perspektive der Sozialisation im Lebensverlauf betont langfristige Prozesse und stellt Entwicklung und Sozialisation in spezifischen Lebensphasen in den breiten Kontext der Lebensspanne. Sozialisation ist in diesem Sinne als ein ständig ablaufender Prozess zu verstehen, da sich Individuen immer in sozialen Strukturen bewegen und immer sozial handeln. Durch ihr eigenes Handeln eignen sie sich die gesellschaftliche Wirklichkeit an und gestaltet sie auch gleichzeitig. Grundmann betont dabei, dass Sozialisation immer auch Interaktion voraussetzt und das Sozialisationstheorien auch auf Dispositionen des Menschen zur Reflexion, zur Koordinierung und zur Verständigung aufbauen müssen. Daraus folgt, dass sich Sozialisation vornehmlich aus Beziehungen zwischen Handlungssubjekten, also intersubjektiv, konstituiert. Sozialbeziehungen gehen dabei immer mit Ambivalenzen einher, d. h. aus Erfahrungen von Subjektdifferenzen (z. B. Geschlecht, Lebensalter usw.) und der Gleichzeitigkeit von Unterschieden der Akteure aufgrund von Alters- und Generationendifferenzen. Der eigentliche Sozialisationsprozess ist die soziale Praxis, dass Aufeinander-beziehen und Aneinander-binden von Individuen. Für die Formulierung einer allgemeinen Theorie der Sozialisation ist es demnach wichtig herauszuarbeiten, wie sich Menschen in ihrem Zusammenleben aufeinander beziehen und dabei Fähigkeiten des Umgangs erwerben, die es ihnen ermöglichen, sich in ihrem Zusammenleben wechselseitig zu ergänzen und zu unterstützen. In der sozialwissenschaftlichen Forschung wird sich dabei auf wichtige Sozialisationsinstanzen bezogen, die einen Zugang zu den Interaktionsformen und -qualitäten bieten. In der Kindheit ist nach zeitlicher Dauer und Intensität die Familie die wichtigste Instanz. Später werden Gleichaltrigengruppen (peer-groups) und der Interaktions- und Sozialisationsraum Schule betrachtet. Doch Sozialisation als Entwicklungsprozess zur gesellschaftlichen Eingliederung geht weit über das Kindes- und Jugendalter hinaus. Sozialisation kann nicht nur als Erziehungsprozess bezeichnet werden, sondern ist ein lebenslanger Lernprozess des Menschen. So ist Sozialisation auch ein Bestandteil des Erwachsenenalters. Sozialisation ist dabei mit jedem Erlernen einer neuen Rolle, mit Eingliederungen in neue Gruppen und mit Übergängen in (neue) institutionalisierte Gesellschaftsformen verbunden. Darunter kann berufliche Sozialisation, der Eintritt in ein Universitätsstudium oder aber auch Heirat und Familiengründung verstanden werden. Die Sozialisierung im Lebensverlauf teilen Berger und Luckmann grob in zwei verschiedene Phasen auf: 1. Die primäre Sozialisation, als eine erste Phase, durch die der Mensch in seiner Kindheit zum Mitglied der Gesellschaft wird 2. Die sekundäre Sozialisation, eine spätere Phase, in der eine bereits sozialisierte Person in neue Ausschnitte oder Subwelten der Gesellschaft integriert wird. Hurrelmann bezeichnet die Sozialisation als lebenslangen Prozess, der aus einzelnen aufeinander folgenden Entwicklungsschritten besteht. Das elementare Erlernen von sozialen Regeln und Umgangsformen wird von ihm ebenfalls als primäre Sozialisation bezeichnet. Die sekundäre Sozialisation setzt nach Hurrelmann etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres ein und ist entscheidend für das Übernehmen konkreter Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Hurrelmann geht dabei besonders auf die Vermittlung von kulturellem Wissen und Formen des sozialen Zusammenlebens ein. Zwar gehen Berger und Luckmann auch auf einzelne Entwicklungsschritte des Individuums ein, sie beschreiben jedoch den Prozess der Sozialisation vielmehr unter dem Gesichtspunkt verschiedener Interaktionsgrade und deren Bedeutung für das Individuum. Beide Phasen, primäre und sekundäre Sozialisation, sind durch bestimmte Interaktionsformen und Identifizierung mit ‘dem Anderen’ gekennzeichnet. Berger und Luckmann gehen davon aus, dass jeder Mensch in eine objektive Gesellschaftsstruktur hineingeboren wird, innerhalb derer er auf ‘signifikante Andere’ trifft, denen die Sozialisation des neuen Menschen anvertraut ist. Während der primären Sozialisation finden dabei nicht nur kognitive Lernprozesse statt, sondern auch eine emotionale Identifizierung mit den ‘signifikante Anderen’. Dabei beginnt ein Prozess von Identifizierung durch Andere und einer Selbstidentifikation, also einer Dialektik zwischen objektiv zugewiesener und subjektiv angeeigneter Identität. Die primäre Sozialisation bewirkt Schritt für Schritt im Bewusstsein des Kindes eine progressive Loslösung der Rollen und Einstellungen. Zum einen werden Normen von den signifikanten Anderen, wie der Mutter, übernommen. Werden diese Normen zudem durch andere Personen wahrgenommen und geprägt, entsteht ein Bild der Übernahme durch ‘generalisierte Andere’. Das heißt beispielsweise, wenn ein ‘böses Wort’ zu sagen von der Mutter nicht nur einmal sondern immer als ‘böse’ bezeichnet wird, ist dies eine Übernahme von Normen durch den ‘signifikanten Anderen’, nimmt das Kind aber nach und nach wahr, dass diese Handlung auch von Oma und Opa oder sogar von der Nachbarin als ‘böse’ bezeichnet wird, so wird aus der Normvorstellung des ‘signifikanten Anderen’ eine des ‘generalisierten Anderen’. Das Erwachen des Bewusstseins für den ‘generalisierten Anderen’ markiert, nach Berger und Luckmann, eine entscheidende Phase der Sozialisation. Die primäre Sozialisation endet damit, dass sich die Vorstellung des ‘generalisierten Anderen’ im Bewusstsein des Menschen angesiedelt hat. Die sekundäre Sozialisation ist eine weiterführende Internalisierung institutioneller Subwelten. Insbesondere der Erwerb von rollenspezifischem Wissen ist in dieser Phase maßgebend. Der Unterschied zur primären Sozialisation liegt in der fehlenden emotionalen Identifikation mit ‘dem Anderen’. Die individuelle Entwicklung benötigt in dieser Phase nur so viel wechselseitige Identifikation, wie sie zum Austausch zwischen Menschen benötigt wird. Sozialisation im späteren Lebensverlauf ist meistens nur dann gefühlsbetont, wenn versucht wird die subjektive Wirklichkeit des Individuums radikal zu wenden. Die geringere Emotionalität ist dem lebenslangen Rollenlernen verschuldet. Der (erwachsene) Mensch muss sich stets wandelnden gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen anpassen und ist mit einem dauerhaften Problem des Wechsels von Positionen im Leben aber auch des Wechsels von Rollen und Status konfrontiert. Hinzu kommen fortlaufend innere Wandlungsprozesse, also Prozesse der Selbsterfahrung, der Neuorientierung, kurz der Wandlung der Selbstidentität. Das geringere Maß an Identifikation mit ‘dem Anderen’ ist jedoch nicht als verlorengegangene Bindungsstruktur zu interpretieren, sondern das ‘Abstandhalten’ gegenüber ‘den Anderen’ in gesellschaftlichen oder institutionell geprägten Subwelten ermöglicht dem Individuum erst rationale und emotional kontrollierte Lernsequenzen.
Anne Schröter wurde 1985 in Dresden geboren. Sie studierte zunächst Musikerziehung an der Hochschule für Künste in Bremen mit paralleler Berufstätigkeit als Instrumentallehrerin. Im April 2005 begann sie das Bachelorstudium der Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Soziologie und empirische Sozialforschung an der Hochschule Vechta und war dabei durchgängig als studentische Mitarbeiterin am Institut für Bildungs- und Sozialwissenschaften zur Unterstützung qualitativer und quantitativer Forschungsvorhaben tätig. Anschließend absolvierte sie das Masterstudium der Soziologie und empirischen Sozialforschung an der Universität Bremen bei gleichzeitiger Tätigkeit als studentische Mitarbeiterin am Institut Arbeit und Wirtschaft. Nach ihrem Masterabschluss im Jahr 2010 ist sie nun am Institut Arbeit und Wirtschaft als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt und arbeitet dort an ihrer Promotion. Die Begeisterung für qualitative Forschung und die Exploration von sozialwissenschaftlich relevanten Themengebieten begleitet Sie schon seit ihrem Bachelorstudium. Sie konnte bereits mit ihrer Bachelorarbeit ihr Können in den qualitativen Methoden hervorheben und wurde dafür ausgezeichnet. Während ihres Masterstudiums vertiefte sie ihre methodischen Kenntnisse und die Schwerpunkte Lebenslaufsoziologie, Arbeitsmarktsoziologie und Geschlechterforschung. In dem vorliegenden Buch verbindet Anne Schröter ihr Interesse an qualitativen Methoden und den soziologischen Forschungsschwerpunkten mit der Betrachtung von gesellschaftlichen Phänomenen in Ostdeutschland. Dabei waren es vor allem die Lebensentwürfe junger Frauen, welche sie hervorheben wollte.
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