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- Kybernetik als moderne Reflexionstheorie in der Pädagogik: Eine systematische Analyse am Prototyp Beratung
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Viele Theoretiker in den Sozialwissenschaften haben wohl die Kybernetik als ganzheitliche und strukturwissenschaftliche Theorie mit einem Mehrwert für die Wissenschaft schon längst abgeschrieben. Mit dem Ende der Kybernetischen Pädagogik als Disziplin ist sie vollständig sowohl aus den sozialwissenschaftlichen Institutionen als auch aus deren Wissenschaftssprache verschwunden. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch, dass die Kybernetik implizit immer noch eine Rolle spielt. Vor allem in sozialwissenschaftlichen Modellen über bestimmte Evaluations-, Planungs-, Coaching- oder Beratungsprozesse sind Strukturen anzutreffen, die stark an Entwürfe von Helmar Frank oder Felix von Cube aus den 70er und 80er Jahren erinnern. Es erweist sich aber – gerade vor dem Hintergrund aktueller Professionalitätsdiskussionen – als Vorteil, einen klaren Reflexionshorizont zu errichten, welcher eine deutlich identifizierbare Theorie vertritt. Dieser Ausgangspunkt führt zu der in diesem Buch vertretenen These, dass die Kybernetik, insbesondere die Kybernetische Pädagogik, nach wie vor einen großen Bereich in den Sozialwissenschaften ausfüllt, obgleich sie hier keine nominelle Explikation mehr erfährt. Dieses Buch beschäftigt sich demnach zunächst mit der Kybernetik als Theorie im sozialwissenschaftlichen Kontext. Daran anschließend wird ein Beratungsbegriff im Kontext aktueller Diskussionen in sozialen Disziplinen eingeführt, anhand welches im dritten Schritt der Versuch unternommen wird, ein Beratungsmodell mithilfe der kybernetischen Theorie zu entwerfen. Dieses Buch versteht sich zum einen als interdisziplinäre bzw. strukturwissenschaftliche Prodiskussion in der Frage nach kybernetischen Modellen in den Sozialwissenschaften und zum anderen als Theorieangebot für vorherrschende Professionalitätsdiskussionen im Bereich Beratung.
Textprobe: Kapitel 1.2, Die Kybernetik als normative Wissenschaft? In den vorangegangenen Punkten wurde die Kybernetik als eine Art Meta-Wissenschaft dargestellt, die aufgrund ihrer Struktur für einen interdisziplinären Rahmen geeignet ist. Aus den verschiedenen Dimensionen geht außerdem hervor, dass sie sich in Anwendung hervorragend für Optimierungsvorgänge in verschiedenen Kontexten einsetzen lässt. Im Zusammenhang mit der maschinentheoretischen Dimension liegt der Schluss nahe, die Kybernetik als eine normative Wissenschaft zu begreifen, die sich zum Ziel setzt, Gesetze zum Erreichen eines Optimums zu errechnen und eine Maschine danach zu programmieren. Über die angesprochenen Feedbackschleifen würde dann deutlich, ob das Optimum erreicht wurde oder ob an verschiedenen Parametern Änderungen vorgenommen werden müssen. Hierbei ist in jedem Falle klar, wie viel Information die Maschine speichern oder verarbeiten kann, woraus sich ein Soll-Wert ergibt, der in diesen Kontexten als normative Steuergröße festgelegt wird. Das Erreichen des Soll-Wertes bzw. die maximale Annäherung an diesen bestätigt die Parameter und macht diese zu gesetzten Größen für den nächsten Vorgang, der dann optimaler Weise genauso wie der letzte verlaufen muss. Hieraus wird deutlich, dass es sich offenbar um einen harten Steuerungsvorgang handelt. Das Ziel ist, ein System zu schaffen, welches im Endprodukt völlig autonom, d.h. ohne Fremdsteuerung, den gesetzten Soll-Wert immer und immer wieder erreicht. Es gibt durchaus Anwendungsgebiete, die diesem Schluss nicht abgeneigt wären und diesen als theoretische Grundlage proklamieren. Diese Art einer normativen Kybernetik ist wohl als Ausgangspunkt für einen gesellschaftswissenschaftlichen Kontext eher als problematisch einzustufen. Sicher sind Vorgänge dieser Art in der Gesellschaft zu beobachten. Genannt sei an dieser Stelle eine Unterrichtssituation, in der der Lehrer ständig versucht, ein Optimum an Lernergebnis zu erzielen. Jedoch wird es sich als sehr problematisch erweisen, dem Lehrer einen Soll-Wert an die Hand zu geben, nach dem er einen bestimmten Informationsgehalt in einer bestimmten Zeit zu vermitteln hat. Vielmehr scheint die Kybernetik hier in deskriptiver Form mehr Sinn zu machen. Sicher hat sie unter den Aspekten einer normativen Steuerung ebenfalls ihre Berechtigung und natürlich kann diese auch als Ursprung aller weiteren Formen anerkannt werden, aber in der Anwendung im sozialwissenschaftlichen Bereich ist entschieden davon abzuraten, eine oder mehrere normative Größen anzuführen. Was meint also deskriptiv in diesem Zusammenhang? - ‘[Die Kybernetik ist die] Wissenschaft von den möglichen Verhaltensweisen möglicher Strukturen, die in zeitabhängige Prozesse eingebettet sind.’ Es geht hier also vielmehr um die Frage nach den Möglichkeiten. Was kann in bestimmten Situationen erwartet werden? Diese Erwartung bezieht sich aber nicht auf errechenbare Werte, sondern auf Verhaltensweisen und die Reaktion. Das Sender-Empfänger-Prinzip lässt sich hier wieder entdecken. Natürlich ist der Lehrer in seiner Stellung kybernetisch-strukturell gesehen der Lotse und der Lehrplan ein Soll-Wert, dennoch sind hierbei keinerlei normative Größen gesetzt. Die Erklärung dafür liegt in dem Begriff der Möglichkeit. Bei Schülern handelt es sich um nicht-triviale Maschinen, deren Output durchaus stark von der Erwartung abweichen kann, somit ist der Lehrer gezwungen, flexibel reagieren zu können. Würde er sich in einem reinen Steuerprozess befinden, wäre solch ein Output lediglich falsch und der Lehrer hätte versagt. Begreift er diese Situation jedoch eher als Regelvorgang (auf einer reflexiven Ebene) wird er mit einem entsprechenden Feedback spontan reagieren und die Situation zu Gunsten eines Teilerfolgs lenken können. Der Vorschlag ist also, im Folgenden die Kybernetik eher als eine Art deskriptive Reflexionstheorie zu verstehen, die losgelöst von jeglichen normativen Vorgaben ein Denkmuster darstellt, welches Komplexität reduzieren und den Blick für die Strukturierung und Logifizierung von Situationen schärfen kann. In diesem Zuge sei erwähnt, dass es sich somit um eine Fundgrube für eine pädagogische Reflexion handelt, mit welcher Kontexte analysiert und Modelle für mögliche Handlungskonzepte aufgezeigt werden können. Das Ganze lässt sich am Beispiel der Philosophie noch einmal verdeutlichen. Auch hier zeigt sich der Reflexionscharakter. Die Philosophie ist eine Wissenschaft, die eine Sonderstellung einnimmt, da sie anderen Wissenschaften reflektiert. Hier sind Parallelen zu einer Kybernetik, wie sie hier begrifflich im Mittelpunkt steht, zu erkennen. Die Quintessenz aus diesem Abschnitt ist wie folgt zu verstehen. Die Kybernetik ist in den nächsten Punkten wie eine Sonderform der Philosophie zu betrachten. Der Reflexionscharakter und die Möglichkeit, Situation deskriptiv darzustellen, sind Eigenschaften der einen Seite der Medaille und der anderen Seite kommen die erläuterten Dimensionen zu. Insgesamt entsteht das Bild einer Reflexionsdisziplin mit einer klaren funktionalistischen Struktur von Information und Regelung. Im kommenden Teilkapitel steht die kybernetische Pädagogik im Vordergrund. Hier werden die beschriebenen Aspekte stärker vor den Hintergrund der Pädagogik gestellt und unter der eben erarbeiteten Sichtweise von Kybernetik analysiert.
Martin Weber, M.A., Jahrgang 1986, studierte bis 2012 an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Erziehungswissenschaft, Psychologie und Philosophie. Während seines Studiums arbeitete er als Hilfswissenschaftler und Tutor sowohl am Institut für Erziehungswissenschaft als auch am Institut für Philosophie. Über diese Verbindung und insbesondere über seine Arbeit am Lehrstuhl für Naturphilosophie arbeitete er verstärkt im interdisziplinären Bereich, was ihn dazu bewegte, dieses strukturwissenschaftliche Buch zu veröffentlichen. Des Weiteren sammelte er praktische Erfahrungen als Autor weiterer Fachpublikationen (‚Erziehungsberatung im Kontext des deutschen Rechtsstaates’, ‚Komplexitätsreduktion für begrenzt rationale Individuen - Soziokybernetische Mechanismen’, ‚Die Sprache in der Psychoanalyse’ und ‚Der Fall Signorelli‘), die während seines Studiums entstanden.
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