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- Kohärenzgefühl im Rettungsdienst. Entwicklung während der Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern
Pädagogik & Soziales
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Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 90
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die stetige Zunahme der Einsatzzahlen im Rettungsdienst, immer komplexer werdende Einsatzsituationen und steigende Kompetenzen des Berufsbildes sind Belastungen, mit denen junge NotfallsanitäterInnen nach ihrer Ausbildung konfrontiert sind. Dabei sind sie in einem Alter, in dem Bewältigungsstrategien und Widerstandsressourcen kaum ausgeprägt sind. Burnout und posttraumatische Belastungsstörungen sind eine reelle Gefahr für die Bediensteten im Rettungsdienst. Dieses Werk untersucht, ob die Ausbildung zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter Widerstandressourcen, insbesondere die Ausprägung des Kohärenzgefühls, bei den Auszubildenden positiv beeinflusst. Dies geschieht im Vergleich zu langjährig im Rettungsdienst tätigen Personen. Des Weiteren wird erläutert, welche Faktoren die Ausprägung des Kohärenzgefühls steigern.
Textprobe: Kapitel 4.4, Kohärenzgefühl / Sense of Coherence (SOC): Die Grundlegende Haltung eines Menschen gegenüber der Welt und dem Leben ist für Antonovsky wesentliches Element des SOC. Es handelt sich somit um eine individuelle psychologische Einflussgröße. (Bengel et al., 2001, S.28) Diese Grundhaltung wird von ihm später mit dem deutschen Wort Weltanschauung beschrieben. (Antonovsky, 1993a, S. 972) Sie bezeichnet die individuelle kognitive sowie affektiv-motivationale Grundeinstellung, die Menschen bei vergleichbaren äußeren Lebenseinflüssen in die Lage versetzt, vorhandene Ressourcen einzusetzen, um Gesundheit und Wohlbefindens zu erhalten. Die Stärke des Kohärenzgefühls geht, seiner Meinung nach, einher mit einer besseren Gesundheit, mindestens mit einer besseren Gesundung. (Bengel et al., 2001, S.28) Der SOC ist somit die wichtigste, zentrale Widerstandsressource des Menschen (Schäberle, 2019, S. 62). Die Grundeinstellung des Menschen wird ständig mit neuen Lebenserfahrungen konfrontiert und durch sie beeinflusst, welche, abhängig von der Ausprägung des Kohärenzgefühls, unterschiedlich wahrgenommen werden. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass die Wahrnehmung der Lebenserfahrungen die Grundeinstellung des Menschen bestätigt und stabilisiert. (Bengel et al., 2001, S.29) Da Faktoren, z.B. die jeweiligen Umstände oder die Rollen, die ein Mensch in der jeweiligen Situation einnehmen muss, nach Antonovsky keinen Einfluss auf die Ausprägung des Kohärenzgefühls haben (ebd, S 29), sagt er: […] Man kann von dem SOC als von einer dispositionalen Orientierung sprechen (Antonovsky, 1997, S. 165). Der ersten, hauptsächlich kognitiven Ausrichtung des SOC, rein auf die Wahrnehmung von Stimuli begrenzten Dimension, folgten ergänzend zwei weitere Dimensionen, deren Ausrichtung emotional und motivational waren. Nachdem Antonovsky zur Überprüfung und Rationalisierung seines Konzeptes 51 Personen interviewt hatte, stellte er fest, dass Personen, die eine starke Ausprägung des SOC aufwiesen, andere Faktoren aufzeigten als Personen mit schwach ausgeprägten SOC. Er ordnete diese Faktoren drei Dimensionen zu. Diese Dimensionen bilden die drei Komponenten des Sense of Coherence: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit (Singer/Brähler, 2007, S. 15). Verstehbarkeit (sense of comprehensibility): Es handelt sich hierbei um ein kognitives Verarbeitungsmuster (Bengel et al., 2001, S.29). Es […] bezieht sich auf das Ausmaß, in welchem man interne und externe Stimuli als kognitiv sinnhaft wahrnimmt, als geordnete, konsistente, strukturierte und klare Information, und nicht als Rauschen – chaotisch, ungeordnet, willkürlich, zufällig und unerklärlich (Antonovsky, 1997, S. 34). Redundanzen können im Chaos des Erlebens erkannt werden und lassen eine Interpretation der Zukunft, eine Vorhersehbarkeit zu. Personen mit hohem Sense of comprehensibility können Erlebnisse einordnen, auch wenn sie nicht erwünscht sind (Singer/Brähler, 2007, S. 16). Handhabbarkeit (sense of manageability): Hierbei handelt es sich um ein kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster (Bengel et al., 2001, S.29). Es ist definiert als […] das Ausmaß, in dem man wahrnimmt, dass man geeignete Ressourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen zu begegnen, die von den Stimuli, mit denen man Konfrontiert wird, ausgehen (Antonovsky, 1997, S. 35). Wer über die Ressource direkt verfügt ist dabei unerheblich, man muss sie nicht selbst beherrschen. Es kann auch ein Beteiligter sein, Ehepartner, Freunde, Gott, ein Arzt oder ähnliches, man muss mit dieser Ressource nur rechnen können (Singer/Brähler, 2007, S. 16). Sinnhaftigkeit (sense of meaningfulness): Für Antonovsky ist diese motivationale Komponente die wichtigste (Bengel et al., 2001, S.30). Es handelt sich um das […] Ausmaß, in dem man das Leben als emotional sinnvoll empfindet: Daß wenigstens einige der vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen es wert sind, daß man Energie in sie investiert, daß man sich für sie einsetzt und sich ihnen verpflichtet, daß sie eher willkommene Herausforderungen sind, als Lasten, die man gerne los wäre (Antonovsky, 1997, S. 36). Wenn in Lebensereignissen Sinnhaftigkeit erkannt wird, stellen sie möglicherweise willkommene Herausforderungen dar, für die es sich lohnt, einzustehen (Schäberle, 2019, S. 62). Wenn dies nicht stattfindet, wird das Leben nur als Last empfunden (Bengel et al., 2001, S.30). Die Trauer über den Verlust eines Angehörigen wird nicht weniger leidvoll empfunden, es ist aber möglich, aus diesen Krisen einen Sinn abzuleiten, der die Motivation zur Bewältigung der Krise stärkt (Singer/Brähler, 2007, S. 17). Eine hohe Ausprägung des Kohärenzgefühls bedeutet, flexibel auf Lebensumstände reagieren zu können es ist möglich, Ressourcen zur Bewältigung, so genannte Coping-Strategien, zu aktivieren. (Schäberle, 2019, S. 64).
Daniel Wilhelm Kley, Jahrgang 1974, ist am Bodensee geboren und aufgewachsen und arbeitete viele Jahre als Notfallsanitäter im Kreis Konstanz. Ein familiärer Umzug führte ihn in den Raum Stuttgart und er begann seine Tätigkeit als Dozent an einer Berufsfachschule für Rettungsdienst. Zeitgleich qualifizierte er sich durch das Studium Health Care Education/ Gesundheitspädagogik B.A. als Pädagoge in der Aus-, Fort- und Weiterbildung und arbeitet seit dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums 2020 in der erweiterten Schulleitung des Lehrinstituts für Notfallmedizin mobile medic. Neben seiner Lehrtätigkeit als Klassenlehrer und Dozent in unterschiedlichen Kurssystemen zeichnet er für das Ressort E-Learning verantwortlich. Seine langjährigen Erfahrungen und Beobachtungen im Rettungsdienst und der Berufsausbildung junger Erwachsener gaben den Ausschlag für die vorliegende Untersuchung.
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