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Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Mord an der Berlinerin Hatun Sürücü durch ihren Bruder erschütterte ganz Deutschland. Anhand der Berichterstattung über die Verhandlung vor dem Berliner Landgericht analysiert diese Studie die Hintergründe und Strukturen der Tat, die exemplarisch für viele sogenannte Ehrenmorde steht. Carolin Wildt erklärt in vorliegendem Buch das Konzept des Ehrenmordes , welche Rolle die Ehre darin spielt und wie das deutsche und das türkische Recht dieses Merkmal berücksichtigen. Sie erläutert, warum patriarchale Familienstrukturen, ein problematisches Ehrverständnis und Integrationsschwierigkeiten mögliche Gründe für einen Ehrenmord darstellen und wie Änderungen in Politik und Sozialarbeit die Zahl der Morde verringern könnten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3., Die Verbreitung von Ehrenmorden: 3.1, Die weltweite Verbreitung von Ehrenmorden: Laut BKA (vgl. BKA 2006, 4) ereignen sich Ehrenmorde vor allem in traditionellen patriarchalischen Gesellschaften auf dem Lande. Das Vorkommen beschränkt sich nicht nur auf islamische Länder. Ehrenmorde sind auch unter Christinnen und Christen, etwa im Libanon, Syrien und Europa verbreitet. In Deutschland gibt es Ehrenmorde vor allem in Migrantenfamilien in Großstädten und Ballungszentren mit hohem muslimischen Einwohneranteil (BKA 2006, 4). Laut UN- Weltbevölkerungsbericht [UNFPA] aus dem Jahr 2000 (vgl. Böhmecke 2004, 10) werden jährlich 5000 Mädchen und Frauen weltweit Opfer von Ehrenmorden. TERRE DES FEMMES 8 (vgl. TERRE DE FEMMES (Hrsg.) 2005, 10 f.) benennt einzelne Länder, in denen Ehrenmorde vorkommen. Demnach werden laut UN- Weltbevölkerungsbericht aus dem Jahr 2000 Ehrenmorde in folgenden Ländern begangen: Spanien, Deutschland, Frankreich, Serbien und Montenegro, Schweiz, Österreich, Albanien, Griechenland, Libanon, Syrien, Irak, Saudi- Arabien, Jemen, Iran, Afghanistan und Pakistan. Hinzu kommen folgende Länder, in denen nach Zeitungsrecherchen der Organisation auch Ehrenmorde begangen werden: Brasilien, Ecuador, Uganda, Marokko, Ägypten, Großbritannien, Schweden, Italien, Türkei, Israel, Indien und Jordanien. 3.2, Die Situation in Deutschland: Für Deutschland existierten bis Anfang 2006 keine gesicherten Angaben zur Zahl von Ehrenmorden. Die Kriseneinrichtung PAPATYA verzeichnete in ihrer Materialsammlung: Verbrechen im Namen der Ehre in Deutschland im Zeitraum von 1996 bis 2005 in Deutschland (vgl. Papatya, 2005, 5 f.) 53 Ehrenmorde. Bei Opfern und Tätern handelte es sich zu 77% um Personen türkischer Herkunft (vgl. TERRE DE FEMMES 2005, 22). Am 19. Mai 2006 gab das Bundeskriminalamt eine Presseinformation zu den Ergebnissen einer Bund- Länderabfrage zum Phänomenbereich ‘Ehrenmorde in Deutschland’ heraus (vgl. BKA 2006, 9 ff.). 3.3, Bund- Länderabfrage des Bundeskriminalamtes: Demnach gab es in den Jahren 1996 bis 2004 55 Fälle von versuchten und tatsächlich erfolgten Ehrenmorden. Da es in einigen der Fälle mehrere Opfer zu verzeichnen gab, handelte es sich im genannten Zeitraum um 48 vollendete und 22 versuchte Tötungsdelikte. Die Erhebung soll im Folgenden dargestellt werden. 3.3.2, Opfer: Insgesamt waren demnach 70 Opfer zu verzeichnen, dabei waren 48 weiblichen [=68,6%] und 22 männlichen [=31,42%] Geschlechts. Frauen sind also, wie schon vermutet, von Ehrenmorden tatsächlich deutlich stärker betroffen. Zu 78,6% handelte es sich um erwachsene Opfer [21 Jahre und älter], zu 10% um heranwachsende Opfer [18 bis unter 21 Jahre], zu 7,1% um Jugendliche [14 bis unter 18 Jahre], 2,9% waren Kinder [6 bis unter 14 Jahren] und 1,4% Ungeborene. Die meisten Opfer von Ehrenmorden waren Türkinnen und Türken mit 51,4%, Deutsche mit 25,7% und zu 8,6% waren die Opfer serbischer, montenegrinischer bzw. ehemals jugoslawischer Nationalität. 3.3.3, Tatverdächtige: Entgegen der von den Medien oft vertretenen These, der Täter sei meist der jüngste, minderjährige Sohn, weil bei ihm die Möglichkeit bestünde, dass das mildere Jugendstrafrecht Anwendung fände, bestätigen dies die Zahlen des BKA keinesfalls (vgl. BKA 2006, 13 f.). So handelte es sich bei 81,4% der Tatverdächtigen um Erwachsene, 11,4% waren Heranwachsende, 5,7% Jugendliche und nur bei 1,4% der Tatverdächtigen handelte es sich um Kinder. Dabei waren 94,3% männliche Täter und 5,7% weibliche Täterinnen. Dies bestätigt die Annahme einer besonders hohen Tatbeteiligung von Männern. Die Gründe lassen sich durch die männliche Aufgabe in Bezug auf Erhaltung der Ehre in der Familie leicht erklären, dazu mehr in den folgenden Kapiteln. Die Tatverdächtigen sind zu 71,4% türkischer Nationalität. Der große Anteil von Tatverdächtigen türkischer Staatsangehörigkeit ergibt sich unter anderem auch aus dem überdurchschnittlich großen Anteil türkischer Einwohner und Einwohnerinnen in Deutschland. Von den insgesamt 7,3 Millionen Ausländern in Deutschland, besitzen 1,8 Millionen die türkische Staatsangehörigkeit. 4.,Rechtliche Situation in Deutschland und in der Türkei: In Deutschland ist eine adäquate Bewertung von Ehrenmorddelikten kaum möglich, da dem Umstand, dass es sich meist um eine kollektiv geplante Tat handelt, nicht Rechnung getragen werden kann. Oftmals erfolgt nur die Verurteilung einer Person die Personen die mitgeplant oder mitbeschlossen haben, bleiben unbehelligt. Hilfreich dabei ist, dass die Täter oft Rückendeckung von der Familie erwarten können. So erschwerte nicht nur die Tatsache, dass keine Mordwaffe, DNA- Spuren oder Fingerabdrücke vorhanden waren die Tatrekonstruktion im Sürücü- Prozess. Hinzu kam die Verweigerung der Aussage durch fast alle Familienmitglieder. Andererseits würde ein Sippenhaftrecht nicht den rechtsstaatlichen Ansprüchen einer Demokratie gerecht werden können und stellt damit keine echte Alternative dar. In der Vergangenheit war oft auch die Frage strittig, ob ein Ehrenmord, der schließlich keinen eigenen Straftatbestand erfüllt, als Mord oder Totschlag zu werten sei. Dabei erfolgte ab dem Jahr 2000 eine Wandlung in der deutschen Rechtssprechung, die hier skizziert werden soll. Zunächst soll an dieser Stelle geklärt werden, welche Kriterien zur Bewertung, ob es sich bei einer Handlung mit Todesfolge um einen Mord handelt, zu prüfen sind. Gemäß Strafgesetzbuch ist Mörder bzw. Mörderin, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet . Unsicherheiten entstanden bisher immer bei der Beurteilung, ob ein Täter aus niedrigen Beweggründen handelte. Beweggründe sind dann als niedrig anzusehen, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichenderem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, wobei eine Gesamtwürdigung aller für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen äußeren und inneren Faktoren zu erfolgen hat (Schulz 2005, 552).

Über den Autor

Carolin Wildt ist Diplomsozialarbeiterin/ -pädagogin und im Integrationsbereich tätig. Sie arbeitet u.a. in der Erwachsenenbildung als Dozentin in Frauenintegrationskursen und als Sozialarbeiterin in einem Berliner Flüchtlingswohnheim. Bereits während des Studiums sammelte sie praktische Erfahrung in der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen, die von Zwangsheirat und/oder Ehrenmord bedroht sind. Der Mord an Hatun Sürücü und die Verhandlungen vor dem Berliner Landgericht veranlassten sie, zu möglichen Ursachen und Lösungsansätzen von Ehrenmorden zu forschen.

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