Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

  • Sie befinden sich:
  • Fachbücher
  • »
  • Pädagogik & Soziales
  • »
  • Jenseits der zwei Geschlechter: Wenn nicht sein kann, was nicht sein darf. Vom Umgang mit Intersexualität

Pädagogik & Soziales


» Bild vergrößern
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Menschen jenseits der zwei Geschlechter können dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht nicht eindeutig zugeordnet werden. Dieses Phänomen der geschlechtlichen Uneindeutigkeit, die Intersexualität, wird weitestgehend tabuisiert, sodass betroffene Menschen meist am Rande der Gesellschaft leben. Mit dem Phänomen hat sich bislang vorwiegend die Medizin auseinandergesetzt. Erst nach bekannt werden der Leidensgeschichten der Betroffenen durch medizinische Eingriffe wurde deutlich, wie wichtig die psychologische Betreuung von intersexuellen Menschen ist. Den meisten Menschen erscheint unser Zweigeschlechtersystem (Mann/Frau) als natürlich. Im Alltag kommt diese Zweiteilung der Geschlechter in fast allen Bereichen zum Vorschein, wie zum Beispiel bei Formularen, Umkleidekabinen oder bei der Namensgebung eines Neugeborenen. Für die meisten werdenden Eltern stellt sich somit die Frage nach dem Geschlecht des Kindes. Doch was geschieht wenn diese Frage nicht beantwortet werden kann? Wie sieht der Umgang mit Intersexualität in einer Gesellschaft aus, in der die Existenz dieses Phänomens weitläufig unbekannt ist? Die Umgangsweise wird in der Studie sowohl historisch als auch gegenwärtig und zukunftsorientiert analysiert.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1, Psychosoziale Auswirkungen: Die Umgangsweise von Gesellschaft und Medizin mit dem Thema Intersexualität zeigt, dass eine Offenheit für die Vielfalt menschlichen Lebens noch nicht gegeben ist, was sich an der Lebensqualität der Betroffenen bemerkbar macht. Es gibt zu den psychischen Folgen von behandelten Intersexuellen immer noch nicht genügend Forschungen, um eindeutig aussagen zu können, welche konkreten Auswirkungen der Umgang mit Intersexualität auf die Betroffenen hat. Michel Reiter spricht davon, dass viele intersexuelle Menschen an Depressionen und Suizidgedanken leiden. Dies bestätigen auch zahlreiche Berichte von Betroffenen. Aufgrund der lang anhaltenden Behandlungsleitlinien nach Money, die für eine frühe Geschlechtszuweißung gesprochen haben, gibt es noch keine Untersuchungen darüber, wie es wäre, wenn man Menschen mit uneindeutigen Genital so aufwachsen lassen würde, wie sie sind. Aristoteles hat einmal gesagt, dass nicht der Körper die Wirklichkeit der Seele sei, sondern die Seele sei die Wirklichkeit des Körpers. Hätte Money diesen Satz in seine Behandlungsrichtlinien miteinbezogen, wäre es wahrscheinlich nicht zu den Folgen gekommen, die im folgenden Teil beschrieben werden. 4.1, Trauma: Die Aufmerksamkeit richtete sich bei intersexuellen Menschen stets auf den Körper, besonders natürlich auf deren Geschlechtsorgane. Ihrer Seele hingegen schenkte man keinerlei Beachtung. Kinder, die in einer solchen Umwelt aufwachsen, tragen ein erhöhtes Potential in sich, posttraumatische Belastungsstörungen zu entwickeln. Es sind die Operationen in der frühen Kindheit, das auferlegte Schweigegebot und die fehlende Unterstützung der überforderten Eltern, die zu traumatischen Erfahrungen führen. Ein traumatisches Ereignis geschieht durch das Eindringen von Reizen in den psychischen Apparat, wodurch eine Reihe von innerpsychischen Vorgängen ausgelöst wird (traumatischer Prozess), die die Kapazität des Ichs überfordern. Es entsteht ein Zustand des Gefühls der psychischen Hilflosigkeit, ein Gefühl des Fehlens der Kontrolle und eine Verletzbarkeit für weitere Reize . Die Gefühle von Hilflosigkeit, Kontrollverlust und Angst können durch Katastrophen wie Überschwemmungen oder Erdbeben, Zugunglücke, Flugzeugabstürze und schwere Erkrankungen ausgelöst werden. Dazu zählen auch Erfahrungen von jeglicher Gewalt (sexueller, seelischer, körperlicher), welche die sonst gewohnten täglichen Abläufe verändern oder stören, und zu stärkeren seelischeren Belastungen mit Auswirkungen auf das Zusammenleben bei Kindern und Jugendlichen führen. Eine posttraumatische Belastungsstörung lässt sich nach einem bis drei Monaten erkennen. Die Vulnerabilität für Traumatisierungen hängt eng mit dem Entwicklungsstand der Betroffenen zusammen. Lange bevor das Kind die Fähigkeit besitzt die Ereignisse zu benennen, setzt das Gedächtnis ein. Erlebnisse von Körpersensationen (Genitaloperationen) werden in ein körperliches Gedächtnis gespeichert und erinnert. Je jünger das Opfer, desto überraschender der Angriff und je auswegloser die Situation, desto höher ist das Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Verarbeitung einer Katastrophe lässt sich besser bewältigen, wenn es auch andere betrifft und darüber offen gesprochen werden darf, als eine tabuisierte Tat, bei der das Kind allein und hilflos z.B. dem Täter ausgeliefert ist. Die Gefahr einer chronischen Erkrankung ist besonders hoch, wenn das Umfeld über die Tat schweigt oder dem Kind keinen Glauben schenkt. Die Behandlungsrichtlinien von Money besagen, dass die Beibehaltung eines uneindeutigem Genitals zu unausweichlichen psychischen Traumatisierungen führen würde. Zudem sei eine ungestörte psychosexuelle Entwicklung nur dann gewährleistet, wenn das Genital des intersexuellen Körpers vereindeutigt und normalisiert würde. Die meisten intersexuellen Kinder wurden aufgrund dieser Richtlinien bis vor kurzem in den ersten Lebensjahren etlichen Operationen an ihren Genitalien ausgesetzt, damit sie in die gesellschaftliche Norm passten. Nur weil ihre äußeren Geschlechtsorgane nicht so aussahen wie die der anderen Kinder, wurden sie operiert, obwohl die meisten von ihnen gesund waren. Obendrein wurden die Eltern über das Vorgehen nur teilweise informiert und die Kinder meist gar nicht. Meist ziehen die Genitaloperationen mehrfache Vor- und Nachuntersuchungen mit sich. Der dahinter stehende traumatische Aspekt der Zurschaustellung wurde bislang unterschätzt. Ich bin das Kind auf Seite 578, das nackt, mit einem schwarzen Balken vor den Augen, neben einer Messlatte steht , berichtet der Romanheld in dem Buch Middlesex. Die häufigen Untersuchungen im Genitalbereich oder die Fotografie der Genitalien und des nackten Körpers ließen bei den Betroffenen ein Gefühl des Ausgeliefertseins entstehen. Geheimhaltung, Verunsicherungen und diese Macht - 20 Studenten stehen herum und gucken auf mein Genital, das ganze Setting fand ich schlimmer als die OP selbst. Dadurch erlebten sie wiederholt Situationen von überwältigender, unerklärlicher Gewalt und Ohnmacht. All diese negativen Erfahrungen hatten mit ihrem intimsten Bereich zu tun. Dieser Gefühlszustand wird auch mit sexuellem Kindesmissbrauch und Vergewaltigung gleichgesetzt. Sexueller Missbrauch ist unter anderem gekennzeichnet durch das Machtgefälle zwischen Opfer und Täter, das Einsetzten von Druck und Gewalt und der Zwang der Geheimhaltung.

Über den Autor

Verena Averkamp, Dipl. Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin, wurde 1985 im Ruhrgebiet geboren. Im Jahr 2008 schloss Sie das Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Münster ab.

weitere Bücher zum Thema

Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe

Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft

ISBN: 978-3-96146-968-0
EUR 49,50


Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.