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- Interkulturelle Konflikte in der Schule. Methoden und Handlungsempfehlungen für Konfliktsituationen im Klassenzimmer
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Aufgrund der hohen Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund kommt es in Schulen häufig zu Multikulturalität und Kulturdifferenz – was keineswegs als Problem oder Konfliktgegenstand betrachtet werden sollte. Vielmehr stellt kulturelle Vielfalt einen Gewinn dar, der auf gegenseitigem Respekt und Toleranz beruht. Um einer erfolgreichen Bildungsaufgabe nachgehen zu können, ist es nötig, sich mit den wirklichen Ursachen und Hintergründen von interkulturellen Konflikten im Klassenraum auseinanderzusetzen, anstatt nur eine Kulturdifferenz vorzuschieben. Dem Leser soll in diesem Buch sein interkulturelles Kulturbewusstsein durch Wissen eröffnet werden, was durch die Betrachtung der Konfliktursachen auf sozialpsychologischer, ethnopsychologischer sowie soziokultureller Ebene ermöglicht wird. Es werden außerdem Konfliktanlässe im Klassenzimmer dargestellt und Handlungsoptionen und Lösungsvorschläge für Lehrer gegeben. Die Methoden, die dabei eröffnet werden, sollen es ermöglichen, in interkulturellen Konfliktsituationen professionell sowie rechtlich angemessen zu reagieren.
Textprobe: Kapitel 2.1.2 Bedrohung durch den Fremden: Die Ordnungssicherheit der Einheimischen in ihrem eigenen Land bildet einen weiteren Aspekt der Tücke der Fremdheit. Diese zeichnet sich wieder zum Nachteil des Anderen bzw. des Fremdlings ab, mit dem Ziel, dass sich Einheimische in der Sicherheit wähnen, keine Angst, Irritation oder Verführung erleben zu müssen. Anders ausgedrückt: Sie wollen in ihrer sozialen und kulturellen Identität weiterhin gestärkt bleiben und diese aufrecht erhalten. Als Methode dafür wählen Einheimische, wie auch von Erdheim (1992) und Zimmer (1979) bereits angeführt, die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdgruppe. Dazu wird u.a. die Kultur, die Rasse bzw. die Nation als Differenzierungs- und Maßinstanz gewählt. Viele Autoren sind sich über die Ziele der Differenzierung einig: Die Abgrenzung und Kulturdifferenz soll die allgemein und als selbstverständlich erachteten gesellschaftlichen, moralischen, kulturellen und politischen Richtlinien aufrecht erhalten (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 9 Nieke 2000, 40 ff.). So ist es beispielsweise nicht die Rasse an sich, die zu einer Grenze zwischen (…) [Eigen- und Fremdgruppe] führt, sondern die Wahrnehmung und Bewertung von körperlichen Merkmalen, die in Deutungsmustern von Rasse gebündelt die Menschen dazu führen können, andere als fremdrassig zu klassifizieren und daraus eine Distanzierung oder Ablehnung zu begründen (Nieke 2000, 40 ff.). Denn es herrscht der Irrglaube, dass der Fremde die kulturelle und gemeinschaftliche Identität, sowie die Reinheit der Sprache oder ihren Glauben bedroht. Die Einheimischen vermuten auch, dass sich die Struktur der Gruppe oder einige ihrer Organisationen möglicherweise destabilisiert werden könnten (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 9). Der Umgang mit diesen Gefühlen und dem daraus erwachsenden Meinungsbild stellt die Fremdenfeindlichkeit dar. Diese wiederum wird rein durch Deutungs- und Orientierungsmuster gesteuert, welche die Handlungen anleiten und damit überhaupt erst möglich machen (vgl. Nieke 2000, 40). Die Rechtfertigungen dieser Abgrenzung und des Ausstoßes sogar bis hin zur Diskriminierung fundieren häufig auf einer vorurteilsbehafteten Wahrnehmung und Bewertung der Andersartigkeit der Fremdgruppe, welche in nachfolgenden Abhandlungen intensiver betrachtet werden. Anders gedacht ist die Ursache für Diskriminierung und vorurteilsbehaftetes Verhalten ein Indiz dafür, dass das fremdelnde Individuum einen Mangel an gesellschaftlicher oder sozialer Identität signalisiert. Es unternimmt den Versuch, mit Hilfe einer undemokratischen Ausgrenzung und Abwertung von anderen, sein Selbstbild und seine Identität im Positiven zu halten. Die Identitätsunsicherheit würde hier aus der Konkurrenz um knappe Ressourcen, aus Gefühlen von Prioritätsverletzungen und Zugehörigkeitsverletzungen, aus der Folge von Ungeschütztsein, von einem Verlust an Erreichtem und aus der Angst vor mangelnder Integration in die eigene Gesellschaft heraus entstehen (vgl. Brandl 2005, 17). Im Besonderen werden die fremden Eindringlinge in dieser prekären Situation als Sündenböcke angesehen, die allein die zu verantwortende Schuld an der gesellschaftlichen Misere der Eigengruppe bzw. der defizitären Identität tragen sollen (vgl. Brandl 2005, 16). Vor dem Hintergrund erlebter oder erdachter Gefühle von Minderwertigkeit, Desintegration, Unsicherheit, Ohnmacht und des Ausgeliefertseins erwacht das Zugehörigkeitsgefühl zur Nation und zur Eigengruppe erneut und sogar stärker und führt zu feindseliger Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Migranten (vgl. Brandl 2005, 17). 2.1.3 Der Fremde ist sich selbst noch fremd: Die Frage, wie die Fremden mit dieser Tücke umgehen, soll anschließend mit Hilfe der Untersuchungen von Grinberg und Grinberg (1990) beantwortet werden. Um die ganze Bandbreite von Interkulturalität verstehen zu können, ist es wichtig zu wissen, dass Menschen, die migrieren, meist aus wirtschaftlichen Engpässen oder politischen Misslagen heraus ihr Heimatland verlassen. Sie verlassen unfreiwillig oder gezwungenermaßen die Orte, an denen sie aufgewachsen und mit denen sie emotional verwurzelt sind und die Orte, in denen sie sich heimisch fühlen und die immer ihre Heimat bleiben werden. Die Migration kann als Bruch und tiefgreifender biographischer Einschnitt erlebt werden (vgl. Beck-Gernsheim 2004, 23). Sie erhoffen sich im neuen Land bessere und existenzsichernde Zukunftschancen für sich, ihre Familie und ihre Kinder. Die Migration ist oft der einzige Weg aus Krisen, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Trennung von ihren Liebsten und von ihren Kindern stellt ein übermannendes Gefühl von Verlust, Sehnsucht, Entwurzelungsgefühlen und ohnmächtiger Trauer dar. Mit diesem Koffer voll von Gefühlen, gefüllt mit der eigenen Lebensgeschichte, ihren Wünschen und Hoffnungen sowie Schuldgefühlen den Zurückgelassenen gegenüber, kommen die Migranten im neuen und noch fremden Land an. Manchmal wird der Schmerz überdeckt von momentanen Beschäftigungen, von bürokratischen oder zufälligen Sorgen, von der Aufregung oder den Illusionen hinsichtlich des Umzugs manchmal werden sie jedoch akut erlebt (Grinberg/Grinberg 1990, 6). Es kann auch dazu kommen, dass die Migranten mit ihrem ehemaligen Leben und ihrer Verwandtschaft endgültig brechen und sich innerlich von ihnen verabschieden, ähnlich wie nach einem Verlust durch den Tod. Dieser radikale Bruch ist eine Vereinfachung der eigenen Gefühlswelt und entlastet für einen gewissen Zeitraum. Er rührt aus der Verwirrung der Gefühle, obwohl es nicht der Realität entspricht (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 9). Auch traumatische Empfindungen können durch die Verlusterfahrung im Migrationsprozess zum Ausdruck kommen: nach innen oder auch nach außen gerichtet, durch ein einmaliges Erlebnis oder durch mehrere erlebte partielle Krisensituationen. Dies ist jedoch abhängig von der Prädisposition, Konstitution und Geschichte des Migranten. Dieser Gefühlsballast kann den Migranten unter anderem in einen Gefühlsstatuts der Desorganisation versetzen, der eine nachträgliche mühevolle und kraftanstrengende Reorganisation verlangt, jedoch nicht immer gelingt und sich dann in psychische oder physische Störungen wandelt (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 2 ff./9). Erst die Überwindung und die Verarbeitung der Trauer und des Verlustes, so Grinberg/Grinberg weiter, ermöglicht eine Reorganisation des Selbst, einen wahrhaften Wachstum, eine Weiterentwicklung des kreativen Potentials und ist zudem eine bereichernde Entwicklung der Persönlichkeit (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 9). Diese Überwindung gelingt jedoch nur, wenn der Migrant über ausreichende Verarbeitungsmöglichkeiten verfügt, wie z.B. berufliche Tüchtigkeit und Zufriedenheit oder eine feste Partnerschaft (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 3). Und jetzt trifft der migrierte Neuankömmling, der Fremde, der sich vielleicht wegen seiner Gefühlsüberschwemmung selbst noch fremd ist, auf den Einheimischen, der in ihm einen bedrohlichen Feind und Eindringling in die geordneten Strukturen seiner Gesellschaft sieht. Der Migrant fühlt sich, so Grinberg/Grinberg, der Welt, die er verlassen hat nicht mehr zugehörig und er gehört noch nicht in die Welt, in der er räumlich angekommen ist. Er kann sich nicht mehr auf die kulturelle und soziale Heimatstruktur berufen, muss sich neu einfinden und auch die eigene Identität in der neuen Umwelt verorten. Um die Identität neu aufzustellen und ebenso zu erhalten, muss der Migrant ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln können (vgl. Grinberg/Grinberg 1990, 3). Insgeheim jedoch wollen auch Migranten an ihren familiären und gesellschaftlichen Strukturen, Traditionen und Werten, da sie ihnen eigen sind, festhalten. Entweder gelingt es den Migranten, wie bereits beschrieben, diese Veränderung zu reorganisieren und in die eigene Identität zu integrieren, oder die Umweltveränderung erschüttern die Wahrnehmung der äußeren Welt und gleichzeitig auch die innere Identität des Selbst (Grinberg/Grinberg 1990, 6). Im zweiten Fall, so erklären Grinberg/Grinberg, könnte eine Angstentwicklung die Folge sein. Eine Angst vor dem weiteren Verlust an Strukturen. Es resultiert daraus ein starkes Unsicherheitsgefühl. Der betroffene Migrant wird vermeiden, sich in die Welt neuer Realitäten hineinzubegeben, da es für ihn weiter bedeutet, sich auf unbekannte und auf unvorhersehbare Ereignisse einzulassen. Das wiederum steigert die Isolation und das Erleben der Einsamkeit und schwächt grundlegend das Zugehörigkeitsgefühl zu einer etablierten sozialen Gruppe (Grinberg/Grinberg 1990, 6). Die Fremde und das Exil können also auch dazu führen, dass sich das Innere des Migranten der verlorenen Heimat verstärkt zuwendet. Das bedeutet weiter, dass fernab der Heimat eine Re-Traditionalisierung oder Re-Ethnisierung beginnt, in der sich der Fremde ein imaginäres Heimatland im Kopf, in der Phantasie, in den Träumen [aufbaut], dass mit den tatsächlichen Lebensbedingungen in der Heimat oft nur entfernte Ähnlichkeit aufweist (Beck-Gernsheim 2004, 23). Oftmals wird der Fremde heimatbezogener und verwurzelter, als er es in seiner Heimat früher war. Dies ist kohärent mit einem Rückzug aus der Gesellschaft, da sich der Blick kaum von der Heimat abwendet und nebenher auch Schutz und Zufriedenheit darstellt. Der Rückzug wird jedoch nicht ausschließlich vom Individuum selbst gewählt, meist ist es das Resultat einer ungastlichen, abweisenden, unfreundlichen und diskriminierenden Umwelt (vgl. Beck-Gernsheim 2004, 23)[…].
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