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- Interdependenzen zwischen Emotion, Motivation und Kognition in Selbstregulierten Lernprozessen
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 148
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wissen und Können sind die Produktionsfaktoren der Zukunft. Die Notwendigkeit, dass kompetente berufliche sowie gesellschaftliche Handlungsfähigkeit in einer Wissensgesellschaft gesichert werden, setzt eine ausgeprägte Lernfähigkeit der Menschen voraus. Diese entwickeln die Individuen in ihrer persönlichen Lernbiografie, die sie zum lebenslangen Lernen motivieren und befähigen sollte. In der Unterrichtsgestaltung ist es notwendig, dass Verantwortung für die Entwicklung des selbstregulierten Lernens übernommen wird. Für die gezielte Unterstützung dieser individuellen Kompetenzentwicklung ist es wichtig, dass Lehrende die Interdependenzen der kognitiven, motivationalen und emotionalen Regulations- und Interaktionsmechanismen in selbstregulierten Lernprozessen kennen und diese im Lehr-Lern-Arrangement auch umsetzen können. Die Ausführungen dieses Buches zeigen diese Interdependenzen anhand einer dreidimensionalen Sicht des selbstregulierten Lernens auf. Die Perspektiven der Regulationsebenen, der Prozessphasen und der Komponenten des selbstregulierten Lernens werden miteinander verknüpft und integriert betrachtet. Im Fokus stehen die Konsequenzen und Empfehlungen für ein optimales Lehr-Lern-Prozess-Design, welches die Entwicklung zum lebenslangen Lernen fördert.
Textprobe: Kapitel 4.2, Interaktionen der Komponenten des selbstregulierten Lernens auf Ebene der Informationsverarbeitung aus struktureller und situativer Sicht: Aus der kognitiven psychologischen Forschung wurde die Modellkonstruktion der Informationsverarbeitung für zahlreiche pädagogische und didaktische Konzepte herangezogen (siehe Kapitel 4.1). Sie gilt als eine der erfolgreichsten Modelle, die sich mit der Wahrnehmung, der Gedächtnisbildung, dem Lernen und der Motivation befassen. Ihre Grundkonzeption geht davon aus, dass ein Lehrender Informationen sendet, diese in das informationsverarbeitende System des Lernenden eindringen, dort entschlüsselt, an Vorwissen angebunden, nach bestimmten Denkregeln verarbeitet und ins Langzeitgedächtnis abgelegt werden, um später abrufbar zu sein. Diese Sicht vermittelt, dass das Lernen optimierbar ist, indem der Prozess der Instruktion, Verarbeitung und Abspeicherung entsprechend gestaltet wird. Die Erkenntnisse der Neuro- und Kognitionsforschung zeigen jedoch auf, dass Wissen nicht übertragbar ist, sondern jeweils vom Lernenden neu geschaffen werden muss. Des Weiteren ist der Prozess im hohen Maß von den Rahmenbedingungen sowie zum Teil nicht bewussten und beeinflussbaren Faktoren abhängig. Jedes gesendete Wissen (z. B. sprachlich vermittelt) geht über die Sinnesorgane als Botschaft ins Gehirn ein und wird dort in einer unbewussten Prozedur von der linken (z. B. Aufnahme der syntax- und grammatikabhängigen Wortbedeutungen) wie auch von der rechten (Erfassung der affektiven-emotionalen Sprachanteile) Gehirnhälfte mit dem vorhandenen Wissen abgeglichen. Es werden in diesem Prozess Bedeutungs- und Handlungskontexte zum Wissensinput gebildet. Je bekannter der Kontext ist, desto schneller wird die Bedeutung des neuen Wissens konstruiert. Das neue und unbewusst konstruierte Wissen des Lernenden ist dem des Lehrenden umso ähnlicher, je mehr diese beiden Beteiligten über das gleiche Vorwissen und die gleichen Bedeutungskonstruktionen verfügen. Das limbische System als zentrales Bewertungssystem des Gehirns, bewertet jede Situation aus subjektiver Sicht nach ihrer Valenz (gut versus schlecht) und entscheidet, ob diese wiederholt werden sollte. Es ist im Lernprozess der Vermittler von Affekten, Gefühlen und Motivationen und stellt den eigentlichen Controller des Lernerfolgs dar. Bedeutsam ist, dass Emotionen, die den Lernprozess begleiten, sich im emotionalen Erfahrungsgedächtnis niederschlagen. Diese Erlebnisse führen in weiteren Lernprozessen über die Steuerung des limbischen Systems, indem aus dem Hippocampus das deklarative Gedächtnis abgerufen wird dazu, dass weitere Informationsaufnahmen und –verarbeitungen stattfinden oder aufgrund schlechter emotionaler Erfahrungen erst gar nicht zugelassen werden. Dieser Prozess wird über das Zusammenspiel emotionaler, kognitiver und motivationaler sowie stabiler und situativer Lernfaktoren wie folgt gesteuert: In den ersten Sekunden der Begegnung zwischen Lehrenden und Lernenden findet immer ein Abgleich der Glaubhaftigkeit und der Motiviertheit statt. Entsteht beim Lernenden die Erkenntnis, dass der Lehrende selbst unmotiviert ist oder seinen Lehrstoff nicht beherrscht bzw. sich mit ihm nicht identifiziert, dann wird die Wahrnehmung abgeschaltet. Die Lernfähigkeit, als Resultat der Interaktionen der Lernfaktoren, ist abhängig von stabilen Gehirnsystemausbildungen. Die Gedächtnisstruktur ist hochgradig modular aufgebaut. D. h., das Gedächtnis lässt sich in Einzelteile (Schubladen, Verzeichnisse) strukturieren. Diese Module sind genetisch individuell in ihrer Leistungsfähigkeit determiniert und variieren interpersonell entsprechend. Desweiteren nehmen vorgeburtliche und frühkindliche Erfahrungen Einfluss auf die Entwicklung des Gehirnsystems. Das Gehirnsystem steuert das Lernverhalten über neuromodulare Botenstoffe, wie z. B. ‘Dopamin (anregend, antreibend), Serotonin (dämpfend) und Acetylcholin (aufmerksamkeitssteuernd)’. Aktuelle Lernsituationen, die positive Anstrengungsempfindungen beim Lernenden erzeugen, initiieren in dessen Gehirn, über die emotionalen Faktoren des Informationsverarbeitungsprozesses, die Produktion dieser Botenstoffe (wie z. B. Noradrenalin sowie Acetylcholin) und auf diese Weise die Lernbereitschaft bzw. die kognitive Verarbeitung der Informationen und das hierfür notwendige motivationale Verhalten. Angst vor dem Versagen oder Bedrohungsgefühle verhindern hingegen die Produktion der für den erfolgreichen Lernprozess notwendigen Botenstoffe. Ebenso wirken stabile Persönlichkeitsmerkmale, wie z. B. das Interesse, auf das Botenstoffsystem im Gehirn. Es erhöht die Leistung des noradrenergen Systems (Erhöhung der allgemeinen Aufmerksamkeit), des dopaminergen Systems (Erhöhung der Neugier und der Belohnungserwartung) sowie des cholinergen Systems (Erhöhung der gezielten Aufmerksamkeit und der Konzentration). Diese Botenstoffe sind wichtig für die Bereitschaft des Hippocampus und der Großhirnrinde, zu lernen bzw. neuen Wissensstoff aufzunehmen und im Langzeitgedächtnis zu verankern. Empirisch wurde belegt, dass die Gedächtnisleistung positiv mit dem positiv empfundenen emotionalen Zustand des Lernenden korreliert. An dieser Stelle soll noch einmal die Frage nach der genetisch determinierten Leistungsfähigkeit des Gehirns betrachtet werden. Roth geht in seinen Ausführungen von dieser gewissen Determiniertheit aus und Spitzer betrachtet diese als sekundär bzw. für die Entwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit als nicht maßgeblich. Die Forschung konnte aufdecken, dass die neuronale Entwicklung etwa im Alter von zwei Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat und das Maximum der Neuronen sowie deren synaptische Verbindungen ausgebildet wurden. Dieses bestätigt, dass die ‘neuronale Entwicklung […] bis zum zweiten Lebensjahr mehr zur kognitiven Entwicklung bei [trägt] als nach dem zweiten Lebensjahr’. In den ersten Lebensjahren liegt eine Neuronen- und Synapsenüberproduktion im Vergleich mit der späteren erforderlichen Menge für die Informationsverarbeitung vor. D. h., wenn einige Neuronen oder Synapsen nicht gebraucht werden, dann sterben diese wieder ab. Das Gehirn wächst ab dem zweiten Lebensjahr hauptsächlich über die Zellvermehrung, wobei es in diesem Alter bereits 80 Prozent seines späteren Gewichtes erreicht hat. Dieses lässt die Annahme zu, dass es für die kognitive Entwicklung ab dem zweiten Lebensjahr wichtig ist, neues Wissen aufzunehmen, da die physische Kapazität sich nur noch relativ gering entwickelt.
Corinna Weber, Jahrgang 1963, studierte an der TU-Berlin Betriebswirtschaft. Sie war anschließend 15 Jahre als SAP-Projektmanagerin und -beraterin tätig. Die Begleitung ihrer Kinder im deutschen Schulsystem sowie eigene umfangreiche Erfahrungen als Dozentin eröffneten ihr weitreichende Einblicke in die Lehr-Lern-Prozesse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Das daraus resultierende Interesse an den Einflussfaktoren der Lernprozesse veranlasste sie zu einem Ergänzungsstudium im Fach Wirtschaftspädagogik. Zurzeit ist sie an einer berufsbildenden Schule als Lehrkraft tätig. Die Erkenntnis der Notwendigkeit, dass Individuen die Befähigung zum lebenslangen Lernen nur durch die Fähigkeit des selbstregulierten Lernens erwerben, motivierte sie, die Regulations- und Interaktionsmechanismen im selbstregulierten Lernprozess näher zu analysieren.
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