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- Inklusion an Gymnasien in NRW: Bildungspolitische Zielsetzungen, pädagogische Ansätze und praktische Erfahrungen
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dass Gesellschaften geprägt sind von Heterogenität, ist eine Tatsache, die seit Menschenbeginn an existent ist. Neben vielen Merkmalen, wie z.B. das Geschlecht, das Alter oder der kulturelle Hintergrund, ist auch jenes eines bestimmten Handicaps ein Charakteristikum, das die Heterogenität einer Gesellschaft mitbestimmt. Es gibt Menschen, die sich durch eine körperliche oder auch geistige Beeinträchtigung von anderen unterscheiden, was durch ein bislang recht separierendes Schulsystem auch schon seit knapp drei Jahrhunderten in der Bildungspolitik Deutschlands Berücksichtigung findet. Eine neue Perspektive in Richtung eines Aufbrechens dieser Separation hin zu einem adäquaten und zufriedenstellenden Umgang mit Heterogenität, erreichte die Diskussion auf bildungspolitischer Ebene jedoch erst in den letzten Jahren. Die Meinung, Menschen mit einer geistigen oder physischen Beeinträchtigung, definiert als Menschen bzw. Kinder oder Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, würden jene ohne diesen sonderpädagogischen Förderbedarf behindern, hat sich dahingehend verändert, dass die Heterogenität einer Gesellschaft vermehrt als Chance der gegenseitigen Bereicherung wahrgenommen worden ist. Genau um diese veränderte Sichtweise geht es in der vorliegenden Untersuchung. Unter Berücksichtigung des mehrgliedrigen Schulsystems in Deutschland, innerhalb dessen es sicherlich je nach Schulform noch einmal Unterschiede in der inklusiven Ausgestaltung gibt, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Schulform Gymnasium, exemplifiziert am Land Nordrhein-Westfalen.
Textprobe: Kapitel 5.5 Vernetzung, Koordination und Kooperation: Im Rahmen eines gelingenden Inklusionsprozesses spielt auch die interregionale Vernetzung, Koordination und Kooperation sowie der Einsatz von ‚Inklusionsbotschaftern‘ eine zentrale Rolle. Seit 2011 hat das Land NRW 53 Koordinatorenstellen bei den Schulämtern erschaffen, deren Aufgabe die Vernetzung der Akteure und Kooperationspartner und die gleichzeitige Begleitung dieser als Botschafter und Vermittler im Übergangsmanagement zu einem inklusiven Schulsystem ist. Der Aktionsplan nennt diese Maßnahme ‚Inklusion braucht Botschafter‘ und sieht vor, auch noch weitere Partner als Botschafter aus der Öffentlichkeit zu gewinnen. Es geht darum, mit positiven Beispielen gelungener Inklusion aus unterschiedlichen Schulformen an die Öffentlichkeit zu gehen, Einblicke in Konzepte und Entwicklungsstände dieser Schulen zu geben und somit Mut auszusprechen für den Weg zu einem inklusiven Schulsystem. Für Klemm und Preuss-Lausitz wäre an dieser Stelle auch die Schaffung eines Landes-Inklusions-Preises eine sinnvolle Möglichkeit, neben Schulen u.a. auch inklusive Kitas, Beratungszentren oder ganze Regionen für einen eingeschlagenen Weg einer sozialräumlich inklusiven Entwicklung auszuzeichnen. Im Rahmen regionaler Inklusionspläne sieht es der Aktionsplan vor, dass Kooperationsvereinbarungen angeregt werden, damit auch multiprofessionelles Personal, sächliche Ausstattungen, wie ein Medienpool, und inklusionsunterstützende Dienste, wie Beratungs- und Integrationsfachdienste, eingesetzt werden können. Außerdem sollen die Zivilgesellschaft und die regionalen Bildungsbüros aktiviert und eingebunden werden. Klemm und Preuss-Lausitz haben außerdem in ihrem Gutachten die Empfehlung zur Einrichtung einer regelmäßig tagenden Feedback-Gruppe ausgesprochen. Neben öffentlichen und privaten Schulträgern, Elternvertretern, Selbsthilfegruppen, dem Behindertenbeauftragten des Landes, der Jugendhilfe, den Sozialverbänden, den Lehrergewerkschaften und –verbänden, den Kirchen, inklusionserfahrenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sollen diesen auch SchülervertreterInnen angehören. Durch eine gemeinsame Orientierung soll diese Feedback-Gruppe Herausforderungen und Konflikte thematisieren, die sich im Zuge einer inklusiven Schulentwicklung ergeben, und Handlungsempfehlungen für deren Überwindung aussprechen, damit Probleme frühzeitig erkannt und bestenfalls schon präventiv bearbeitet werden können. Einen weiteren Kooperationsbedarf sehen Klemm und Preuss-Lausitz im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Schnittstelle zwischen dem Vorschulbereich einerseits und dem Berufsbereich andererseits, der für die Autoren zu einem umfassenden Inklusionsgesetz aller Lebensbereiche dazu gehört. Durch die verbindliche Zusammenarbeit zwischen beispielsweise Erziehern und Erzieherinnen inklusiver Kindertagesstätten und Lehrkräften der Schuleingangsstufe in Form von wechselseitigen Hospitationen, kann diese Schnittstelle zu inklusiver vorschulischer Förderung hergestellt werden. Ähnliches gilt für den Übergangsbereich von der Schule zur beruflichen Orientierung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, damit diese Jugendlichen im Sinne eines praktischen Lernens an mögliche Ausbildungs- und Arbeitsfelder herangeführt werden. Hierzu existente Modelle müssen ausgebaut und die berufliche Qualifizierung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollte im Rahmen regionaler Bildungsnetzwerke mitaufgenommen werden. Dieser Aspekt betrifft die Schulform Gymnasium wieder einmal in besonderem Maße. Während das Gymnasium traditionell auf die Fortsetzung des Bildungsweges an einer Hochschule vorbereitet hat, geraten im Zuge der Inklusion an Gymnasien auch ausbildungsvorbereitende Maßnahmen in den Fokus der Inhalte. SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die einen dem Hauptschulabschluss gleichgestellten Abschluss erlangen werden, müssen früh genug auch an die sie erwartende praktische Arbeitswelt herangeführt werden. Wichtig bei dem Ziel, ein landesweites inklusives Bildungssystem zu etablieren, ist die wissenschaftliche Begleitung dieses Prozesses, die den Projekt- und vorgeschlagenen Feedback-Gruppen regelmäßig Zwischenberichte erstattet. Außerdem sollen all jene skizzierten Kooperationen sowohl auf Landes- als auch speziell auf regionaler Ebene ermöglicht werden, denn wenngleich auch regionale Aktionspläne von einer öffentlichen Institution oder einem Verbund von Institutionen verantwortet und umgesetzt werden, [verlangt] seine Akzeptanz und Realisierung […] einen demokratischen, begleitenden Beteiligungsprozess, der die Vertreter der Akteure in der Region einbezieht. Wichtig ist nach Ansicht der Gutachter, dass sowohl das Land als auch die Region im Rahmen eines so genannten regelmäßigen Fachtages Rechenschaft über Erfolge und Probleme des Inklusionsprozesses ablegen. Kapitel 5.6 Auslaufen der Förderschulen: Wie in Kapitel 4 schon skizziert wurde, hat sich die Inklusionsqoute bundesweit von 18,4 % im Jahr 2009 auf 25,0 % im Jahr 2013 zwar erhöht, die Anzahl an SuS, die jedoch eine Förderschule besuchen, ist nicht eindeutig zurückgegangen, was zu einem bereits schon dargestellten Doppelsystem und somit zu einem Ressourcenproblem führt. Schaut man sich die amtlichen Schuldaten des Landes NRW der Schuljahre 2009/2010 bis 2013/2014 an, so wird deutlich, dass die Zahl der Förderschulen von 727 im Schuljahr 2009/2010, also dem Zeitraum der Ratifizierung der UN-Konvention durch Deutschland, auf immer noch 690 im aktuellen Schuljahr 2013/2014 kaum zurückgegangen ist. Wenngleich im Aktionsplan nicht explizit davon die Rede ist, die Förderschulen zukünftig auslaufen zu lassen, wird sich das Ressourcenproblem langfristig gesehen nur darüber lösen lassen können. Klemm und Preuss-Lausitz fordern daher ein schrittweises Auflösen der Förderschulen auf freiwilliger Basis, indem keine Eingangsklassenstufen 1 und 5 mehr an den Förderschulen eingerichtet werden. Die daraus entstehenden überschüssigen Stellen sollen auf die umliegenden Allgemeinen Schulen verteilt werden. Es besteht dadurch die Möglichkeit, die Förderschulen langfristig in Allgemeine Schulen umzuwandeln, die inklusiv arbeiten, sie in ein Beratungs- oder Unterstützungszentrum umzuwandeln, das Gebäude für andere kommunale Zwecke zu nutzen, es als Bürgerbüro für Inklusion zu nutzen oder es zu verkaufen. Alternativ zum schrittweisen Auslaufen, schlagen sie einen Übergangszeitraum von zwei Jahren vor, in dem die Förderschulen notwendige organisatorische Voraussetzungen klären, die zu einer Umwandlung in eine Allgemeine Schule notwendig sind. Besonders die Aufnahme von SuS mit den Förderschwerpunkten LES erfordere auch kaum bauliche oder sonstige Ausgaben für die Kommunen. An der Zielperspektive, die Förderschulen mit den Förderschwerpunkten LES bis zum Jahr 2020 auslaufen zu lassen, solle festgehalten werden. Kapitel 5.7 Bauliche Veränderungen: Allgemeine Schulen, die SuS mit physischen Beeinträchtigungen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, aufnehmen, müssen sich mit Fragen der Barrierefreiheit auseinandersetzen. Dies bedeutet nicht immer, dass sich das Schulgebäude einem kompletten Umbau unterziehen muss, oftmals genügen hier eine Neuorganisation des vorhandenen Raumkonzeptes oder punktuelle bauliche Umbauten von beispielsweise eines Sanitär-Teilbereiches. So kann die Raumnutzung des gemeinsamen Lernens so organisiert sein, dass jene Räume im Erdgeschoss liegen oder zumindest kleine Hürden durch die Errichtung einfacher Hilfsmittel, wie einer Rampe, auch von Kindern überwunden werden können, die auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sind. Besonders für SuS mit den Förderschwerpunkten ‚Hören und Kommunikation‘, ‚Sehen‘ als auch ‚Körperliche und motorische Entwicklung‘ ist häufig die Anschaffung zusätzlicher Sachmittel erforderlich, die sich auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes beziehen. Durch beispielsweise höhenverstellbare Tische, Möglichkeiten der Befestigung von Arbeitsmaterialien auf dem Tisch oder durch Schreibhilfen, muss jeder Arbeitsplatz optimal an den individuellen Schüler oder an die individuelle Schülerin angepasst werden. Aber nicht nur SuS mit körperlichen Beeinträchtigungen, auch SuS mit anderen Förderschwerpunkten bedürfen Veränderungen der Schulbaurichtlinien. Die inklusive Schule muss zu einem kooperativen Lebensraum werden, der Gesundheits- und Ruheräume sowie Räume für die Schulstation, für das Zentrum pädagogischer Unterstützung und für die individuelle Kleingruppenarbeit bietet. Kapitel 5.8 Sonstige Maßnahmen: Klemm und Preuss-Lausitz sprechen in ihrem Gutachten noch zusätzliche weitere erforderliche Maßnahmen aus, die an dieser Stelle noch kurz skizziert werden sollen. Sie fordern beispielsweise regelmäßige Inklusionsberichte, die eine auch der Öffentlichkeit zugängliche Rechenschaftslegung über die inklusive Schulentwicklung des Landes und eine Grundlage für Modifizierungen sowohl im Parlament als auch in den Feedbackgruppen sind. Ebenfalls nicht im Aktionsplan vorgesehen, ist die regionale Errichtung einer zentralen Beratungs- und Unterstützungsstelle (REBUS) für jeden Kreis, die nach Ansicht der Autoren Klemm und Preuss-Lausitz dabei helfen kann, den besonderen Bedarf für Kinder und Jugendliche mit emotionalen und Verhaltensproblemen auszubauen. Hierbei kommen erneut die nach Ansicht der Gutachter auslaufbedürftigen Förderschulen zum Einsatz, deren Räumlichkeiten und auch Personal für das Beratungsangebot genutzt bzw. eingesetzt werden könnten. Getrennte Unterstützungszuständigkeiten durch die Schulen, Jugendhilfen und eventuell Krankenkassen sollen im Rahmen von REBUS zusammengeführt werden, indem das zuständige Personal der bisherigen Dienststellen zusammengeführt wird und Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedarfen an emotionaler und sozialer Entwicklungshilfe in multiprofessionellen Teams unterstützt. Unterstützung sollten Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach Meinung der Gutachter auch in einem regionalen Inklusions-Bildungsbüro erhalten, das es künftig in jedem Kreis bzw. in jeder kreisfreien Stadt geben sollte. Als gemeinsame Verwaltungsanlaufstelle sollen die Eltern hier Integrationshilfen, technische Hilfen oder die Übernahme von Beförderungskosten beantragen können, um sich somit zahlreiche Wege zu verschiedenen einzelnen Institutionen wie Krankenkasse, Jugendamt etc. zu ersparen. Das Inklusions-Bildungsbüro ist somit für die Koordination der verschiedenen Kostenträger verantwortlich. Dem Inklusions-Bildungsbüro angeschlossen werden, sollte eine regionale Beratungs- und Konfliktstelle, die Involvierte, wie z.B. Lehrkräfte, ErzieherInnen, Eltern, und auch andere Interessierte über die regionalen Möglichkeiten inklusiver Erziehung und Bildung berät, Informationsmaterial bereitstellt und bei Konflikten moderierend tätig wird. Die Bereitstellung von Informationsmaterial für Eltern und die breite Öffentlichkeit stellt für Klemm und Preuss-Lausitz eine weitere unabdingbare Notwendigkeit dar, um Vorbehalte gegenüber dem gemeinsamen Lernen zu überwinden, Informationslücken zu schließen und die Handlungskompetenz von Eltern zu steigern. Von daher sollte beispielsweise die Öffentlichkeit mittels regionaler Medien über den aktuellen Stand des Inklusionsprozesses vor Ort informiert werden.
Katharina Kukasch, M.Ed., wurde 1988 in Essen geboren. Nach Absolvierung ihres Abiturs studierte sie die Fächer Germanistik und Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und erlangte im Oktober 2012 den Bachelor of Arts. Im Januar 2015 schloss sie ihr Lehramtsstudium in den beiden Fächern mit dem Master of Education für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen erfolgreich ab. Seit Mai 2015 befindet sie sich im Referendariat an einer Gesamtschule in Oberhausen, im Rahmen dessen setzt sich die Autorin auch mit der praktischen Seite der Inklusion auseinander.
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