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- „Ich spreche Deutsch, ich denke aber Albanisch“: Deutsch-albanische Sprachbiographien
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2020
AuflagenNr.: 1
Seiten: 240
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das vorliegende Buch liefert eine kurze Übersicht der in Deutschland veröffentlichten sprachbiographischen Studien, deren Forschungsfeld in der interdisziplina¨r orientierten Soziolinguistik anzusiedeln ist und sich den Methoden der empirischen Sozialforschung bedienen kann. Anhand des erhobenen Materials von 23 Interviews von aus dem Kosovo stammenden und albanischsprachigen Personen verschiedenen Alters und aus unterschiedlichen Bildungsniveaus werden Erkenntnisse zu den im Laufe des Lebens individuell und kollektiv gesammelten Erfahrungen, Erlebnissen, Interaktionen und Handlungen gewonnen. Die Erinnerungsmomente und -prozesse dazu sind emotional, kognitiv gesteuert und sozial determiniert. Sie werden in einer Erza¨hlform rekonstruiert und geben Auskunft über ihre Sprache(-n) im Allgemeinen, ihr Weltbild, ihre Gedankenga¨nge, ihre Sozialisierung bzw. ihre Kulturzugeho¨rigkeit. Die Interviewten werden durch die ausgewählten Ausschnitte aus den Interviews zur Sprache gebracht und erzählen ihre individuellen, mit der Sprache verbundenen Geschichten.
Textprobe: Kapitel 5 Biographieforschung als Vorstufe der Sprachbiographieforschung: Die Beschäftigung mit der eigenen Biographie fängt heutzutage nicht nur in den westlichen europäischen Gesellschaften sehr früh an. Bereits in der Schule befassen sich Schüler mit dem Lebenslauf, sobald sie ein Praktikum suchen. Die wichtigsten Punkte der Schulbildung und die beruflichen Tätigkeiten als Eckdaten des Lebenslaufs sollen immer wieder ergänzt bzw. abgeändert werden, da der Arbeitsmarkt sich gewandelt hat und man öfter als früher mit dem Wechsel der Arbeitsstelle und des Arbeitsortes konfrontiert wird. Seit einigen Jahrzehnten ist es üblich geworden, dass Prominente eine Biographie verfassen bzw. verfassen lassen, sobald sie ein geeignetes Alter dafür erreicht oder ein wichtiges Amt beendet haben. In diesem Sinn bemerkt Rosenthal (1994:125f) auch einen Boom biographischer Forschung seit den 1970er-Jahren und sieht die Konzeption der Biographie als soziales Gebilde. Dabei weist Horsdal (1994:126) auf zwei wichtige Punkte hin, und zwar auf die Konstitution der sozialen Wirklichkeit und der Erfahrungs- und Erlebniswelten der Subjekte und erläutert weiter, dass sie sich in einem dialektischen Verhältnis von lebensgeschichtlichen Erlebnissen und Erfahrungen und gesellschaftlich angebotenen Mustern befindet, das zur Transformation und zu dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft führt. Rosenthal (1994:128) betont auch den sozialhistorischen Aspekt der biographischen Erzählungen: Die Konzeption der erzählten Lebensgeschichte sieht Rosenthal (1994:129) methodologisch als soziales Gebilde und behauptet, dass die Rekonstruktion der erzählten Lebensgeschichte als soziale Realität und nicht als Fiktion anzusehen ist, denn erzählte Wirklichkeit repräsentiert und [liegt] jenseits der Intentionen der Subjekte , und es wird das Allgemeine am konkreten Einzelfall rekonstruiert. Rosenthal (1994:132) erläutert, dass die Realitäten bei der erzählten Lebensgeschichte als sozialem Gebilde nicht außerhalb, sondern innerhalb der Erzählung liegen. Weiterhin entwickelt Rosenthal (1994:130) eine Konzeption bezüglich der Biographieforschung von erlebter und erzählter Lebensgeschichte. Die erlebte Lebensgeschichte definiert Rosenthal (1994:130) als objektiv Stattgefundenes und subjektiv Gedeutetes, damals Erlebtes und im Erinnerungsprozeß subjektiv Verfälschtes . Rosenthal (1994:133) sieht eine wechselseitige Konstruktion sowohl zwischen Ereignis und Erlebnis als auch zwischen Erlebnis und Erinnerung. Erzählte Lebensgeschichten verweisen laut Rosenthal (1994:134) also immer sowohl auf das heutige Leben mit der Vergangenheit wie auch auf das damalige Erleben dieser vergangenen Ereignisse . Kruse (2014:325) sieht Biographien als Gestalten aus subjektiv konstruierten Sinndeutungen des eigenen Lebenslaufs und behauptet, dass biografisches Wissen sowohl Ausdruck als auch Funktion und Mittel dieser Konstruktion ist. Kruse (2014:327) betrachtet die Biographie einerseits als ein kulturelles Phänomen und andererseits als eine individuelle Konstruktionsleistung, sodass Biographien also nie rein individuelle Konstruktionsleistungen, aber auch nie völlig sozial determiniert sind. Die Biographie kann als soziologisches Konstrukt auch als ein vermittelndes Bindeglied zwischen Subjekt und Gesellschaft betrachtet werden. Der Begriff Biographie (Griechisch: Leben und schreiben ) bezieht sich laut Rosenthal (2014:509) nicht nur auf Geschriebenes, sondern auch auf in Gesprächen mitgeteilte biografische Selbst- oder Fremdbeschreibungen . Biographische Beschreibungen werden bei Behörden, in Gerichtsverfahren, in Bewerbungsgesprächen, in ärztlichen Settings, in religiösen Handlungszusammenhängen, in der massenmedialen Kommunikation, im Kontext sozialer Arbeit oder im Rahmen von Konfliktmanagement und Friedensförderung sowie in vielen weiteren sozialen Feldern benutzt. Deswegen erfolgt nach Rosenthal (2014:509) die biographische Selbstpräsentation sehr unterschiedlich, und sie nennt als Beispiel Migranten und -innen, die in unterschiedlichen Kulturen und Staaten sozialisiert sind, denn gesellschaftliche, institutionelle und familiale Regeln bzw. die Regeln unterschiedlicher Diskurse geben vor, was und was nicht sowie wie, wann und in welchen Kontexten etwas thematisiert werden darf .
Ruzhdi Kicmari, Jahrgang 1971, kommt aus dem Kosovo und lebt seit mehr als 25 Jahren in Deutschland. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Den Magisterabschluss in den Fächern Germanistik (Hauptfach), Politik- und Kommunikationswissenschaft erwarb er an der Universität Duisburg-Essen. Seine Magisterarbeit Auf der Suche nach dem Denken und der Sprache wurde 2014 vom disserta Verlag veröffentlicht sowie einige seiner Studien in der Sprachwissenschaft und Kommunikationswissenschaft vom GRIN Verlag. Die Schwerpunkte seiner Untersuchungen liegen auf dem Sprachursprung, der Zweisprachigkeit und den Sprachtheorien. Seit mehr als einem Jahrzehnt vermittelt der Autor die deutsche Sprache in der Erwachsenenbildung. Er ist für unterschiedliche Bildungsträger tätig und zudem ein erfahrener telc-Prüfer der deutschen Sprache. Die Universität Erfurt verlieh Ruzhdi Kicmari im Juni 2019 den Doktortitel Dr. phil. Seit einigen Jahren leitet er darüber hinaus die Fachbereiche Integration, Fremdsprachen und Schulabschlüsse bei einem VHS-Zweckverband am Niederrhein.
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