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- Hochstrittige Trennungs- und Scheidungspaare. Der Erfolg von Beratung, Mediation oder therapeutischer Mediation für die Soziale Arbeit
Pädagogik & Soziales
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Obwohl die Ehe mit 71 Prozent auch heute noch die am meisten gelebte Familienform ist, nimmt ihr Anteil an allen gelebten Lebensformen ab und die Auflösung von Ehen durch Scheidungen zu. Seit Beginn der Datenauswertung zur Scheidungshäufigkeit im Jahr 1888 wird ein nahezu unaufhörlicher Anstieg verzeichnet. Lag der Anteil der Ehescheidungen an allen Ehelösungen 1921 noch bei 21 Prozent, so stieg er bis zum Jahr 2012 auf rund 34 Prozent. Ihren bisherigen Höchststand erreichte die Scheidungsquote 2004 mit 39 Prozent. 2013 wurden 169.833 Ehen geschieden in jede zweite Scheidung waren minderjährige Kinder involviert. Insgesamt betrug die Zahl der betroffenen Kinder 136.064. Trotz der Normalisierung von Trennungen und Scheidungen innerhalb unserer Gesellschaft ist der Übergang von intakter Familie zur Nachtrennungs-/Scheidungsfamilie ein mit zahlreichen familiären Belastungen und Reorganisationen verbundener, langfristiger Prozess. Dabei zieht das Thema ‚Hochkonflikt‘ in den letzten zwei Dekaden in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Gerade hier sind die Kompetenzen der sozialen Arbeit gefragt: Die hochstrittige Klientel stellt besondere Anforderungen an Berater, Institutionen und Familien. Wie aber soll die Sozialarbeit mit diesem relativ neuen Phänomen, das in seiner destruktiven Dynamik vor allem für die Kinder weitreichende Folgen nach sich zieht, umgehen? In dem vorliegenden Buch soll dieser Frage nachgegangen werden. Dazu wird zunächst ein Überblick über die gesellschaftlichen Gründe für die moderne Entwicklung von Trennungen und Scheidungen sowie deren Verlauf und Konsequenzen gegeben, um anschließend die Entstehung von Hochkonflikt zu erläutern. Durch Definitionen und ausgewählte Theorien soll veranschaulicht werden, wie Hochkonflikt, abweichend vom normalen Trennungsprozess, entstehen kann. Anschließend werden drei mögliche sozialpädagogische Strategien zur Konfliktbehandlung dargestellt, die einen methodischen Zugang zum Hochkonflikt versprechen.
Textprobe: Kapitel 3.3 ‘Therapeutische Mediation’ im Hochkonflikt: Ein Modell der therapeutischen Mediation wird im Amerikanischen als impasse directed mediation bezeichnet und unterscheidet sich von der klassischen Herangehensweise der Mediation insofern, als dass dem Beginn der eigentlichen Mediation eine therapeutische Phase vorgeschaltet wird, die die Ex-Partner auf den folgenden Prozess vorbereiten und in Einzelgesprächen Veränderungsbereitschaft herstellen soll. Psychotherapie hat eigentlich das Ziel, die Gesundheit des Menschen wiederherzustellen, wenn ein diagnostizierbares Krankheitsbild vorliegt. Mediation hingegen zielt darauf ab, konkrete selbstbestimmte Lösungen für zwischenmenschliche Probleme zu finden. Während also Psychotherapie im kurativen Bereich angesiedelt ist und auf die Heilung seelisch erkrankter Menschen abzielt, hat es Beratung mit Menschen in situationsgebundenen Problemen und phasentypischen Überforderungen und Krisen zu tun. Dabei setzt Beratung in den Zusammenhängen zwischen Individuum, Gruppe und Institution an. Beratungsarbeit ist somit auf zwischenmenschliche Beziehungen und deren Möglichkeiten und Konflikte gerichtet . Der Vorteil der therapeutischen Mediation besteht darin, die individuellen Geschichten der Medianten zu berücksichtigen und an ihren Ressourcen zu arbeiten, umso überhaupt erst die Basis für Veränderungen schaffen zu können. Ausgeschlossen werden hier klinische Krankheitsbilder, die per Definition die Anwendung der Mediation unmöglich machen. Figdor bezeichnet das Verhalten hochkonflikthafter Paare vielmehr als ‚soziale Pathologie‘, die im Vorfeld der Mediation therapeutisch verringert werden kann, um deren Prozess überhaupt zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, muss der Mediator Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, um dieser ambivalenten Aufgabe gerecht werden zu können: The mediator must combine therapeutic counseling with mediation techniques . Dabei ist zu beachten, dass der Mediator nicht Therapeut im klinischen sondern lediglich im ‚sozialen‘ Sinne sein soll. Die Bezeichnung ‚therapeutische Mediation‘ bezieht sich dabei also auf die die Kombination von beiden Verfahren und im Besonderen auf die erforderliche (Zusatz-) Ausbildung und die spezifischen Fähigkeiten, die der Mediator generell mitbringen muss. Dazu gehört vor allem Erfahrung in der Arbeit mit Klientel, das charakterisiert wird als fragile, vulnerable, narcisstic, and potentially volantile people. Without such experience and training the family is likely to best the mediator, adding to the considerable load of problems already plaguing the family during divorce.” Die Synthese von Therapie und Mediation kann also wie folgt verstanden werden: In fact, counseling is our most often-used therapeutic technique, because good counsel is, itself, therapeutic”. Die therapeutische Mediation ist in drei Phasen aufgeteilt: (1.) Prenegotiation Counseling Phase/Vorverhandlungs- und Beratungsphase, (2.) Negotiation or Conflict Resolution Phase/Verhandlungs-und Konfliktlösungsphase, (3.) Implementation Phase/ Durchführungs- oder Ausführungsphase. In der ersten Phase geht es darum, den Grundstein für die Arbeit der folgenden Phasen zu legen. Dafür wird jedes Elternteil und jedes Kind einzeln sowie jede Eltern-Kind-Dyade interviewt. Ziel ist es, die individuelle Beziehungs-und Trennungsgeschichteherauszuarbeiten und auch eine Vorstellung von der Entwicklung des Kindes und seine Reaktion auf die Trennung/Scheidung zu erhalten. Der Mediator kann sich so einen ersten Eindruck verschaffen, warum die Familientransition an diesem Punkt stagniert, sich mit den Eltern auf die wichtigsten Streitpunkte einigen und gleichzeitig mögliche Ressourcen aufspüren, die eine Verhaltensänderung bewirken können. Die Methoden, die der Mediator einsetzt, richten sich nach den elterlichen Bedürfnissen und deren psychischer Konstitution. Für manche Eltern sind eher die Strategien hilfreich, die die Aufmerksamkeit auf die dem Streit zugrundeliegenden psychologischen Faktoren lenken: Einsicht in die eigenen Anteile am Streit oder ein Verstehen der immer wiederkehrenden Paardynamik führen häufig zu rationalerem Verhalten. Bei anderen Eltern kann die Wahl dieser Strategie kontraproduktiv sein: Durch Thematisierung der eigenen Anteile würden diese sich bloßgestellt, beschämt oder sogar angegriffen fühlen. So wäre es nicht möglich, eine produktive Arbeitsbasis zu erarbeiten der Mediator soll nicht als Gegner sondern als Unterstützer wahrgenommen werden. Für diese häufig tief verletzten Menschen ist indirekte Unterstützung zielführender, beispielsweise durch das Umdeuten (reframing) eines wiederkehrenden Konfliktthemas als etwas, das ihnen von besonderer Wichtigkeit ist(wie das Wohl der Kinder). Dies wird auch bezeichnet als careful redirection of their defenses . Eines der oben genannten Ausschlusskriterien für Mediation kann in dieser Form der Konfliktbearbeitung behoben werden: Wenn ein Elternteil die Trennung nicht akzeptiert, kann dies zur Ursache haben, dass er oder sie so viel Angst vor Zurückweisung und Verlust hat, dass es ihm/ ihr lieber ist, an der ehemaligen Beziehung festzuhalten – lieber im Streit verbunden als allein. In so einem Falle kann es hilfreich sein, dem Elternteil neue Perspektiven aufzuzeigen, ihn/ sie beispielsweise zu ermutigen, neue Beziehungen einzugehen, um sich von der vergangenen zu lösen. Eine andere Strategie ist, die Eltern zu fragen, ob ihre Anstrengungen, die Probleme zu lösen, erwünschte Effekte produziert haben, um sie indirekt zu der Erkenntnis zu führen, dass ihre bisherigen Strategien nicht zielführend waren. Der Elternteil mit höheren reflektierenden Fähigkeiten kann an diesem Punkt mehr vom Mediator profitieren und Aspekte in seine Verhaltensweisen integrieren, indem er angeleitet wird, Konflikte zu lösen ohne den anderen Elternteil zu provozieren. Der Elternteil, der weniger Reflektionen zulässt, um seine Konflikte zu bearbeiten, kann eher Hilfe aus seinem eigenen Umfeld verarbeiten, beispielsweise von einem neuen Partner oder von einem Elternteil. Neben der Arbeit an intra-und interpersonellen Themen fordert der Mediator gleichzeitig ein verbessertes Verständnis der Eltern für die Kinder als etwas von den eigenen Bedürfnissen Unabhängiges. Während die ‚Vorverhandlungsphase‘ voranschreitet und die Eltern besser in der Lageversetzt werden, solche Interventionen zuzulassen, kann der Mediator langsam vom Sensibilisieren für Bedürfnisse zur eigentlichen Beratung übergehen. Das elterliche Bewusstsein wird durch eine bestimmte Sequenz von Fragen für die kindliche Perspektive und die Risiken, die fortdauernde Streitigkeiten für deren Entwicklung und deren emotionales Erleben bedeuten, sensibilisiert. Der Mediator bezieht sich dabei auf die in den Sitzungen mit den Kindern gewonnenen Erkenntnisse. Mit Erlaubnis der Kinder kann er den Eltern beispielsweise Bilder aus diesen Sitzungen zeigen, die das innere Erleben des Kindesveranschaulichen. Als Vorbereitung für die nächste Phase, in der die Eltern sich das erste Mal gegenüberstehen und die Erziehungsvereinbarung aushandeln sollen, wird eine realistische Basis bezüglich der gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Die Vorstellungen der Eltern von dem, was Recht ist, und dem gerichtlichen Auftrag schwanken stark, vor allem dahingehend, dass diese sich einen Ausgleich für vergangenes Unrecht wünschen, beispielsweise eine ‚Bestrafung‘ für das Verhalten des Ex-Partners. Konfrontation mit gesetzlichen Realitäten, Aufklärung über Konsequenzen und vor allem die Unterstützung dahingehend, sich anwaltlich beraten zu lassen oder mit Kinderschutzbeauftragten zu sprechen, soll ihnen ihre reellen Möglichkeiten aufzeigen und darauf begrenzen. Der Mediator unterstützt die Eltern darin, ihre (Wahl-)Möglichkeiten zu definieren und (realitätsnah)zu begrenzen, um sie darauf vorzubereiten, eine konkrete Elternvereinbarung aufzusetzen. Schlussendlich soll in dieser Phase die Basis für eine tragfähige Vereinbarung zwischen den Parteien gelegt werden. In der anschließenden Phase (negotiation or conflict resolution) treffen die Eltern das erste Mal aufeinander, um ihre Elternvereinbarung zu besprechen und zu präzisieren. Diese Konfrontation wird häufig von Krisen begleitet, was auf die fehlende Bereitschaft hinweist, sich mit der Situation konstruktiv und auf direkte Art und Weise auseinanderzusetzen. Vor allem die Kinder werden direkt oder indirekt in die Krisen einbezogen, indem sie selbst als ‚Blitzableiter‘ fungieren, sie Streitigkeiten der Eltern mitbekommen oder aber die Krise durch die Eltern an die Kinder delegiert wird. Indem solche Rückschritte in der Beratung vorhergesagt werden, verlieren sie ihre Macht und könnten sogar verhindert werden. Alternativ kann der Mediator auch verbal oder mit Gesten die Eltern, wenn diese von den jüngsten Vorkommnissen berichten wollen, aufzeigen, dass diese sich wieder in ihre ‚Pattsituation‘ begeben und dadurch die Eskalation fortgeführt wird. Aufgabe des Mediators ist es zu erkennen, welche Interventionsformen auf die jeweiligen Persönlichkeiten der Eltern unter Berücksichtigung ihrer individuellen Geschichte und Ängste passen, um den Prozess voranzutreiben. Methoden der Wahl können auch hier von paradoxen Interventionen über reframing und direkte sowie indirekte Unterstützung als Stärkung des Selbstwerts bei tief verunsicherten Ex-Partnern variieren. In der abschließenden implementation phase wird den Anwälten der Parteien schlussendlich die Elternvereinbarung zur Begutachtung vorgelegt und von diesen als gültiges Dokument aufgesetzt, das dem Gericht bei der nächsten Verhandlung als gültige Vereinbarung vorgelegt werden kann. Während dieser Phase steht der Mediator für die Familie bei aufkommenden Krisen und unvorhergesehenen ‚Spannungsspitzen‘ weiterhin zur Verfügung. Diese Form der Konfliktbearbeitung erscheint daher als eine sinnvolle Kombination aus therapeutischen und ressourcenorientierten Ansätzen, um die individuelle Lage der betroffenen Personen, vor allem in diesem Setting auch der Kinder, und der Gesamtfamilie fundiert verbessern zu können. Die Zusammenarbeit mit kooperierenden Institutionen wird ebenso berücksichtigt und als praktischer ‚Baustein‘ einbezogen.
Katharina Waszak wurde 1982 in Herdecke geboren. Als staatlich anerkannte Erzieherin arbeitete sie viele Jahre in stationären Jugendhilfeeinrichtungen und in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein Westfalen, begann sie ihre Tätigkeit im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes, wo sie unter anderem Familien in Trennungs-und Scheidungsfragen berät.
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