- Sie befinden sich:
- Fachbücher
- »
- Pädagogik & Soziales
- »
- Hilfe für Afrika? Eine kritische Betrachtung internationaler Entwicklungsförderung und Entwicklungspolitik am Beispiel des subsaharischen Afrika
Pädagogik & Soziales
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema
» Buch empfehlen
» Buch bewerten Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 192
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Afrika - was wissen wir tatsächlich über Afrika, vor allem über seine Staaten südlich der Sahara? Welche Informationen erreichen uns über Printmedien, Rundfunk, Film und Fernsehen, die uns Auskunft über das Leben und die tägliche Wirklichkeit in den Ländern dieser Region geben? Welche davon sind real und welche durch Antizipation von Interpretationen und Schlussfolgerungen gefärbt und damit möglicherweise nicht vollständig zutreffend? Hunger und Unterernährung, Kriege und Konflikte, Mangelwirtschaft und Rechtlosigkeit, Krisen und Katastrophen sind nur einige der vielen Stichwörter, die Menschen weltweit in den Sinn kommen, wenn sie nach ihren Vorstellungen von den gesellschaftlichen, politischen und sozialen Realitäten des afrikanischen Kontinents befragt werden. Hilfe für Afrika? möchte aufklären – aufklären über die tatsächliche aktuelle Wirklichkeit afrikanischer Staaten und über alle Maßnahmen, die im Rahmen internationaler Entwicklungsförderung und Entwicklungshilfe unternommen werden, um deren teils desolaten Zustände möglichst nachhaltig zu verbessern. Der Leser erhält einen wissenschaftlich fundierten Überblick über alle relevanten Faktoren von Armut und Unterentwicklung in Subsahara-Afrika und deren zugrunde liegenden Kausalzusammenhänge. Außerdem werden bisherige und aktuelle Facetten von Entwicklung, Entwicklungsförderung und Entwicklungspolitik, sowie deren Akteure, Strategien und moderne Trends auf dem Hintergrund afrikanischer Gegebenheiten und Bedürfnisse in wissenschaftlicher Form eingehend beleuchtet und kritisch hinterfragt und beurteilt. Am Ende kann sich der Leser ein vollständig eigenständiges Bild von den Notwendigkeiten einer modernen Entwicklungshilfe für einen von vielfältigen Krisen geschüttelten Erdteil machen.
Textprobe: Kapitel 3, Kausalzusammenhänge für Armut und Unterentwicklung in Subsahara-Afrika: 3.1, Das Zentrum-Peripherie-Modell als Vertreter der Dependenztheorie: Unter der Bezeichnung Dependenztheorie sind Entwicklungstheorien summiert, die die Ursache von Armut und Unterentwicklung in den wenig und am wenigsten entwickelten Ländern, so auch in den weitaus meisten Ländern Subsahara-Afrikas in deren Integration in kapitalistische Ökonomiestrukturen erkennen wollen. Insbesondere unterstellen die Anhänger der Dependenztheorie eine strukturelle Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den hoch entwickelten Staaten, vor allem den westlichen und inzwischen mitunter auch den fernöstlichen Industrieländern. Nach dem auf der Dependenztheorie aufbauenden so genannten Zentrum-Peripherie-Modell des Norwegers Johan Galtung lässt sich die Welt nicht nach geografischen, sondern vielmehr machtpolitischen Gesichtspunkten, als ein Kreis vorstellen, deren Mittelpunkt die Industriestaaten bilden, wohingegen die wenig entwickelten Regionen am Rand des Kreises abgebildet werden. Industriestaaten gelten demgemäß als ‘Zentren’, die Entwicklungsländer als ‘Peripherie’, je nach ihrem jeweiligen Entwicklungsgrad und ihrer mittelbar oder unmittelbar damit in Zusammenhang stehenden allgemeinen, vor allem wirtschaftlichen Potenz. Die Abhängigkeit einzelner Länder der Peripherie von solchen der Zentren beschreibt GALTUNG folgendermaßen recht deutlich: ‘Der Grundgedanke ist, dass das Zentrum in der Zentralnation einen Brückenkopf in der Peripherienation hat, und zwar einen gut gewählten: nämlich das Zentrum in der Peripherienation. Dieser Brückenkopf ist so eingerichtet, dass das Zentrum der Peripherie an das Zentrum im Zentrum gebunden ist: mit dem Band der Interessenharmonie. Beide sind miteinander verknüpft, so dass sie zusammen aufsteigen, absteigen, ja sogar zusammen untergehen.’ Die ‘Theoría Dependencia’ geht demzufolge von einer Ungleichverteilung wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten und einer einseitigen Machtausübung seitens der Industrieländer, beispielsweise mittels divergierender Handelsbedingungen oder eines Machtvorsprungs durch Kapitalhäufung, aus. Diese sind nach GALTUNG nichts anderes als eine Form struktureller Gewalt, welche von den Zentren auf die Peripherien ausgeübt wird und an deren Fortbestehen die Industrieländer durchaus interessiert sind, damit die Ungleichverteilung der machtpolitischen Kräfteverhältnisse und Chancen zur Veränderung der jeweiligen Entwicklungsniveaus ebenfalls anhaltend bestehen bleibt. Die Voraussetzungen eines ungleichberechtigten Handels manifestieren sich nach den Erkenntnissen der meisten Dependenztheoretiker, wie zum Beispiel Frank, Prebisch, Galtung, Senghaas u.a. in den folgenden Aspekten: Die Tauschprodukte des Handelsprozesses sind nicht gleichartig. Während die wenig entwickelten Länder Rohstoffe und den Faktor Arbeit einbringen, sind die Industrienationen mit Fertigprodukten und Kapital beteiligt. Eine Erhöhung des Kapitals in den Entwicklungsländern ist kaum realisierbar, allein schon aufgrund der unterschiedlichen ‘Terms of trade’. Diese ‘Terms of Trade’ spiegeln das Verhältnis zwischen Export- und Importgütern wider. Die primär Rohstoffe exportierenden Länder, wie es viele subsaharische Volkswirtschaften verkörpern, sind gegenüber den hoch entwickelten Staaten als Exporteure von industriellen Erzeugnissen schon insofern benachteiligt, als über einen längeren Zeitraum ein Verfall der Rohstoffpreise zu beobachten ist. Aufgrund dessen können unter anderem die afrikanischen Entwicklungsländer eine gleich bleibende Menge von Industrieprodukten und ausländischen Devisen nur dann importieren, wenn die Menge der exportierten Rohstoffe sukzessive ansteigt. Die Industrienationen profitieren einseitig von diesen Zusammenhängen. Eine weitere Facette der strukturellen Abhängigkeit nach den Maßstäben des dependenztheoretischen Zentrum-Peripherie-Modells ist der real oft zu beobachtende Vorgang des Rücktransfers von Kapital, Zinsen und geldwerten Wettbewerbsvorteilen wie Patenten und Lizenzen aus in Entwicklungsländern erzielten Handelserträgen durch multinational operierende Konzerne mit Unternehmenszentralen in den Industrieländern. Dies wiederum führt zu einer Kapitalarmut und letztlich zur Entstehung und Verfestigung der Schuldenkrise in vielen subsaharischen Staaten und anderen Entwicklungsländern weltweit. Einseitige Nutznießer sind die Industriestaaten, deren ohnehin stärkere Kapitalkraft sich dadurch zusätzlich erhöht. Mit Hilfe des Zentrum-Peripherie-Modells lassen sich zwar diverse Zusammenhänge zwischen Unterentwicklung in SSA und struktureller Abhängigkeit schlüssig belegen, doch lassen die Dependenztheorien dennoch wesentliche Faktoren außer Acht, wie die nachfolgende kritische Beurteilung verdeutlicht. 3.2, Kritik: Die oben genannten Argumente der dependenztheoretischen Modelle, vor allem die des Zentrum-Peripherie-Modells, sind auf den ersten Blick in sich kohärent und durchaus schlüssig. Wirtschaftlich potente Länder, deren Produktionskreisläufe industrialisiert sind, besitzen gegenüber Rohstoff exportierenden Ländern tatsächlich deutliche Wettbewerbsvorteile, da Industrieprodukte mit einem weitaus geringeren Aufwand an Basisgütern, Personal, Arbeit und mithin Kapital erwirtschaftet werden können. Das sind altbekannte, ökonomische Realitäten. Ein daraus resultierendes Ungleichverhältnis der Terms of trade, das sich nach und nach zudem weiter verschlechtert, geht tatsächlich zu Lasten der Exportgewinne der wenig entwickelten Länder und ihrer Wirtschaft im Ganzen. Des Weiteren kann nicht geleugnet werden, dass die Kapitalkraft der Industriestaaten die der Entwicklungsländer um ein Vielfaches übersteigt, mit nachhaltig negativen Folgen für die wenig und am wenigsten entwickelten Staaten. Die Summe der Spekulationsgewinne, die in den Börsenzentren der industrialisierten Welt tagtäglich realisiert werden, erreicht Dimensionen, die die Gesamtheit der Handelsgewinne aller exportorientierten Entwicklungsländer in Subsahara-Afrika eines gesamten Jahres bei weitem in den Schatten stellen. Die enge Anbindung einer zahlenmäßig kleinen Gruppe von Wirtschaftsprofiteuren in subsaharischen Ländern, wie zum Beispiel die Petro-Elite im Öl exportierenden Nigeria, an die großen Industriekonzerne der Welt, ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg für die sozio-ökonomische Struktur der Dependenz, einer strukturellen Abhängigkeit auf Gedeih und Verderb. Sie stellt quasi eine Verkörperung des Galtungschen Theorems über die satellitenähnliche Verknüpfung der Zentren von Zentralstaat und Peripherienation, mit der Bezeichnung des ‘peripheren Kapitalismus’, dar. Dennoch lassen Dependenztheoretiker einige Aspekte der Analyse außer Acht, die es zu berücksichtigen gilt. Vor allem dann nämlich, wenn das Faktum von Unterentwicklung in Subsahara-Afrika einzig und allein mit den Theorien funktioneller und struktureller Abhängigkeit belegt wird, gerät die Dependenztheorie mitsamt ihren Modellen an ihre Grenzen. Das Zentrum-Peripherie-Modell sieht, eingebettet in die Annahmen der Theoría Dependencia, die Ursachen der Unterentwicklung ausschließlich in äußeren Faktoren, wie sie die Machtkonzentration und –ausübung durch die Industrieländer darstellt, denen die Entwicklungsstaaten, durch ihre Anbindung an ein kapitalistisches Weltmarktsystem, ausgeliefert sind. Dieses exogene Erklärungsschema ist zu einseitig, um es verallgemeinernd der Gesamtheit aller afrikanischen LDC´s, als Erklärungsgrundlage der dortigen Entwicklungsdefizite, anzudienen, geschweige denn allen Entwicklungsländern dieser Welt. Ebenso ausschlaggebend für die Ausbildung von Unterentwicklung und deren Verfestigung sind Gründe, die in der inneren Struktur eines Landes, einer Gesellschaft, einer Volkswirtschaft selbst zu finden sind, also endogene Faktoren, wie sie einleitend intensiv beschrieben wurden. Es ist offensichtlich, dass innerafrikanische Kriege und Konflikte ebenso Hemmnisse, wenn nicht gar ausschließende Kriterien für eine Entwicklung in Subsahara-Afrika sind, wie Korruption und eine Kapitalkonzentration auf einige wenige politisch Privilegierte. Eine wirtschaftspolitisch schlecht positionierte, undemokratische und vornehmlich an der Erhaltung eigener Macht und wirtschaftlicher Pfründe interessierte Staatsführung, mitsamt einem maroden Verwaltungssystem und dementsprechend lückenhaften infrastrukturellen Gegebenheiten, ist zu einer Initiierung und Steuerung eines nachhaltigen Entwicklungsprozesses nicht in der Lage oder einfach gar nicht daran interessiert. Zwar herrschen in vielen Ländern des afrikanischen Kontinents Strukturen vor, die mitunter ebenfalls von außen, zum Beispiel durch koloniale Politik, wie an anderer Stelle gezeigt werden wird, bedingt wurden. Ein nicht minder wichtiger Teil dieser Strukturen ist jedoch auf ganz individuelle Begebenheiten im geschichtlichen Entstehungsprozess archaischer Gesellschaftsstrukturen der afrikanischen Länder zurückzuführen. Traditionelle Wirtschaftsformen, wie die in Afrika verbreitete Landwirtschaft oder eine Betonung von Familienbeziehungen gegenüber anderen sozialen Rollen- und Gruppensystemen sind weniger einem Einfluss von außen als vielmehr der Interaktion afrikanischer Menschen und ihrer althergebrachten Wertehaltungen, Denk- und Handlungsstrukturen geschuldet. So ist festzuhalten, dass die Ursachen von Unterentwicklung in SSA weder ausschließlich mit den Analysekriterien der exogenen Dependenztheorie noch mit dem Vergleich zwischen Tradition und Moderne, wie ihn die Anhänger der endogenen Modernisierungstheorien in den Mittelpunkt ihrer Konstruktionen über Unterentwicklung stellen, abschließend und zufriedenstellend zu klären sind. Die Wahrheit liegt, wie so oft, dazwischen, deren Auffindung ELSON implizit mit der Aufforderung anregt: ‘We do not have to agree with either the interpretation given by orthodox neo-Classical economies theory or the interpretation given by dependency theory.’ Leider verhinderte bis dato der Streit der großen Weltideologien ‘Kapitalismus’ und ‘Sozialismus’ eine Annäherung, im Sinne eines realitätsnahen Schulterschlusses der Anhänger beider widerstreitender Theoriekonzepte, sehr zum Schaden der betroffenen Entwicklungsländer.
Michael Kuhn, Jahrgang 1968, ist als Dipl.-Sozialpädagoge, Coach und Buchautor tätig. Mit seinen bisherigen Werken (Heute ist ein neuer Tag, Verlag Via Nova, ISBN: 978-3-86616-065-1 und Liebevoll leben, Tag für Tag, Verlag Edition Dharmesh, ISBN: 978-3-981-36950-2) hat er sich vor allem im Bereich der Sachbuchratgeber einen Namen gemacht. Sein besonderes Interesse galt schon während seines Studiums den Möglichkeiten einer effizienten aber humanen Entwicklungshilfe und ihrer zugrundliegenden Politik, die die notleidenden Menschen und deren tatsächliche Bedürfnisse und nicht die machtstrategischen und monetären Vorteile und Prestigegewinne ihrer jeweiligen Akteure in den Fokus ihrer Aktivitäten rückt. Nähere Informationen zum Autor und seinen Aktivitäten finden sie unter www.kuhn-coaching.de.
weitere Bücher zum Thema
Neue Wege im Umgang mit Tod, Verlust und Trauer. Die Soziale Arbeit als Schlüssel zur persönlichen Entwicklung
ISBN: 978-3-96146-984-0
EUR 34,99
Gemeinsam ein gutes körperliches Wohlbefinden entwickeln. Kinder und ihre Bezugspersonen im Umgang mit Lebensmitteln
ISBN: 978-3-96146-982-6
EUR 34,90
Mediation als Haltung in der Schulsozialarbeit. Denkansätze für die Praxis
ISBN: 978-3-96146-980-2
EUR 34,99
Altersgerechte Arbeitsgestaltung für ältere Erwerbstätige. Arbeitsfähigkeit in der modernen Arbeitswelt erhalten und fördern. Konkrete Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis.
ISBN: 978-3-96146-979-6
EUR 34,99
Antisemitismusprävention in der Grundschule und Sekundarstufe I. Geschichte, Ansätze, Konzeptformulierung und Lernmaterialentwicklung für Klassenstufe 4-6
ISBN: 978-3-96146-971-0
EUR 49,50
Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe
Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft