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Pädagogik & Soziales

Nicole Waldheim

Freundschaft und ihre Bedeutung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

ISBN: 978-3-8428-7894-5

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben ein allgemeines Bedürfnis nach Affiliation, nach sozialem Kontakt zu anderen. Sie streben danach, sich anderen anzuschließen und verbringen einen erheblichen Teil ihres Lebens in der Gesellschaft anderer Menschen. Dies geht wohl größtenteils darauf zurück, dass der gegenseitige Zusammenhalt in unserer evolutionären Vergangenheit die Überlebenschancen verbessert hat. Ein Mangel an Affiliation kann Einsamkeit, Depression und ein geringes Selbstwertgefühl zur Folge haben. Gerade in schwierigen Situationen sucht man nach Nähe, Trost und Unterstützung. Dieses Bindungsverhalten ist bereits im Säuglingsalter beobachtbar. Die Aufnahme von Freundschaften stellt eine Entwicklungsaufgabe im Jugendalter dar und gehört bereits im Kindesalter zu den zentralen Aspekten einer gesunden Entwicklung. Welche Bedeutung hat Freundschaft für Kinder und Jugendliche? Was sind die Effekte von Freundschaften in diesem Alter? Wie entstehen Freundschaften? Was beinhalten Freundschaftsbeziehungen? Was sind die Gründe für das Fehlen von Freundschaften und was die Auswirkungen davon? Wie zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in Freundschaften?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3, Kontaktstrategien: Außer den oben erwähnten Selektionsmerkmalen sind auch individuelle innere Bedingungen an der Entstehung von Freundschaftsbeziehungen beteiligt. Neben einem allgemeinen Anschlussmotiv, der Affiliation, wie sie in der Einleitung bereits beschrieben wurde, also dem Motiv den Kontakt und den Umgang mit anderen zu suchen, existiert auch noch eine interpersonale Orientierung, die für die Aufrechterhaltung einer Freundschaft sorgt. Die interpersonale Orientierung beschreibt eine Haltung, die sich weniger nach den äußerlichen Faktoren wie der räumlichen Nähe oder der ethnischen Herkunft richtet, sondern an der Persönlichkeit des einzelnen Menschen interessiert ist. So kommen enge Beziehungen leichter und schneller zustande, wenn beide Partner eine starke interpersonale Orientierung besitzen (vgl. Wagner 1994, S. 58). Im Folgenden werden die individuellen Voraussetzungen für Kontaktaufnahmen, die Bedeutung des Umfeldes dabei sowie die unterschiedlichen Kontaktaufnahmestrategien im Kindes- und Jugendalter vorgestellt. 3.3.1, Individuelle Voraussetzungen: Kinder und Jugendliche, die mehr Erfahrungen mit Gleichaltrigen sammeln konnten, haben es leichter beim Anknüpfen von sozialen Beziehungen. Sie unternehmen häufiger etwas mit anderen zusammen und sind weniger oft allein als Kinder und Jugendliche mit geringeren sozialen Erfahrungen. Von besonderer Bedeutung für die soziale Entwicklung des Kindes ist die Beziehung zu den Eltern. Vor allem die Beziehung zur Mutter hat nachhaltigen Einfluss auf alle weiteren Beziehungen des Kindes (vgl. Wagner 1994, S. 60). Die Art der Mutterbeziehung, welche am Ende des ersten Lebensjahres feststellbar ist, kann sich in einer unsicheren oder sicheren Bindung ausdrücken. Erlebt ein Kind durch die Mutter oder eine andere wichtige Bezugsperson effektiven Trost und emotionale Regulation, so lernt es sich rasch zu beruhigen und wieder der Außenwelt zuzuwenden. Eine sichere Bindung ermöglicht es dem Kind seine räumliche und soziale Umgebung zu erkunden. Es besteht ein relativ enger Zusammenhang zwischen einer sicheren Mutterbindung und dem Umfang an Erfahrungen mit Gleichaltrigen, denn die aus dem Umgang mit der Mutter gewonnenen positiven Erwartungen an die soziale Umwelt erleichtern die Aufnahme von Kontakten zu anderen Kindern. Eine sichere Bindungsqualität ist durch die direkte Kommunikation von Gefühlen, vor allem bei Kummer, gegenüber Vertrauten gekennzeichnet. Kinder, die eine unsichere Bindung erfahren haben, sind eher zurückhaltend und passiv, sie erfahren weniger Zuwendung und Beachtung von anderen. Wohingegen sicher gebundene Kinder attraktivere Spielpartner sind, dementsprechend mehr positive Zuwendung bekommen und kaum Feindseligkeiten erfahren. Die Art der Mutterbindung gibt also Auskunft über die Bereitschaft, Kontakte zu anderen Kindern aufzunehmen sowie über die Wahrscheinlichkeit von anderen akzeptiert oder abgelehnt zu werden. Aber ob sicher gebundene Kinder wirklich mehr Freunde haben als unsicher gebundene Kinder und ob ihre Freundschaften länger und konfliktfreier andauern, ist nicht klar (vgl. Wagner 1994, S. 61). Das Verhältnis der Eltern zum Kind ist auch außerhalb der Bindungsforschung in Beziehung gesetzt worden. Es stellte sich heraus, dass Kinder, deren Mütter länger mit ihnen zusammen spielten, häufiger Kontakt zu Gleichaltrigen aufnahmen als andere und dass Söhne, deren Mütter sich öfter mit ihnen unterhielten, hilfsbereiter gegenüber ihren Spielkameraden waren, während Söhne von direktiven, bestimmenden Vätern weniger kommunizierten. Aufgrund der individuellen Erfahrungen mit ihren Eltern haben es Kinder und Jugendliche leichter oder schwerer den Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen und mit ihnen auszukommen. Die bisherigen Ansätze der Forschung beschränkten sich allerdings auf Momentaufnahmen sowie der einseitigen Betrachtungsweise, dass Freundschaft nur durch den Wunsch und die Hilfe der sozialen Fähigkeiten eines Kindes oder Jugendlichen entstünde. Die Bedürfnisse, Merkmale und Verhaltensweisen des anderen Partners und die Sichtweise beider Partner wurden nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass je nach Alter und Entwicklungsstand, wie auch die Untersuchung von Valtin es zeigt, die Merkmale des Partners unterschiedlich attraktiv wahrgenommen werden. Ein bestimmtes Kind ist für ein jüngeres Kind attraktiv, weil es ein tolles Spielzeug besitzt, während für ein älteres Kind dasselbe Kind aufgrund gewisser Persönlichkeitsmerkmale als Freund in Frage kommt. Die Kinder und Jugendliche benötigen soziale Fertigkeiten, um Freundschaften anzubahnen und zu erhalten. Soziale Fertigkeiten sind Kompetenzen wie sich ‘zu Gruppenaktivitäten Zugang verschaffen zu können, Gleichaltrigen zuzustimmen und ihnen zu helfen, Konflikte angemessen zu handhaben und Sensibilität und Taktgefühl walten zu lassen’ (Rubin 1981, S. 46). Diese subtilen Fertigkeiten werden mit der sozialen Entwicklung erworben, was nicht einfach ist. Weiterhin zählen zu den sozialen Fertigkeiten auch die, die einen Freund ausmachen, nämlich ein aufmerksamer und hilfreicher Partner zu sein, der Anerkennung zeigt. Hartup et al. stellten fest, dass Kinder, die anderen Kindern viel Aufmerksamkeit schenken, Lob spenden, Zuneigung zeigen und bereitwillig auf die Wünsche der Spielpartner eingehen, sehr beliebt sind. Während Kinder, die andere oft ignorieren, Kooperation verweigern, andere tadeln, lächerlich machen oder gar bedrohen, am ehesten abgelehnt werden. Will man akzeptiert und aufgenommen werden, muss man seinerseits offen für andere sein und andere akzeptieren (auch wenn freundliches Verhalten nicht immer eine Freundschaft nach sich zieht) (vgl. Rubin 1981, S. 50). Die Art und Häufigkeit der Beziehungen eines Kindes oder Jugendlichen werden anscheinend von seiner interpersonalen Orientierung beeinflusst, von seinen Erfahrungen, von der Art seiner Mutterbindung, von der Beziehung zu seinen Eltern, von seinen sozialen Bedürfnissen sowie von der Art seiner Erklärungen für das Verhalten von anderen ihm gegenüber (vgl. Wagner 1994, S. 63). Ob ein Kind oder Jugendlicher zum Beispiel eine Zurückweisung eines anderen leicht oder schwer verkraftet, hängt davon ab, wie es oder er sich diese Zurückweisung selbst erklärt. Die Zurückweisung kann von inneren Faktoren, wie persönlichen Unzulänglichkeiten, abhängig gemacht werden oder von äußeren Faktoren, wie Missverständnissen oder einer schlechten Laune des Gegenübers. Obwohl den sozialen Erfahrungen mit Gleichaltrigen viel Bedeutung beigemessen wird, sind Untersuchungen über ihren Einfluss auf die späteren Sozialbeziehungen selten. Die Erfahrungen mit Gleichaltrigen scheinen aber die Kontaktaufnahme zu fremden Kindern und Jugendlichen zu erleichtern, außerdem werden die Kommunikationsfähigkeit und die Interaktivität gefördert.

Über den Autor

Nicole Waldheim, geb. Heß, wurde 1979 in Flörsheim geboren. Sie ist Diplompädagogin und Mutter einer Tochter. Seit ihrem Studium ist sie in vielfältigen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern mit Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen tätig gewesen. Neben einer Referententätigkeit zur Qualifizierung in der Kindertagespflege bildet sie in ihrer beruflichen Praxis angehende Erzieher aus.

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