- Sie befinden sich:
- Fachbücher
- »
- Pädagogik & Soziales
- »
- Frauengerechte Suchtarbeit
Pädagogik & Soziales
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema
» Buch empfehlen
» Buch bewerten Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 146
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem aktuellen Wissensstand zu frauenspezifischer Suchtarbeit und geht im Besonderen auf die derzeit bestehenden niederschwelligen frauengerechten Angebote und Institutionen in Wien ein, die sich an opioidkonsumierende Mädchen und Frauen wenden. Frauenspezifische Projekte sind nach feministischen Arbeitsprinzipien gestaltet und werden von Frauen für Frauen angeboten. Niedrigschwellig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Zugang zu den Angeboten nicht von vorgegebenen Zielen abhängt, keine Terminvereinbarung erfolgen muss und die Angebote anonym sowie kostenlos gestaltet sind. Die empirische Forschung dieser Arbeit, die aus qualitativen Expertinneninterviews und einer Fragebogenerhebung unter Klientinnen besteht, bezieht sich einerseits auf die Konzepte und die Nutzung der derzeit bestehenden Projekte sowie auf vorhandene Netzwerke und Arbeitskreise andererseits wird die Lebenssituation der Klientinnen und der Bekanntheitsgrad der derzeitigen Angebote erhoben. Zurzeit gibt es nur eine einzige Einrichtung in Wien, die ausschließlich frauengerecht und niederschwellig arbeitet. Drogenkonsumierende Frauen stellen dort jedoch nur einen Teil der Zielgruppe dar. Gemischtgeschlechtliche Einrichtungen der Wiener Drogenhilfe führen teils im Rahmen ihrer Tätigkeit zusätzlich frauenspezifische Angebote, die wie Drop-In-Cafés gestaltet sind und nur einmal pro Woche stattfinden. Diese Projekte sind in der Drogenstraßenszene größtenteils bekannt, werden zufrieden stellend genutzt und stellen einen wichtigen Teil der Suchtarbeit dar. Es finden sich jedoch auch Kritikpunkte und Lücken, die als Basis für die Erarbeitung neuer Konzepte dienen können. Für die (Weiter-)Entwicklung von frauengerechten Konzepten ist jedoch eine Vernetzung unter den einzelnen Einrichtungen von Nöten, die derzeit nur beschränkt stattfindet.
Kapitel 7.3, Kritik an frauenspezifischen Angeboten: In der Literatur, aber auch in der Praxis, wurde der Stellenwert frauenspezifischer Institutionen und Angebote häufig belegt, trotzdem wird deren Existenz in fachlichen Diskussionen immer wieder in Frage gestellt. Obwohl alle sechs befragten Expertinnen angaben, dass es in gewissen Bereichen von Nöten ist, Angebote oder Einrichtungen nur für Frauen zu errichten (siehe Kapitel 8.4), übten doch alle in irgendeiner Form auch Kritik an bestehenden Konzepten der frauengerechten Drogenhilfe. Die Argumentationen in der Fachdiskussion reichen von fehlenden, wissenschaftlich belegten Grundlagen bis hin zur Rentabilität von frauenspezifischen Angeboten. So führen zum Beispiel geringe Teilnehmerinnenzahlen zu einer Absetzung von Angeboten oder sie werden aufgrund mangelnder Akzeptanz des Arbeitsansatzes innerhalb des Teams erst gar nicht implementiert. Eine Expertin, die Erfahrung in der Leitung von sozialen Institutionen hat und daher auch die organisatorische und finanzielle Seite sieht, meint zu diesem Thema: Von der Finanzierung her kommt dann irgendwann einmal der Punkt, wo man schaut, was kostet es und was bringt es, wie sehen die Kontaktzahlen aus. […] Wir haben damit aufgehört, weil es sehr schlecht in Anspruch genommen wurde. Und wir wollen halt nicht - nur damit wir ein frauenspezifisches Angebot haben - irgendetwas machen. […] Wenn du nicht so viele Frauen im Team hast, denen das ein Anliegen ist, dann ist es halt noch schwieriger. Ferner gibt es nach wie vor Zweifel an geschlechtsspezifischen Unterschieden von DrogenkonsumentInnen und folglich an der Notwendigkeit von frauen- oder männergerechten Angeboten. Kritik wird zum Beispiel daran geübt, dass in den meisten Studien drogenkonsumierende Frauen mit drogenkonsumierenden Männern verglichen werden, anstatt mit einer nicht konsumierenden Kontrollgruppe. Noch seltener beschäftigen sich Untersuchungen mit beiden Aspekten. Dies führt dazu, dass es unklar ist, ob tatsächlich geschlechtsspezifische Unterschiede erforscht wurden. Eisenbach-Stangl hingegen geht davon aus, dass es früher sehr wohl geschlechtsspezifische Unterschiede bei DrogenkonsumentInnen gab, dass diese traditionell-geschlechtsspezifisch getönten Konsumstile jedoch tendenziell durch geschlechtsunspezifische Konsumgewohnheiten abgelöst werden. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass es gewisse Parallelen in den Biographien drogenkonsumierender Frauen gibt, entsteht die Frage, ob die Prinzipien frauengerechter Arbeit aus feministischem Idealismus oder aufgrund der realen Bedürfnisse von Drogenkonsumentinnen entstanden sind. Eine Expertin warf im Interview die Frage auf, ob frauenspezifische Angebote nicht eher das Anliegen der Sozialarbeiterinnen als der Bedarf der Klientinnen sind, und übte auch Kritik an den Postulaten feministischer Sozialarbeit: Ein Ding ist ja immer Solidarität stärken, oder Selbstwert stärken, aber ich glaube, dass das zwar uns als Sozialarbeiterinnen ein wichtiges Anliegen ist, was aber für die Klientinnen in ihren Lebenssituationen nicht so im Vordergrund steht. Es besteht demnach die Gefahr, dass durch den Idealismus der Sozialarbeiterinnen die Bedürfnisse der Klientinnen zu wenig beachtet werden. So ist das Ziel traumatisierende Erfahrungen anzusprechen und aufzuarbeiten oft nur die idealistische Vorstellung feministischer Sozialarbeiterinnen und nicht das Bedürfnis der Klientin. Gerade in der niederschwelligen Drogenhilfe bewegen sich SozialarbeiterInnen häufig im Spannungsverhältnis von Autonomie und Bevormundung. Einerseits muss im Beratungsprozess darauf geachtet werden, dass KlientInnen sich nicht zurechtgewiesen fühlen, andererseits müssen SozialarbeiterInnen, die KlientInnen zur Selbstbestimmung und Autonomie ermutigen, es auch akzeptieren können, wenn sich diese gegen eine Betreuung oder ein Angebot entscheiden. Dies gilt aufgrund der Arbeitsprinzipien insbesondere für frauenspezifische Projekte, wie eine Expertin im Interview bestätigt: Das ist halt immer so eine Geschichte. Ist man froh darüber, dass die Frauen im Frauencafé sind, oder ist man glücklich darüber, dass sie nicht mehr kommen. Einen weiteren Kritikpunkt an frauenspezifischen Angeboten bildet die Wiederholung der Stigmatisierung als Opfer in Einrichtungen der Drogenhilfe. Viele der Mädchen und Frauen haben entweder vor ihrem Drogenkonsum und/ oder nach Beginn des Substanzenkonsums in der Szene Gewalt erfahren, wodurch sie oft eine Opferrolle eingenommen haben. Nach den Prinzipien frauenspezifischer Arbeit sollen Klientinnen bestärkt werden, ein autonomes und selbstbestimmtes Leben zu führen, auch um sich aus der Rolle des Opfers befreien zu können. In der Praxis sehen Sozialarbeiterinnen durch diesen Arbeitsansatz die Frauen häufig nur als Opfer der Handlungen anderer oder nur die Folgen von Traumata und dem Drogenkonsum. Dadurch machen sie Betroffene zum zweiten Mal zum Opfer: Zum Opfer eines an Symptomen orientierten Hilfesystems. Menschen sind schließlich nicht nur Objekte und damit Opfer ihrer Sozialisation, sondern gleichzeitig auch handelnde Subjekte, die Einfluss auf ihre Vergesellschaftung haben. In der Beratung und Betreuung von drogenkonsumierenden Frauen wird jedoch häufig übersehen, dass sowohl die Frau als Opfer in ihrer Biographie und die Frau als Täterin beleuchtet werden müssen, da erst beide zusammen die Lebensgeschichte ausmachen. Die Notwendigkeit frauenspezifischer Angebote ist also weitgehend unbestritten, es kommt jedoch darauf an, wie diese gestaltet sind und mit welchen Leitbildern Sozialarbeiterinnen derartige Projekte in Angriff nehmen. Eine geschlechtsneutrale Drogenhilfe könnte den Bedürfnissen von Frauen nicht gerecht werden, da diese Einrichtungen stets männerdominiert wären.
Daniela Weißengruber, Mag.a (FH) für sozialwissenschaftliche Berufe, hat ihr Studium Sozialarbeit (im städtischen Raum) am FH Campus Wien im Januar 2008 mit Auszeichnung abgeschlossen und ist derzeit als Sozialarbeiterin in einem Wiener Frauenhaus beschäftigt.
weitere Bücher zum Thema
Neue Wege im Umgang mit Tod, Verlust und Trauer. Die Soziale Arbeit als Schlüssel zur persönlichen Entwicklung
ISBN: 978-3-96146-984-0
EUR 34,99
Gemeinsam ein gutes körperliches Wohlbefinden entwickeln. Kinder und ihre Bezugspersonen im Umgang mit Lebensmitteln
ISBN: 978-3-96146-982-6
EUR 34,90
Mediation als Haltung in der Schulsozialarbeit. Denkansätze für die Praxis
ISBN: 978-3-96146-980-2
EUR 34,99
Altersgerechte Arbeitsgestaltung für ältere Erwerbstätige. Arbeitsfähigkeit in der modernen Arbeitswelt erhalten und fördern. Konkrete Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis.
ISBN: 978-3-96146-979-6
EUR 34,99
Antisemitismusprävention in der Grundschule und Sekundarstufe I. Geschichte, Ansätze, Konzeptformulierung und Lernmaterialentwicklung für Klassenstufe 4-6
ISBN: 978-3-96146-971-0
EUR 49,50
Zur Qualität der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe
Eine Analyse des Zusammenhangs von Förderung und Partnerschaft