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Pädagogik & Soziales

Marcus Brauer

Foulspiel auf den Rängen: Prävention von Gewalt in der Fußballfanszene

ISBN: 978-3-8366-9965-5

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Fanszene des deutschen Fußballsports und die Arten von Gewalt, die dort in der Vergangenheit zu beobachten waren und auch aktuell hin und wieder in Erscheinung treten. Über die historische Entstehung und Entwicklung des Fußballspiels und seiner großen Popularität beim Publikum in Deutschland nähert sich die Studie den Entwicklungen und Motiven von gewalttätigen Ausschreitungen unter den Zuschauern. Die Entstehung der Subkulturen Hooligans und Ultras wird ausführlich beschrieben sowie miteinander verglichen. Auch die in den Stadien vorhandenen Themen Rassismus und Diskriminierung werden behandelt. Darüber hinaus wird die darauf folgende Reaktion der großen Verbände DFB und DFL sowie der beteiligten Vereine untersucht. Die Arbeit der Gewaltprävention im Sinne von Vorbeugung durch aktive Miteinbeziehung der Fans wird in den Vordergrund gestellt. Dabei wird geschaut, was seitens des DFB und der DFL, aller Fußballvereine und der Sozialarbeit in Form von Fanprojekten bereits geleistet wird und was noch geleistet werden könnte. Dazu wurden Anregungen und Möglichkeiten zur Optimierung der Präventionsarbeit anhand der Erkenntnisse dieser Studie herausgearbeitet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2, Erklärungsansätze für Gewalt bei Fußballspielen: Wie bereits erwähnt, kam es bereits zur Zeit der Weimarer Republik zu gewalttätigen Handlungen unter den Zuschauern. Ursache hierfür waren überfüllte Stadien und Sportplätze, da es seitens der Organisatoren noch keine Konzepte gab, die die Sicherheit der Spielbesucher gewährleisten konnten. Polizei- und Ordnungskräfte waren entweder gar nicht oder nur unzureichend vorhanden. Zudem pflegten die Spieler auf dem Platz oft eine sehr harte Spielweise und auch unter ihnen kam es hin und wieder zu Schlägereien, die sich auf die Zuschauerränge übertrugen, wo sich ihrerseits Rivalitäten zum Gegner bildeten. Bereits damals wurde den Organisatoren und Funktionären klar, dass ‘die Erziehung des Publikums’ eine nicht leichte, aber sehr bedeutungsvolle Aufgabe sein wird. Die Gründe, warum einige Fans gewalttätige Handlungen vollziehen, sind sicher vielschichtig. Meistens äußert sich Gewalt unter Fans beim Aufeinandertreffen zweier rivalisierender Fangruppierungen, meist im verbalen Niedermachen des Gegners, aber auch in körperlichen Auseinandersetzungen. Meist handelt es sich hierbei um die Fans direkter Nachbarvereine. Feindschaften zwischen ihnen haben sich häufig in einer langen Tradition entwickelt. Hans Joachim Schulz nennt das Sensation-Seeking-Motiv sowie das Affiliations-Motiv, die ich bereits als Gründe für den Besuch von Fußballspielen angeführt habe, auch als Gründe für den Übergang zur Gewalt. Beim Sensation Seeking begründet er das mit dem erhöhten emotionalen Erleben und dem Streben nach Action der Jugendlichen und Fans im Stadion, was zu einer Minderung der Hemmschwelle führt und im Extremfall für ein Ausleben von Aggressionen und Gewalt sorgen kann, die wiederum von den Akteuren als positiv und spannend wahrgenommen werden. Im Rahmen des Affiliations-Motivs, also dem Streben nach Anerkennung innerhalb der Fangruppierung, kann es ebenso dazu kommen. Sollte innerhalb seiner Fangruppe der Einsatz von Gewalt eine Regel oder eine gruppeninterne Norm in der Auseinandersetzung mit gegnerischen Fans darstellt, wird der Fan davon wahrscheinlich Gebrauch machen, um gegenüber seiner Fangruppe loyal zu handeln und dazu beizutragen, sie gegenüber dem Gegner so positiv erscheinen zu lassen wie möglich, um auf diesem Weg Anerkennung von seinen Kollegen zu erfahren und einen positiven Status innerhalb der Gruppe zu erreichen, auch wenn Gewalt in unserer Gesellschaft nicht erwünscht ist und negativ sanktioniert wird mit Hilfe des StGB, auf das ich in Kapitel 4.1 eingegangen bin. Die gruppeninternen Normen und Regeln reichen in diesem Fall zur Rechtfertigung und stehen im Empfinden über den Regeln und Gesetzen, die allgemeingültig sind. In diesem Kontext könnten sogar Vereinsmannschaften aus der Bundesliga oder sogar auch Vereine, in denen die betroffenen Fans selbst aktiv spielen, eine negative Vorbildfunktion erfüllen, so absurd es im ersten Moment klingen mag. Aber im Streben nach dem Mannschaftserfolg und nach Siegen wird der Einsatz von Aggressionen und die Verletzung der Spielregeln oft als legitim dargestellt und sogar als taktische Maßnahme akzeptiert. Ein Zitat des ehemaligen Nationalspielers Paul Breitner macht dies deutlich: ‘Ich behaupte: wir müssen den Jugendlichen lehren, foul zu spielen! Das klingt vielleicht brutal, aber was hilft es, ständig um den heißen Brei herumzureden ... Denn eines ist klar, und das gilt für Schüler genauso wie für Bundesligaspieler: bevor ich dem Gegner erlaube, ein Tor zu schießen, muß ich ihn mit allen Mitteln daran hindern – und wenn ich das nicht mit fairen Mitteln tun kann, dann muß ich es eben mit einem Foul tun. Lieber ein Freistoß als ein Tor. Wer das nicht offen zugibt, der lügt sich was vor – oder er ist kein Fußballer.’ Erstaunlicherweise kam bei Schulz’ Forschungen weiterhin heraus, dass Niederlagen der jeweiligen unterstützten Mannschaft nicht zu einer höheren Gewaltbereitschaft bei den Fans führen, die in diesem Fall Enttäuschung und Frustration erleben. Dies möchte ich aufgrund eigener erfahrener Erlebnisse bei Besuchen von Fußballspielen, in denen einige Fans nach Niederlagen ihrer Mannschaft durchaus sensibler auf provokative und hämische Kommentare von gegnerischen Anhängern reagierten, hinterfragen. Diese von mir gemachten Beobachtungen decken sich mit der Theorie von Leonard Berkowitz aus dem Jahr 1962, die davon ausgeht, dass das Erleben von Frustration die Emotionen Wut und Ärger nach sich ziehen. Der Erziehungswissenschaftler und Sportpädagoge Meinhart Volkamer schlägt in die gleiche Kerbe: ‘Je mehr ein sportliches Ereignis bei hoher Identifikation mit den Akteuren als wichtiges und ernstes Ereignis erlebt wird, desto eher wird der Gegner auch als echter Feind, eine Niederlage als ernsthafte persönliche Frustration erlebt, was dann zu tatsächlichen Ausschreitungen seitens der Zuschauer bei einer Niederlage ihrer Mannschaft führt.’ Schulz erwähnt dies zwar, widerlegt es aber mit seinen Forschungsergebnissen. Allerdings spricht auch Gunter A. Pilz von Provokationen wie ‘Häme der gegnerischen Fans nach einer Niederlage’, die zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen können, ‘indem man mit den Fäusten die eigene und die Ehre des Vereins wieder herzustellen versucht!’ In diesem Kontext möchte ich den Ansatz des Soziologen Norbert Elias, der 1939 sein Werk ‘Über den Prozess der Zivilisation’ veröffentlichte, anführen. Er beschreibt, dass mit der Zivilisierung der Gesellschaft, also der zunehmenden Durchsetzung heutiger Normen und Regeln und der vorherrschenden Rationalität, die unser Zusammenleben bestimmen, gleichzeitig Affektäußerungen, Emotionshandlungen und eben Gewalttätigkeiten zurückgedrängt haben. Fußballfans im Stadion wollen genau das ausleben, eben spontane Gefühle äußern wie Jubeln, Brüllen, Schimpfen und Singen. Diese Handlungen dürfen im Stadion vollzogen werden ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen, sie gehören zum Alltag in Fußballstadien. Gewalthandlungen sind nicht erwünscht, jedoch trifft diese Theorie auch auf sie zu. ‘Die ganze Woche muss man die Schnauze halten, zu Hause keinen Ton riskieren, im Betrieb darfste nichts sagen, dafür geben wir am Wochenende so richtig die Sau ab.’, so ein überliefertes Zitat eines Fußballfans, das dies auf den Punkt bringt. Bill Buford empfand es in seiner teilnehmenden Hooligan-Beobachtung ähnlich: ‘Augenscheinlich war die Gewalttätigkeit eine Art Protest. So gäbe es Sinn: Fußballspiele dienten als Ventil für heftige Frustrationen.’ Der Konsum von Alkohol, der in vielen Fällen enthemmend wirkt, tut sein Übriges hinzu. So zählt das Bier für den Fan, wenn man sich in den Stadien umsieht und sich umhört in persönlichen Gesprächen mit ihnen, fast schon zum guten Ton, um sich ein Spiel anzuschauen. Diese Ansätze sollen etwas verdeutlichen, aus welchen Gründen es überhaupt zu Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans kommen kann. Sie sind heterogener Natur und haben unterschiedliche Ursachen. Es ist kein neues Problem der letzten zwanzig oder dreißig Jahre und es ist nicht ausschließlich ein Phänomen der Hooligans, auf die ich im folgenden Kapitel genauer eingehen werde. Diese Szene hat sich mit all ihrer extremen Gewaltauslebung erst aus den normalen Fans und den Kuttenträgern entwickelt. Gewalt unter Fußballzuschauern gibt es schon, so lange dieser Sport existiert. Die Polizei hat daher in einer Arbeitsgemeinschaft ‘Fußball und Gewalt’ Fußballfans bereits seit 1991 in drei Kategorien eingeteilt: Kategorie A: der friedliche ‘Fan’. Kategorie B: der gewaltbereite/-geneigte ‘Fan’. Kategorie C: der gewaltsuchende ‘Fan’. Mit Hilfe dieser Kategorien führt die Polizei die ‘Datei Gewalttäter Sport’, in der alle Personen gespeichert sind, die im Rahmen von Sportveranstaltungen in irgend einer Form gewalttätig auffällig geworden sind und auch Personen, bei denen ein solcher Verdacht besteht. Sie wird in der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) geführt und soll der Polizei helfen, gezielter gegen Gewalttäter vorgehen zu können.

Über den Autor

Marcus Brauer, geboren 1980 in Hamm/Westfalen, schloss 2009 ein Studium der Angewandten Sozialwissenschaften erfolgreich ab. Seine Begeisterung für den Fußball wurde ihm in die Wiege gelegt. Seit frühester Jugend besucht er Spiele in verschiedensten Ligen. Während seiner Studienzeit war er in der Jugendabteilung des SVA Bockum-Hövel sowie als Praktikant im Schalker Fanprojekt tätig. Heute arbeitet er in der Offenen Jugendarbeit in Königswinter.

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